Nach vorläufigem amtlichen Endergebnis kam Macron auf 58,55 Prozent der Stimmen, Le Pen auf 41,45 Prozent, wie das Innenministerium in Paris nach Auszählung aller Stimmen der zur Wahl registrierten Wähler in der Nacht auf Montag mitteilte. Der Abstand der beiden Kandidaten ist deutlich knapper als vor fünf Jahren. Damals gewann Macron die Stichwahl gegen Le Pen mit 66 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 72 Prozent.
Macron erhielt in der Stichwahl auch Stimmen von Menschen, die seine Politik nicht unterstützen, aber einen rechten Wahlsieg verhindern wollten. Ihnen dankte er in einer Rede am Sonntagabend explizit. Macron sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, den Franzosen gegenüber arrogant und herablassend aufzutreten. Im Wahlkampf versuchte er, dieses Image abzuschütteln.
„Ich bin der Präsident von allen“
Etliche Parteien hatten nach der ersten Wahlrunde dazu aufgerufen, eine Mauer gegen rechts zu bauen und eine Präsidentin Le Pen, die trotz betont gemäßigteren Auftretens weiterhin extrem rechte Positionen vertritt, durch eine Stimme für Macron zu verhindern. Der 44-Jährige versprach den Wählern seiner rechtspopulistischen Herausforderin Rücksichtnahme. Auf ihre „Wut und ihre abweichenden Meinungen“ müsse es „Antworten geben“, sagte Macron. „Ich bin der Präsident von allen.“

Dennoch sind viele Franzosen mit Macrons erster Amtszeit unzufrieden und empfinden seinen Politikstil als arrogant. Bereits im Juni ist eine Parlamentswahl, und es gilt derzeit als sehr unwahrscheinlich, dass Macron auch dort einen Sieg davontragen kann. Damit droht ihm und dem Land eine Cohabitation, also dass der exekutiv starke Präsident und der Regierungschef unterschiedlichen Parteien angehören.
Demut und große Versprechen
Macron kündigte für seine kommende Amtszeit einen Umgang mit den Franzosen auf Augenhöhe an. „Wir müssen auch wohlwollend und respektvoll sein“, sagte er am Sonntagabend vor Hunderten Anhängern in Paris, „denn unser Land steckt tief in Zweifeln und Spaltung. Wir müssen stark sein, aber niemand wird am Wegesrand zurückgelassen.“
Die nächsten fünf Jahre würden keine Fortsetzung seiner ersten fünf Regierungsjahre sein. Der marktliberale Politiker kündigte an, er wolle Frankreich führend im Kampf gegen die Klimakrise positionieren. Zugleich versprach er eine stärkere Sozialpolitik, wie sie Le Pen und Linkskandidat Jean-Luc Melenchon – wenn auch unterschiedlich – propagieren.
„Die kommenden Jahre werden sicherlich schwierig sein, aber sie werden historisch sein, und gemeinsam müssen wir sie für die neuen Generationen schreiben“, sagte der 44-Jährige. Wie Macron diese Versprechen angesichts einer galoppierenden Inflation, der sich verschärfenden Klimakrise, einer tiefen politischen Spaltung im Land und der internationalen Verwerfungen rund um den Ukraine-Krieg einlösen will, ließ er freilich offen.
Aufatmen in Europa
Der Wahlsieg Macrons dürfte eine große Erleichterung für Deutschland und Europa sein, auch wenn der charismatische Liberale bei Weitem nicht überall der Wunschpartner ist. Seine Widersacherin wollte sich von der seit Jahrzehnten engen Zusammenarbeit mit Deutschland lossagen.
EU-Ratspräsident Charles Michel gratulierte Macron: „In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt.“ Die EU könne nun fünf weitere Jahre auf Frankreich zählen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Europaparlamentspräsidentin Roberta Metsola gratulierten ebenso wie US-Präsident Joe Biden: Er freue sich auf die Weiterführung einer engen Kooperation etwa bei der Unterstützung der Ukraine, der Verteidigung der Demokratie und beim Kampf gegen den Klimawandel, so Biden.
Zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs, von Olaf Scholz über Mario Draghi und Boris Johnson bis zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Kanzler Karl Nehammer, gratulierten Macron und betonten, sie freuten sich auf eine weiterhin enge Zusammenarbeit für Europa.
Cornelia Primosch über Macrons Wiederwahl
Präsident Macron hat die Wiederwahl geschafft – auch wenn er viel umstrittener war als bei seiner ersten Wahl. Damals hat er mit 66 zu 34 Prozent auch viel deutlicher gewonnen. Was folgt daraus für das politische Frankreich? ZIB-Korrespondentin Cornelia Primosch analysiert.
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) schrieb in einem Statement: „Die Wahl in Frankreich ist ein positives Signal für die Zukunftsfähigkeit der EU und zugleich Auftrag.“ SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagte, die Wahl sei "ein auch für uns wichtiges Votum. „Europa atmet auf.“ Erfreut zeigte sich NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger: „Der Sieg von Emmanuel Macron ist ein Sieg für die Freiheit und für Europa.“
Le Pen sieht „durchschlagenden Sieg“
Die zum dritten Mal bei einer Präsidentschaftswahl unterlegene Le Pen zeigte sich trotz ihrer Wahlniederlage kämpferisch. „Die Partie ist noch nicht gelaufen, es stehen noch Parlamentswahlen an“, sagte sie am Abend vor ihren Anhängern in Paris. Ihr Wahlergebnis sei ein „durchschlagender Sieg“, sagte Le Pen in Anspielung auf das Ergebnis vor fünf Jahren. Damals hatte sie mit knapp 34 Prozent gegen Macron verloren.

Melenchon: Wahlkampf ist eröffnet
So wie Le Pen betonte auch der Linkspolitiker Melenchon, der nur knapp den Einzug in die Stichwahl verpasst hatte, dass ab sofort der Wahlkampf für die Parlamentswahl eröffnet sei. An all jene gerichtet, die nicht oder nur widerwillig für Macron gestimmt hatten, sagte Melenchon, es gebe „noch immer einen Weg, Macron mittels der Parlamentswahl im Juni zu schlagen“. „Macron ist der Präsident mit dem schlechtesten Ergebnis der Fünften Republik“, sagte Melenchon. „Er surft auf einem Meer von Nichtwählern und Enthaltungen.“
Die Niederlage Le Pens nannte er eine „gute Nachricht für die Einheit unseres Landes“. Melenchon bekräftigte seinen Wunsch, Premierminister zu werden, und rief seine Anhänger zum Wahlkampf für die Parlamentswahl auf. „Eine andere Welt ist noch möglich“, sagte er. Melenchon war in der ersten Runde mit 22 Prozent auf den dritten Platz gekommen.
Leonie Heitz über die Stimmung im Lager Le Pens
Leonie Heitz berichtet aus der Wahlzentrale von Marine Le Pen. Erwartet man dort nach der enttäuschenden Niederlage das Ende ihrer politischen Karriere – oder wird sich Marine Le Pen nun eher angestachelt fühlen zu weiteren politischen Schritten?
Der rechtsradikale Ex-Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour rief zu einer Koalition der Nationalisten auf. „Wir müssen die Streitereien vergessen und uns zusammenschließen“, sagte er. Dabei sehe er die führende Rolle bei seiner Partei Reconquete! (Wiedereroberung). Zemmour hatte Le Pen im Wahlkampf zeitweise überholt, landete im ersten Wahlgang jedoch mit sieben Prozent auf dem vierten Platz.
Feiern und Tränengas
Anhänger von Macron feierten dessen Wiederwahl. Zu elektronischer Musik eines DJ schwenkten Hunderte auf dem Champ-de-Mars in Paris Frankreich- und Europaflaggen und tanzten. Im zentral gelegenen Viertel Chatelet kam es zu Zusammenstößen zwischen vom Wahlausgang frustrierten Demonstranten und der Polizei, die teils Tränengas einsetzte.