Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner
APA/Helmut Fohringer
Politikexperte

Luft für Wallner „sehr dünn“

Die Affäre rund um die Inserate des Vorarlberger Wirtschaftsbunds hat die Innenpolitik fest im Griff. Täglich werden neue Details bekannt. So soll etwa Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) stärker involviert gewesen sein als bisher bekannt. Dieser wies die Vorwürfe umgehend zurück. Doch die Luft, sagt Experte Thomas Hofer, sei „sehr dünn“.

Die Vorarlberger Opposition forderte am Freitag den Rücktritt des Landeshauptmanns. Grund dafür war der jüngste Bericht über die Affäre rund um den Vorarlberger Wirtschaftsbund. Laut „Vorarlberger Nachrichten“ („VN“) soll Wallner bei einem Betriebsbesuch selbst um Inserate geworben und dafür politisches Entgegenkommen versprochen haben. Der Landeshauptmann wies die Vorwürfe als „glatte Lüge“ zurück. „Ich bin kein Inseratenkeiler für den Wirtschaftsbund“, betonte er.

Wallner will die ÖVP-Vorfeldorganisation durch eine externe Kanzlei prüfen lassen. Es müsse „alles im Wirtschaftsbund durchleuchtet werden“, so der ÖVP-Landeparteichef. Dass über den Wirtschaftsbund Geld für den ÖVP-Wahlkampf organisiert wurde, stellte er in Abrede. „Die Behauptung, wir hätten Inserate lukriert, um die Landespartei zu finanzieren, kann ich nicht nachvollziehen.“ Die Vorwürfe gegen den Wirtschaftsbund hätten mit seiner Politik nichts zu, das sei nicht sein Stil, so der Landeshauptmann – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Differenzen und Vorstöße

Es ist nicht das erste Mal, dass der Landeshauptmann den Vorstoß in der Inseratenaffäre wagt. Bereits Anfang April kündigte Wallner nach mehreren Rücktritten an, den Wirtschaftsbund personell neu auf- und die Zeitung „Vorarlberger Wirtschaft“ einzustellen. Doch die jüngsten Details und Ungereimtheiten ließen die Affäre wieder hochkochen.

Vorwürfe gegen Vorarlbergs LH Wallner

Der ÖVP-Wirtschaftsbund soll in Vorarlberg laut Medienberichten in den vergangenen Jahren die zwei Landesräte mit Direktzahlungen bedacht haben. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) soll davon gewusst haben. Nun fordern immer mehr Politiker und Politikerinnen seinen Rücktritt.

So floss etwa Geld des Wirtschaftsbundes an ÖVP-Landesräte. Diese verwiesen drauf, dass der Wirtschaftsbund für dessen Funktionäre regelmäßig Kosten übernommen habe, etwa für einen „Umtrunk“. Die Vorarlberger ÖVP gab zudem an, dass man vom Wirtschaftsbund seit 2015 etwa 900.000 Euro erhalten habe. Laut Berechnungen des Finanzamts sind es aber insgesamt 1,5 Millionen Euro gewesen. Auch Steuern wurden nicht bezahlt – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Das Krisenmanagement sei nicht geglückt, urteilt Politikberater Hofer. Zwar habe man versucht, sich mit den Rücktritten Raum und Zeit zu verschaffen. Dass die ÖVP und Wallner den Differenzbetrag nicht genau wissen bzw. nannten, sei hingegen „äußerst problematisch“. Die Intention, jetzt reinen Tisch zu machen, sei in der Politik „bei Weitem kein Einzelfall. Aber wenn wesentliche Fragen offen bleiben und man immer wieder externe Prüfungen abwartet, ist das nicht konsequent.“

Noch „ungemütlicher“ für Wallner

Wallner hatte mehrmals eingeräumt, zu lange zugeschaut zu haben. Die vergangenen zwei, drei Jahre habe man sehen können, dass sich ein Inseratenvolumen aufbaue, das „außergewöhnlich“ sei, dieses halte er für „nicht gesund“. Laut Finanzamt schossen ab 2008 die Einnahmen in die Höhe. Sie gipfelten 2019 mit Beträgen von über 1,2 Millionen Euro bei einem Gesamtgewinn des Wirtschaftsbundes von 615.000 Euro. Der Wirtschaftsbund habe als ÖVP-Teilorganisation aber einen eigenen Kontrollmechanismus. „Ich bin nicht persönlich für alles mitverantwortlich, was in einer Teilorganisation passiert“, sagte er.

Politikexperte Hofer sieht den Landeshauptmann wegen der jüngsten Bericht aber schon angezählt. „Die Luft wird jetzt schon sehr dünn“, sagt er im Gespräch mit ORF.at. Die Dimension, die die Inseratenaffäre nun erreicht hat, habe Hofer nicht erwartet. Denn es sei durchaus „ungewöhnlich“, dass die dominierenden Medien eines Bundeslandes eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber dem Landeshauptmann einnehmen. Das könnte für den ÖVP-Landeschef noch „ungemütlicher“ werden.

Politologe Peter Filzmaier hatte angesichts der Ungereimtheiten in der Buchhaltung des Wirtschaftsbundes und der Landespartei von einem politischen Sittengemälde gesprochen. „Wir haben in Österreich eine der höchsten Parteienförderung weltweit überhaupt“, merkte er an. „Egal ob es nun strafrechtlich relevant ist oder nicht. Es hat hier also zusätzlich zur hohen Parteienförderung eine wenig transparente Parteienförderung stattgefunden“ – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Affäre strahlt bis nach Wien

Die Vorarlberger Inseratenaffäre hat allerdings auch Folgen für die Bundes-ÖVP. Die Causa strahle weit über die „engen Landesgrenzen Vorarlbergs“ hinaus, sagt Hofer. „Hätte es in der Vergangenheit nicht schon ähnliche Vorwürfe gegeben und würde nicht gerade ein U-Ausschuss zu diesen Themen stattfinden, könnte die Bundespartei vermutlich sagen: ‚Die Inseratenaffäre betrifft nur Vorarlberg, es ist ein regionales Thema.‘ Und die Sache hätte nicht diese Ausmaße erreicht.“

Dem ist allerdings nicht so. Zwar versuche die ÖVP, mit Schweigen die Affäre auszusitzen, um sie mit Wortmeldungen nicht noch größer zu machen. Wegen der laufenden Ermittlungen gegen mehrere ÖVP-Vertreter und -Vertreterinnen und wegen des U-Ausschusses könne die Volkspartei diese Situation aber nicht kleinreden, sagt Hofer und ergänzt: „Man hat vielleicht gehofft, dass es mit den Rücktritten von Sebastian Kurz und Gernot Blümel etwas ruhiger wird. Aber es ist eine Art ‚never ending story‘.“