Linda Poppenwimmer beim ÖVP Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

Poppenwimmer will kein „Maulwurf“ sein

Der ÖVP-U-Ausschuss hat am Donnerstag den Fokus auf die Justiz gelegt. Befragt wurde mit Linda Poppenwimmer eine bemerkenswerte Personalie. Der Werdegang der Korruptionsstaatsanwältin hatte für großes Aufsehen gesorgt und gilt für die Opposition als Sinnbild für mangelndes Vertrauen und Attacken innerhalb der Justiz. So bekam sie auch die Bezeichnung „Maulwurf“ verpasst – ein Vorwurf, den sie entschieden zurückwies. Auch erhob sie Vorwürfe gegen die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Der Hintergrund: Die derzeit karrenzierte Korruptionsstaatsanwältin war Ende 2021 zur Anwaltskanzlei Ainedter & Ainedter gewechselt. Das ist äußerst bemerkenswert, weil die Kanzlei auch ÖVP-Personalien rechtlich vertritt und Poppenwimmer ihren Wechsel medienwirksam mit Kritik an den Verhältnissen in der Justiz verknüpfte. Die Opposition ist der Ansicht, dass Poppenwimmer in die WKStA eingeschleust worden sein müsse, wie SPÖ und FPÖ meinen.

Selbst die Grünen orten ein mögliches „Dreieck“ aus Poppenwimmer, Ainedter und Oberstaatsanwalt Johann Fuchs. Als Grundlage für diese Annahmen gelten Chats, die veranschaulichen, dass die Juristin Interna aus Besprechungen der WKStA an ihren Vorgesetzten, den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, Fuchs, weitergetragen hat und dafür teilweise auch handschriftliche Notizen abfotografierte.

„Skandalisierende Berichte“ beklagt

Gegenüber dem Ausschuss wies Poppenwimmer entsprechende Darstellungen und Anschuldigungen vehement zurück – wortreich beklagte sie Diskreditierungsversuche. Die Behauptung, dass sie in ihrem Karenzierungsantrag etwas verschwiegen hätte, wies sie zurück. Auch sei sie nicht die Erste, die auf diese Weise ihren „beruflichen Horizont erweitern“ wolle. Auch wies sie darauf hin, dass die Anzeige wegen Informationsweitergabe zurückgelegt wurde. Dennoch habe es immer wieder „skandalisierende Berichte“ über sie gegeben.

Linda Poppenwimmer beim ÖVP Untersuchungsausschuss
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Poppenwimmer bei ihrer Ankunft – als Vertrauensperson fungierte Klaus Ainedter

Über mögliche Leaks aus WKStA berichtet

Poppenwimmer wies auch darauf hin, dass es kein Disziplinarverfahren gegen sie gäbe. Sie habe niemals jemanden bespitzelt oder in fremde Akten geschaut. Sie habe ihrem Vorgesetzten Fuchs nur Informationen aus ihrer Dienststelle weitergegeben, das sei alles zulässig gewesen. Sie habe über aufklärungswürdige Vorgänge in der WKStA informiert, über mögliche Leaks aus der Behörde, über die Tonaufnahme in der Dienstbesprechung, über etwaige politische Verbindungen von Staatsanwälten in der WKStA.

WKStA nicht die Behörde, „die wir brauchen“

„Ich bin weder ein Maulwurf noch ein Spitzel noch ein Trojanisches Pferd“, sagte sie explizit an SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer gerichtet. Zwar schädige Korruption die Gesellschaft „wie Krebs“, die WKStA sei eine wertvolle Einrichtung, so lange sie sich innerhalb der Justiz abschotte und versuche, sich herauszulösen aus Berichtsketten, sei sie nicht die Antikorruptionsbehörde, „die wir brauchen“, so Poppenwimmer. „Vielleicht passt es nicht in das heroische Bild, das die Medien von der WKStA zeichnen, aber ich und andere Kolleginnen haben nun einmal anderes erlebt.“

„Kontrolliert“ gefühlt

Sie habe sich die Arbeit anders vorgestellt und „nur Uraltakten abgearbeitet“ – sie selbst, so Poppenwimmer, hätte die Akten wohl großteils anders geführt. Eigentlich habe sie nur ein halbes Jahr in der Korruptionsstaatsanwaltschaft bleiben wollen, dann sei sie aber ins Eurofighter-Team nominiert worden. Die Zuteilung sei „zufällig“ erfolgt, weil sie ohnehin schon bei der WKStA war. Fuchs habe sie angerufen und um ihre Zustimmung gefragt, die habe sie dann erteilt.

Linda Poppenwimmer beim ÖVP Untersuchungsausschuss
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Poppenwimmer übte schwere Kritik an der WKStA

Dort habe sie dann gesehen, dass in der Behörde „sehr viel Misstrauen herrschte“, sie habe sich „kontrolliert“ gefühlt, einmal pro Woche habe sie der WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda die Akten vorlegen müssen. Poppenwimmer sprach von einem „Freund-Feind-Klima“. Tenor sei gewesen: „Denen da oben kann man nicht trauen“ – das „vergiftete Klima“ habe sie in Teilen der Behörde mitbekommen. Freilich habe sie das auch ihrer Vorgesetzen mitgeteilt.

Fuchs ein „Business friend“

Breit Thema war freilich die Überschneidung mit Fuchs, den sie als „Business friend“ bezeichnete. Zu ihm habe sie ein „gutes, kollegiales Verhältnis“ gehabt. Sie habe ihn schon früher bei einem Seminar kennengelernt, als er noch bei der Staatsanwaltschaft (StA) Eisenstadt war und noch nicht absehbar gewesen sei, dass er Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) werden würde. Damals sei es schon zum „Du-Wort“ gekommen.

Der Kontakt blieb aufrecht, sie war dann „relativ fassungslos“, als dann letztlich (390) Chats zwischen ihr und Fuchs ausgewertet worden seien, so Poppenwimmer. Dazu habe sie mit Fuchs auch gesprochen, im Vorfeld der Befragung habe ihr Fuchs den Tipp gegeben, „offen und ehrlich“ zu sein. Handlungsanweisung sei das keine gewesen.

„Leider reden die schon wieder von neuen Vorwürfen“

Abgefragt wurden freilich Chats, etwa dieser: „Herzlichen Dank auch dafür, dass Du auch das ‚Umfeld‘ zu unserem Verfahren so aufmerksam beobachtest“, wie Poppenwimmer Fuchs im Mai 2019 schrieb. Die von ihm erhoffte „Ruhe“ wollte sich so bald nicht einstellen, „leider reden die schon wieder von neuen Vorwürfen“, erfuhr der OStA-Chef von Poppenwimmer.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Medienbeobachtung als Teil des Jobs

Im Ausschuss wollte die SPÖ-Mandatarin Katharina Kucharowits wissen, auf wen sich diese Angaben beziehen. Gemeint gewesen sei die Stimmung in der Eurofighter-Einheit und den Medien, so Poppenwimmer. Medienbeobachtung habe sie generell als Teil ihres Jobs gesehen, sagte sie später auf Fragen von NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper.

Auch gab Poppenwimmer gegenüber der ÖVP an, sich drei Monate in den Akt eingelesen zu haben und danach einen „Anordnungsaktionismus“ geortet zu haben. Da sei ein Punktesystem zur Diskussion gestellt worden, etwa dass Anklagen mehr Punkte bekommen könnten als Einstellungen. Sie habe das abgelehnt, und es sei auch nie gekommen.

Katharina Kucharowits (SPÖ)
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Für die SPÖ fragte Katharina Kucharowits, abgefragt wurden zahlreiche Chats mit Fuchs

Fuchs weniger „intensiv“ informiert als Vrabl-Sanda

Fuchs sei von ihr immer wieder zum Status des Verfahrens informiert worden, doch weniger „intensiv“ als Vrabl-Sanda, der sie ja wöchentlich zu berichten hatte, so Poppenwimmer. Zwar sei es eine Order gewesen, mit der Oberbehörde keinen Kontakt zu haben, doch habe sie das für nicht zulässig gehalten, und auch Fuchs habe das so eingeschätzt. Er habe ihr angeboten, sich an ihn zu wenden mit Problemen – in der WKStA habe ihr das niemand angeboten. Dort sei es für sie zu hoher Belastung gekommen, man sei „beäugt“ worden.

Einmal habe sie sich mit einem Gruppenleiter zu rechtlichen Fragen ausgetauscht, da seien andere Kollegen dazugekommen. Er habe seinen Dienstcomputer aufgedreht und eine Pressekonferenz von ZackZack-Macher Peter Pilz angeschaut. Der habe von einem Bruch des Amtsgeheimnisses durch den suspendierten Ex-Justizministeriumssektionschef Christian Pilnacek gesprochen, und ein Staatsanwalt habe gemeint, man müsse Pilnacek eigentlich festnehmen. Da sei ihr klar geworden, dass das nicht ihre Linie sei.

Nina Tomaselli (Die Grünen)
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Auch Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli fragte zu Pilnacek – Poppenwimmer sprach von einem „Putsch“

„Hörensagen“, „Gerüchte“, „Gutdünken“

Auch sprach Poppenwimmer von Querverbindungen zwischen WKStA und der Opposition. Handfeste Beweise halte sie zwar nicht in Händen, es gehe aber um „Auffälligkeiten“, dass etwa auf Forderungen der WKStA-Leiterin stets eine parlamentarische Anfrage der NEOS folgte, so Poppenwimmer. Die WKStA-Leiterin habe das alles nicht ernst genommen, genauso gut wie zu ihr hätte sie mit ihren Infos „zum Salzamt gehen“ können, sagte die Auskunftsperson.

SPÖ und Grüne kritisierten, dass sich Poppenwimmer stets auf Basis „vom Hörensagen“, „Gerüchten und Gutdünken“ äußerte. Dem widersprach die Auskunftsperson: Sie habe versucht, mit Informationen ordentlich umzugehen, Aktenvermerke würden nicht immer sinnvoll sein, gab sie sinngemäß an. Auch NEOS äußerte Zweifel, dass die geäußerte Kritik Poppenwimmers überhaupt konstruktiv gemeint gewesen sei.

„Putsch“ gegen Pilnacek

Es sei Teilen in der WKStA darum gegangen, Pilnacek loszuwerden – der Tenor bei „einzelnen Personen in der WKStA“ sei gewesen: „Pilnacek muss weg“. Sie selbst habe das als „Putsch“ empfunden, so Poppenwimmer auf SPÖ-Fragen (Chat mit Fuchs: „Der Putsch war leider erfolgreich“).

Generell sei spürbar gewesen, „dass man jeden Strohhalm aufgreifen will, damit man Anzeige erstatten kann“. Die Leiterin der WKStA habe sich immer wieder an den Minister gewendet. Immer wieder habe es Bestrebungen in diese Richtung gegeben. Es habe psychische Belastungen gegeben, wer die Anzeige der Staatsanwälte gegen Pilnacek nicht unterschrieben habe, habe sich ausgeschlossen fühlen müssen. Poppenwimmer habe sich als „Kummerkasten“ für einige Mitarbeiter gefühlt, gab sie auf Fragen von ÖVP-Mandatar Christian Stocker an.

Ratz „Herz ausgeschüttet“

Den langjährigen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Eckart Ratz, habe sie auch gekannt, einmal seien sie im November 2021 spazieren gegangen. Ihre Situation sei schon unerträglich gewesen, es habe völlig unterschiedliche Rechtsansichten gegeben – und darüber habe sie mit ihm geredet. „Weil er schonungslos ehrlich ist“ – sie habe ihm ihr Herz ausgeschüttet. ÖVP-Mandatar Stocker bedankte sich bei Poppenwimmer für die aus ihrer Sicht „schonungslose Offenheit“, auch wenn sich besorgniserregende Abgründe über die Arbeit der WKStA auftäten.