Eingang des Walt Disney World in Orlando
APA/AFP/Getty Images/Octavio Jones
Selbstverwaltung in Florida

Politfehde bedroht Disneys Sonderrechte

Nach seiner Gründung im Jahr 1923 hat es Disney jahrzehntelang vermieden, „auch nur den Hauch einer Kontroverse aufkommen zu lassen“ – in letzter Zeit hat sich nach den Worten der „New York Times“ („NYT“) jedoch die „Hässlichkeit der realen Welt in das magische Königreich geschlichen“. Die Rede ist von einem offen ausgetragenen Schlagabtausch mit Floridas erzkonservativem Gouverneur Ron DeSantis, wobei die jüngste Eskalation nun Disneys weitreichende Selbstverwaltungsrechte im Reedy Creek Improvement District (RCID) bedroht.

Das Parlament von Florida stimmte am Donnerstag für einen Gesetzesentwurf, der die Prüfung der Ende der 1960er Jahre geschaffenen Sonderbezirke und damit auch des RCID vorsieht. Der 1967 rund um den Bau des Vergnügungsparks „Disney World“ geschaffene und um die hundert Quadratkilometer umfassende Bezirk wird von Disney nach wie vor weitgehend selbst verwaltet.

Der Unterhaltungskonzern, der in Florida als einer der größten privaten Arbeitgeber rund 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, ist im RCID etwa für die Grundversorgung wie Müllabfuhr und die Abwasseraufbereitung zuständig – und treibt auch Steuern ein. DeSantis muss das Gesetz nun noch unterschreiben.

„Den Falschen ausgesucht“

Wird es umgesetzt, droht laut „NYT“ RCID schon bis zum nächsten Jahr die Auflösung. Das könne „enorme steuerliche Auswirkungen für Disney haben“ samt bisher schwer abschätzbaren Folgen für die RCID-Bewohnerinnen und -Bewohner, schreibt dazu der „Guardian“. Geht es nach dem republikanischen Senatspräsidenten Wilton Simpson, sei zwar noch offen, „wie es ausgehen wird“. Aus dem laufenden Prozess werde aber etwas herauskommen, das „besser sei als das, was wir heute haben“, wie Simpson hier nachlegt.

Proteste vor dem Walt Disney World in Orlando
Reuters/Octavio Jones
Befürworter vom neuen Sexualerziehungsgesetz wollen Disneys Kritik nicht teilen

Weit deutlichere Worte kommen von DeSantis: „Wenn Disney einen Streit will, haben sie sich den Falschen ausgesucht“, schreibt der 43-Jährige am Mittwoch in einer Spendenaufruf-E-Mail. „Als Gouverneur wurde ich gewählt, um die Menschen in Florida an die erste Stelle zu setzen, und ich werde nicht zulassen, dass ein witziges Unternehmen mit Sitz in Kalifornien unseren Staat regiert.“

Im März unterzeichnetes „Don’t Say Gay“-Gesetz

Hinter der jüngsten Eskalation steht Disneys Kritik an einem im März von DeSantis unterschriebenen Gesetz (House Bill 1557), das Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität vom Kindergarten bis zur dritten Klasse verbietet und diesen auch für ältere Schüler zumindest einschränkt.

Disney habe zunächst versucht, sich aus der öffentlichen Debatte rund um das „Don’t Say Gay“-Gesetz („Sag nicht schwul“) herauszuhalten, schreibt die „NYT“ – diese Vorgangsweise auf Druck aus der Belegschaft dann aber grundlegend geändert: Disney-Chef Bob Chapek verurteilte das Gesetz scharf und stoppte alle politischen Spenden seines Unternehmens in Florida.

„Spaß für alle“

Disney steht mit DeSantis schon länger im Clinch. Für Kontroversen sorgte etwa ein Streit über eine Impfpflicht im Zusammenhang mit der CoV-Pandemie. „Unter dem Beifall progressiver Kreise und dem Gezeter der extremen Rechten“ habe Disney im vergangenen Sommer zudem beschlossen, die Lautsprecherdurchsagen in seinen Themenparks geschlechtsneutral zu gestalten und „Damen und Herren, Jungen und Mädchen“ zugunsten von „Träumern jeden Alters“ zu streichen.

Im Streit um Floridas Anti-LGBTQ-Gesetz werde Disney nun aber „zunehmend in die parteipolitischen Auseinandersetzungen hineingezogen“, so die „NYT“.

Dabei sei „die Mission der Marke Disney immer ganz klar“ gewesen, zitiert die Zeitung den Universitätsprofessor und ehemaligen Geschäftsführer der Walt Disney Studios, Martin Kaplan, nämlich: „Nichts tun, was das Familienpublikum verärgern oder verwirren könnte.“ Das Motto „Spaß für alle. Nichts Anstößiges. Lassen wir uns alle durch den Zauberstab verwandeln“, sei aber kaum mehr zu halten. „Wir sind heute so gespalten, so aufgewühlt, dass es selbst Disney schwerfällt, uns zusammenzubringen.“

Florida-Gouverneur Ron DeSantis
Reuters/Octavio Jones
DeSantis ist seit 2019 Gouverneur von Florida

„Kulturkampf“ um Wiederwahl und Weißes Haus

Die Linie von DeSantis steht indes im Einklang mit den Bestrebungen der US-Republikaner, ihre konservative Linie in gesellschaftspolitischen Fragen durchzusetzen. Der Gouverneur von Florida sticht hier derzeit aber besonders hervor, wie die Onlinezeitung The Hill nahelegt.

Ob mit seiner CoV-Politik, der Entscheidung, Geschäfte und Strände früher als andere US-Bundesstaaten zu öffnen, bei der Migrationspolitik, einem verschärften Abtreibungsgesetz oder eben dem Gesetz über die elterlichen Rechte in der Bildung: Kein Gouverneur ziehe derzeit mehr Aufmerksamkeit auf sich als DeSantis, wie das Nachrichtenportal aus der US-Hauptstadt Washington D.C. weiter berichtet. Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem „Kulturkampf“ in eigener Sache. Demnach geht es für DeSantis um die Wiederwahl in Florida – und seine Position im anlaufenden nächsten Rennen ums Weiße Haus.