Werner Kogler (Die Grünen)
ORF.at/Lukas Krummholz
Kogler vor Bundeskongress

Amtsmüdigkeit „dummes Gerücht“

Am Samstag stellt sich Werner Kogler vor dem Bundeskongress seiner Wiederwahl als Parteichef der Grünen. Angesichts von Pandemie und Ukraine-Krieg war seine bisherige Amtszeit als Vizekanzler weit von dem entfernt, was zu erwarten war. Im Gespräch mit ORF.at spricht Kogler über die Stimmung in der Partei und Koalition, eine mögliche Abrechnung der Basis und zwei neue Antikorruptionsgesetze.

Kogler hat die Grünen nach dem Ausscheiden aus dem Parlament 2017 wieder zurückgebracht, gleich und erstmals auf die Regierungsbank im Nationalrat. Ein Verdienst, für das er nur kurz gefeiert wurde. Denn die Legislaturperiode ging bisher mit einer großen Krise nach der anderen einher. Aber nicht nur wegen Pandemie und Krieg mussten die Grünen als Juniorpartner der ÖVP viele Zugeständnisse machen, sondern mitunter aus Koalitionsräson.

Auch personell steht die Partei vor Veränderungen: Koglers Kabinettschef Stefan Wallner verlässt auf eigenen Wunsch seinen Posten, Umweltministerin Leonore Gewessler wird zudem neue Vizechefin. Nun stellt sich Kogler am Samstag in Villach seiner Wiederwahl als Bundessprecher, Gegenkandidaten gibt es keinen. 2018 wählte die zuvor traditionell uneinige Basis Kogler noch mit 99 Prozent zu ihrem Chef. Nun, nach etwas mehr als zwei Jahren in der Regierung und etlichen Zugeständnissen an den Koalitionspartner, könnte das freilich anders sein.

Kogler sieht breiten Zuspruch

Eine Abrechnung der Grünen mit ihrem Chef befürchtet Kogler nicht, wie er zu ORF.at in seinem Büro mit Blick auf den Donaukanal sagte: „Ich fürchte einmal fast gar nichts im Leben, und schon gar nicht im politischen. Dazu haben wir von den österreichischen Grünen viel zu viel erlebt.“ Man diskutiere untereinander ständig, es gebe aber „im Großen und Ganzen“ breiten Zuspruch in der Partei für die Regierungsarbeit.

Werner Kogler (Die Grünen)
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Kogler stellt sich der Wiederwahl als Parteichef. Mit einer Abstrafung durch die grüne Basis rechnet er nicht.

Steuerreform, Klimaticket, Pensionen, Justiz – Kogler sieht in diesen Bereichen Fortschritte mit rein grüner Handschrift und streut seinem Regierungsteam Rosen. „Da ist sehr viel gelungen, gerade dieser Einstieg in die ökologische Wende an allen Stellen.“ Es sei aber schon bei den Vorbereitungen auf die Koalition klar gewesen, dass man Kompromisse schließen müsse. „Das ist ja das Wesen der Realpolitik. Es müssen auch andere Kompromisse machen, selbst die, die vielleicht dreimal so viele Stimmen haben, und auch das ist oft genug vorgekommen in den letzten zwei Jahren.“

„… die dann noch Putin hinterhergehechelt sind“

Amtsmüde, wie manche Schlagzeile ihm zuletzt unterstellte, sei er nicht, so Kogler. „Ich halte das für ein ziemlich dummes Gerücht. Vor allem, weil das Gegenteil der Fall ist.“ Mit dem neuen Gegenüber, Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), habe sich zudem das Koalitionsklima verbessert: „Ich glaube, wir sind beide sehr teamorientiert. Das ist mit Sicherheit ein Unterschied zu früher.“

Eine Rückkehr von Sebastian Kurz (ÖVP) ins Kanzleramt hält Kogler nicht für wahrscheinlich. „Es gibt wenig ernst zu nehmende Hinweise darauf. Wenn das ein Boulevardmedium schreibt und dann noch manche Twitterati hinterherirren, muss man das nicht gleich ernst nehmen.“

Hart ins Gericht geht Kogler mit anderen früheren Verantwortungsträgern, wenn es um Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas geht. Spätestens mit der Annexion der Krim „hätte man erkennen müssen, mit wem man es hier zu tun hat“. Nun sitze man in einer Falle, aus der es keinen schnellen Ausweg gebe. „Von denjenigen, die dann noch Putin hinterhergehechelt sind und uns die heutige Verletzlichkeit eingebrockt haben, brauchen wir als allerletztes die Zurufe, wie es jetzt gehen soll. Die sollen sich einmal dafür entschuldigen, was sie da angerichtet haben.“

Kogler zu Teuerung und Energieimporten

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kommentiert Abhängigkeit von russischen Energieimporten, EU-Perspektiven für die Ukraine und die immer größer werdende Teuerungswelle.

Neue Gesetze als Nachwehen von „Ibiza“

Nun gelte es, „so schnell wie möglich herauszukommen – das wird aber nicht ohne Weiteres und hohe Kosten gehen“. Neben diesem Energieumstieg gehört auch die lang erwartete Pflegereform zur aktuellen Aufgabenliste. Das könnte freilich zäh werden, so Kogler unter Verweis auf die Bundesländer. „Der Plan fürs Fundament ist da, da müssen jetzt einmal die großen Ziegel noch gelegt werden.“

Fertig und zur Feinabstimmung unter den Koalitionsparteien freigegeben sind hingegen zwei Antikorruptionsgesetze – Nachwehen von „Ibiza“: „Ich möchte jetzt keine Details nennen, weil die ja noch da oder dort nachgeschärft werden. Aber in den großen Linien ist es klar, dass man sich Mandate nicht mehr mit mehr oder weniger viel Geld kaufen kann.“ Auch soll unter Strafe gestellt werden können, wenn man zu Korruptionsverdacht Anlass gibt, auch noch ohne sich im entsprechenden Amt zu befinden. Einiges von dem, was von Heinz-Christian Strache also auf „Ibiza“ zu hören war, wäre dann verfolgbar, so Kogler.

Werner Kogler (Die Grünen)
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60 Jahre alt, 40 bei den Grünen: Kogler fürchtet „fast gar nichts im Leben, schon gar nicht im politischen“

Düsterer Ausblick auf den Herbst

Auf Neuwahlspekulationen will sich Kogler, nunmehr seit über 40 Jahren bei den Grünen, nicht einlassen. Geplant sind die nächsten Nationalratswahlen 2024, daran hält der Parteichef fest. Vorher müsse man erst einen ehrlichen Ausblick auf den kommenden Herbst wagen. „Es kann passieren, dass ganz schwierige Zeiten auf uns zukommen. Wenn sich mehrere Krisen – vor allem jene, die durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins ausgelöst wurden – gleichzeitig verschärfen.“ Damit könnten schwere ökonomische und soziale Verwerfungen einhergehen, so Kogler. „Das kann Energiefragen, Lebensmittellieferungen, die Preise am Weltmarkt und deren Auswirkungen auf unsere Landwirtschaft betreffen.“ Dem müsse man gegensteuern. „Da bringen Neuwahlspekulationen einmal genau gar nichts.“

Eine Wahl hat Kogler dennoch im Blick: die kommende Bundespräsidentschaftswahl. Alexander Van der Bellen gab bisher nicht preis, ob er erneut antreten will. Auch Kogler lässt sich hier nicht in die Karten schauen. „Es ist nicht Aufgabe von Regierungsmitgliedern, darüber öffentlich zu sinnieren. Jedenfalls wünsche ich mir natürlich, dass seine Entscheidung für einen Wiederantritt ausfällt.“