Menschen warten auf Kerosin in Colombo, Sri Lanka
AP/Eranga Jayawardena
Beispiel Sri Lanka

Sorge vor globaler Schuldenkrise wächst

Sri Lanka steckt in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Stromausfälle häufen sich, an Medikamente und Lebensmittel mangelt es, der Treibstoff wird nur noch begrenzt ausgegeben. Erst kürzlich hat sich der Inselstaat für zahlungsunfähig erklärt. Schulden im Ausland werden nicht mehr bezahlt. Die Sorge, dass Sri Lanka kein Einzelfall bleibt, wächst.

Nach Angaben der Weltbank befinden sich bereits 60 Prozent der ärmsten Länder der Welt bereits in einer Schuldenkrise oder seien davon bedroht. Bei der diesjährigen Frühjahrstagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde vor einer drohenden „globalen Schuldenkrise“ infolge des Ukraine-Kriegs gewarnt. Der IWF verglich in seinem jüngsten Weltwirtschaftsausblick die Folgen der russischen Invasion mit „seismischen Wellen“, die über die Weltwirtschaft rollten.

Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie haben insbesondere Entwicklungsländer noch tiefer in die Schuldenkrise getrieben. Und nun treibt der Krieg in der Ukraine die Preise für Energie und vor allem Lebensmittel in die Höhe. In einigen Ländern werden laut Weltbank bis zu 60 Prozent des verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgegeben. In Industriestaaten seien es zehn Prozent. Die globalen Lebensmittelpreise sind UNO-Angaben zufolge im März zum Vorjahreszeitraum um ein Drittel gestiegen.

„Hausgemachte“ Krise in Sri Lanka

Nach Ansicht des Medienunternehmens Bloomberg braut sich ein Schwall an Schocks zusammen, die es schon mal in den 90er Jahren gegeben hatte. In vielen Ländern ist die Wirtschaft wegen vieler Faktoren eingebrochen, Demonstrationen und Tumulte waren die Folge. In Sri Lanka gehen seit Wochen Menschen auf die Straßen, um ihren Unmut zu äußern. Wegen der Proteste musste Präsident Gotabaya Rajapaksa, dessen Rücktritt gefordert wird, sein Kabinett umbilden.

Nach Ansicht des Wirtschaftsforschers Muttukrishna Sarvananthan ist die Krise in Sri Lanka in erster Linie „hausgemacht“. Seit den 2000er Jahren sei eine Reihe von politischen Entscheidungen getroffen worden, die zu makroökonomischen Ungleichgewichten führten. Diese Fehler reichten von Steuersenkungen bis schlecht durchdachte Kreditaufnahmen. Die Folgen der Coronavirus-Pandemie und die höheren Rohstoffpreise wegen des Ukraine-Kriegs befeuern die Krise.

Menschen warten auf Kerosin in Colombo, Sri Lanka
AP/Eranga Jayawardena
Die Treibstoffausgabe wurde in Sri Lanka rationiert – Menschen stellen sich stundenlang an, um die Ware zu erhalten

Gerade deshalb hatte die Regierung vor wenigen Tagen beschlossen, die noch verbliebenen Reserven zur Deckung von Lebensmittel- und Energieimporten zu verwenden, anstatt Investoren zu bezahlen. Zuletzt bat das Land seine im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürger, Geld in die Heimat zu überweisen. Das Geld soll ausschließlich für den Import lebenswichtiger Güter genutzt werden, so die Zentralbank.

Für ein Hilfsprogramm stellte der IWF aber eine Bedingung: Sri Lanka muss seine Auslandsschulden zuerst umstrukturiert. Die Weltbank hingegen hatte die Schaffung eines 170 Milliarden Dollar schweren Rettungspakets (157 Milliarden Euro) für krisengeschüttelte Länder angekündigt. Der neue Finanzrahmen soll laut Weltbank-Präsident David Malpass eine Laufzeit von 15 Monaten haben und auf dem 157 Milliarden schweren Coronavirus-Hilfsfonds der Weltbank aufbauen, der im Juni des vergangenen Jahres ausgelaufen war.

In unmittelbarer Gefahr, zahlungsunfähig zu werden

Sri Lanka mag das erste Land sein, aber es werde nicht das letzte sein, so Bloomberg. Eine Handvoll anderer Schwellenländer, von Pakistan und Tunesien bis Äthiopien und Ghana, sei in unmittelbarer Gefahr, zahlungsunfähig zu werden. Hinzu kommen die Staaten, die schon letztes Jahr de facto pleite waren wie der Libanon, Äthiopien, der Tschad und Sambia. Bloomberg setzt überdies die Türkei und Ägypten an die Spitze der wichtigsten Schwellenländer, die den „wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen“ des Kriegs ausgesetzt sind.

Der frühere IWF-Vizechef, John Lipsky, prognostiziert, dass die aktuellen Krisen „eine große Anzahl einkommensschwacher Länder in die Notwendigkeit einer Umschuldung treiben“. Man könne sehen, wie der Schuldenberg auf die Welt zukommt. Der deutsche Finanzminister, Christian Lindner, sagte am Rande der IWF-Frühjahrstagung, dass die drohende Schuldenkrise eine Quelle habe: Russland. Dem Land droht ein Zahlungsausfall, weil er sich mit der militärischen Invasion in eine wirtschaftliche Isolation mit Sanktionen manövriert hat.

„Wir leben in einer sehr schwierigen Zeit, in großer Ungewissheit. Wir müssen uns auf diese Herausforderungen konzentrieren – zum Wohle der Milliarden von Menschen, die für ihre Familien, für ihre Existenzgrundlage auf eine vernünftige Wirtschaftspolitik angewiesen sind“, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Sie habe nicht für möglich gehalten, dass es in ihrem Leben noch einen Krieg in Europa in diesem Ausmaß geben würde, sagte Georgiewa. „Aber wir erkennen auch an, wie abhängig wir voneinander sind.“