SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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Rendi-Wagner

Mehrwertsteuer für Lebensmittel aussetzen

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert die Regierung angesichts der explodierenden Preise auf, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel auf null zu setzen. Die EU habe das mit einer neuen Richtlinie ermöglicht, diesen Vorschlag sollte die Regierung umsetzen, sagte sie am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Denn „es kann nicht sein, dass der Staat noch profitiert von der Teuerung“.

Rendi-Wagner drängte einmal mehr zu raschem Handeln. Es gelte, „eine soziale Krise zu verhindern“, viele Menschen könnten sich das tägliche Leben nicht mehr leisten. Das von ÖVP und Grünen geschnürte Entlastungspaket in Höhe von 3,7 Milliarden Euro hilft aus Sicht der SPÖ-Chefin nicht, „das Problem ist, dass bei den Menschen nichts ankommt“.

Nötig wären „gezielte Maßnahmen“, um die Preise zu senken und die Menschen steuerlich zu entlasten, bekräftigte Rendi-Wagner die SPÖ-Forderungen: eine zeitlich befristete Senkung von Mineralölsteuer oder der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom, einen Energiepreisdeckel für Niedrigverdiener, eine vorgezogene Pensionserhöhung um fünf bis sechs Prozent und eine Steuerreform mit 1.000 Euro jährlicher Ersparnis für arbeitende Menschen.

„Soziale Krise verhindern“

Das würde in Summe auch drei bis vier Milliarden Euro Entlastung ausmachen, aber treffsicherer helfen, argumentierte Rendi-Wagner. Die aktuell diskutierte Abschaffung der kalten Progression würde sie auch begrüßen – allerdings mit einem Automatismus nur für untere und mittlere Steuerstufen.

Konzepte gegen die Teuerung

Rasche Maßnahmen seien nötig, um eine soziale Krise zu verhindern, so Rendi-Wagner. Schließlich kämpfe man gegen eine Teuerung, wie man sie schon 40 Jahre nicht gesehen habe.

Rendi-Wagner legt Regierung Neuwahl nahe

Rendi-Wagner sieht eine Reihe von Versäumnissen und Fehlern der Regierung, vom Coronavirus über die Teuerung bis zur Klimapolitik. Deshalb legte sie Türkis-Grün in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag nahe, „den Weg freizumachen für Neuwahlen“. Kommt es dazu, sei Platz eins und eine „bessere Regierung“ bilden zu können das Ziel. Mit ihr als Spitzenkandidatin, „was sonst?“, zeigte sich die Parteichefin, die einigen internen Zwist hinter sich hat, sehr selbstbewusst.

Das Verhältnis zur ÖVP unter Karl Nehammer beschrieb Rendi-Wagner als „unauffällig professionell“ – und anders als mit der Kurz-ÖVP schloss sie eine Koalition mit der Nehammer-ÖVP nicht aus. Nur eine Koalition mit der FPÖ sei ausgeschlossen, alles andere werde sich nach der nächsten Wahl zeigen. Für die im Herbst anstehende Bundespräsidentenwahl bekräftigte Rendi-Wagner, dass die SPÖ im Fall der Wiederkandidatur von Alexander Van der Bellen keinen Gegenkandidaten oder -kandidatin ins Rennen schickt.

Arbeitskraftmangel bei Energiewende

Kritik an den Grünen übte Rendi-Wagner im Zusammenhang mit der großen Abhängigkeit von russischem Gas. In den zwei Jahren ihrer Regierungsbeteiligung sei „gar nichts“ für den Ausstieg passiert, verwies sie auch darauf, dass aktuell viele Arbeitskräfte für die Umstellung der Öl- und Gasheizungen fehlen. Jetzt gelte es, effiziente Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs zu setzen, den Umstieg gezielt zu fördern und mittel- und langfristig die Energiewende zu schaffen. Dafür nötig wären auch schnellere Zulassungsverfahren für Windräder oder Photovoltaikanlagen.

Auch Katzian will mehr Tempo

Ähnlich zu Maßnahmen gegen die Teuerung hatte sich davor ÖGB-Chef Wolfgang Katzian geäußert. Er will der Teuerung nicht nur in den Lohnverhandlungen, sondern ebenfalls auch durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel entgegenwirken. Die Steuer sollte man „halbieren oder sogar für ein halbes Jahr aussetzen“, sagte Katzian im Interview mit Oe24. Den Stromversorgern, die derzeit vom hohen Gaspreis profitieren würden, will der ÖGB-Chef mit Sondersteuern die Daumenschrauben ansetzen.

„Die Strompreise ergeben sich immer aus dem höchstmöglichen letzten Tarif, weil Gas teuer ist, sind sie sehr hoch. Wasser ist aber nicht teurer geworden, dadurch fährt etwa der Verbund sehr hohe Gewinne aus den Stromverkäufen ein. Dieser Windfall-Profit gehört abgeschöpft“, sagte Katzian. Wie hoch die Steuer ausfallen sollte, sagte er aber nicht. Die Gespräche mit dem Finanzministerium zur Bekämpfung der Inflation liefen, würden sich aber „wie ein Strudelteig“ ziehen. Es brauche mehr Tempo, meinte der Gewerkschaftschef. „Die Leute im Land sind schon richtig angefressen.“

Kickl kritisiert „Trägheit“ der Regierung

FPÖ-Obmann Herbert Kickl sowie SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch kritisierten am Sonntag ebenfalls die Trägheit der Regierung in Sachen Inflation und nahmen in ihren jeweiligen Aussendungen Bezug auf eine Umfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) im Auftrag der „Kronen Zeitung“. Laut dieser könne mehr als die Hälfte der Bevölkerung ihre Ausgaben für Einkauf, Strom, Gas und Treibstoff nur noch schwer stemmen. Eine überwiegende Mehrheit von 80 Prozent habe wegen der Inflation bereits ihr Konsumverhalten geändert.

Für Kickl „ist die Senkung der Steuern auf Energiekosten, Treibstoffe und Grundnahrungsmittel das Gebot der Stunde“. Deutsch plädierte indessen dafür, dass die Teuerung „von der Regierung zurückgegeben werden“ müsse und fordert eine „Geld-Zurück-Garantie“.

Brunner gegen „temporäre Einzellösungen“

Aus dem Finanzministerium hieß es indessen, die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) „raten zur Bekämpfung der Inflation auf strukturelle Veränderungen statt auf temporäre Einzellösungen zu setzen. Wir tun das in Österreich bereits und zudem haben wir ein Entlastungspaket in Höhe eines Prozents unseres BIP in Umsetzung“, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einer Aussendung im Anschluss an die Tagungen des IWF und der Weltbank der vergangenen Tage.

Die Weltbank-Experten würden zudem eine Rückkehr zu einer nachhaltigen Budgetpolitik empfehlen, sofern das im Rahmen der Krise möglich sei. Das würde der Europäischen Zentralbank (EZB) weiteren Handlungsspielraum im Kampf gegen die Inflation geben. Dieser Handlungsspielraum sei derzeit nur begrenzt vorhanden, so Brunner.

ÖVP, Grüne und FPÖ kritisieren Rendi-Wagner

ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner hielt in Reaktion auf die „Pressestunde“ der SPÖ „Realitätsverweigerung“ vor. „Jede Idee, die nicht von ihr stammt, wird automatisch schlechtgeredet“, warf sie Rendi-Wagner vor, „rechthaberisch“ gewesen zu sein – und unterstrich, dass die Regierung die Menschen um vier Milliarden Euro entlaste, zuzüglich zur 18 Milliarden Euro schweren Steuerreform.

Die Grünen wiesen die Kritik an ihren Versäumnissen in der Klimapolitik zurück. Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin Leonore Gewessler hätten „mehr für den Klimaschutz in Österreich getan als die zahlreichen Regierungen vor ihnen“, konterte Lukas Hammer per Aussendung.

Kritik an der SPÖ kam auch von der FPÖ. Deren Generalsekretär Michael Schnedlitz nannte den Versuch," sich als Kämpferin gegen die Teuerung darzustellen, an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten". Die SPÖ fungiere – etwa in der Coronavirus-Politik – als „Beiwagerl von Schwarz-Grün“, ihre Antiteuerungspolitik sei „scheinheilig“.