Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
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Panzer für Ukraine

Deutsche Kehrtwende in Ramstein

Zu zaudernd, zu zögerlich: Deutschlands Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) sind wegen ihrer Linie im Ukraine-Krieg seit Wochen heftig kritisiert worden. Bei einem hochrangig besetzten Treffen auf dem US-Waffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein kündigte Lambrecht nun eine Kehrtwende an: Erstmals sollen schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden.

Deutschland will die Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland mit Flugabwehrpanzern unterstützen. Die deutsche Bundesregierung erlaubt eine Lieferung von Gepard-Panzern aus Beständen der Industrie. Der Rüstungshersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) erhält grünes Licht für den Verkauf der technisch aufgearbeiteten Flugabwehrpanzer aus früheren Bundeswehr-Beständen. Krauss-Maffei Wegmann verfügt über 50 lieferbare Panzer des Typs aus der aufgelösten Heeresflugabwehr der Bundeswehr. Der Gepard kann auch im Kampf gegen Bodenziele eingesetzt werden.

Die Gepard-Panzer wurden vor rund zehn Jahren von der Bundeswehr ausgemustert. Nach Angaben aus Regierungskreisen gegenüber AFP könnten die Panzer direkt von KMW an die Ukraine ausgeliefert werden, es ist kein Ringtauschgeschäft vorgesehen. Die Kosten könnten von Deutschland oder der NATO getragen werden.

Bericht über Mangel an Munition

Wie die „Bild“-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe) aus Regierungskreisen meldete, hat Hersteller KMW aktuell jedoch nur rund 23.000 Schuss Munition für das Hauptwaffensystem des Gepard vorrätig. Die beiden schweren Hauptwaffen des Panzers benötigen demzufolge pro Minute etwa 1.100 Schuss. Das Verteidigungsministerium und KMW suchen laut „Bild“ deshalb nun nach weiterer Munition für den Gepard. Zudem gehen Sicherheitskreise der Zeitung zufolge davon aus, dass das aufwendige Basistraining des Richtschützen des Gepard sechs Wochen in Anspruch nimmt.

Deutschland liefert erstmals Waffen an Ukraine

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) sind wegen ihrer Linie im Ukraine-Krieg seit Wochen heftig kritisiert worden. Bei einem Treffen auf dem US-Waffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein kündigte Lambrecht nun eine Kehrtwende an: Erstmals sollen schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden.

Lambrecht kündigte in Ramstein überdies auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten an. „Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine sind gut ausgebildete und gut ausgestattete Streitkräfte“, so Lambrecht. Und: „Wir sind ein verlässlicher Partner an der Seite der Ukraine – mit unseren Alliierten zusammen“, sagte sie nach der Konferenz mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus rund 40 Nationen.

Lambrecht weist Kritik zurück

Den Vorwurf einer zögerlichen deutschen Unterstützung für die Ukraine wies Lambrecht zurück. „Wir haben immer in Abstimmung mit den Alliierten unsere Entscheidung getroffen“, sagte sie. „Sobald klar war, andere liefern bestimmte Systeme, unterstützen wir sie dabei, wir liefern ebenfalls, das ist unser Weg, keine deutschen Alleingänge.“ „Der Gepard ist genau das, was die Ukraine jetzt braucht, um den Luftraum zu sichern vom Boden aus“, führte sie weiter aus. „Wenn die Ukraine jetzt ganz dringend solche Flugabwehrsysteme braucht, sind wir bereit, sie zu unterstützen.“

Gegenstand der Beratungen sei, „jetzt schnell zu liefern, aber auch dafür zu sorgen, dass die ukrainische Armee mittel- und langfristig in der Lage ist, sich und die Bevölkerung zu verteidigen“, sagte Lambrecht. „Wir werden alle Möglichkeiten weiter ausloten, wie wir weiter die Ukraine unterstützen können.“ Es gehe darum, Solidarität ganz konkret zum Ausdruck zu bringen. „Wir Deutschen sind dazu bereit, wir waren dazu bereit und werden das auch in Zukunft sein.“

USA begrüßen deutsche Panzerlieferung

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin begrüßte die Ankündigung Deutschlands. Deutschland sei „ein toller Freund und Verbündeter“ der USA, sagte Austin bei einer Pressekonferenz. Die Überlassung der 50 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard sei ein „bedeutender“ Schritt, der der Ukraine wichtige zusätzliche Fähigkeiten bringe. Die USA und ihre Verbündeten stünden zusammen, um die Ukraine angesichts des russischen Angriffskrieges zu unterstützen, sagte Austin.

Der Verteidigungsminister der der USA, Lloyd Austin
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US-Verteidigungsminister Lloyd Austin

Auf die Frage, ob Deutschland noch mehr tun sollte, um die Ukraine militärisch zu unterstützen, sagte Austin, diese Entscheidung liege allein bei Deutschland als souveränem Staat. Er wolle daher nicht spekulieren. Mit Blick auf Lambrecht sagte er, „gemessen an allem, was ich gesehen habe, in meinem Austausch mit der Verteidigungsministerin“ sei es klar, dass sie sich darauf konzentriere, im Rahmen der Möglichkeiten alles zu tun, um die Ukraine zu unterstützen, und das auch weiter tun werde.

USA kündigen Kontaktgruppe an

„Wir sind hier, um der Ukraine zu helfen, den Kampf gegen Russlands ungerechte Invasion zu gewinnen und die Verteidigung der Ukraine für die Herausforderungen von morgen aufzubauen“, sagte Austin gleich zur Eröffnung des Treffens. Die USA kündigten auch eine monatliche Kontaktgruppe zur besseren Koordinierung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine an.

„Um sicherzustellen, dass wir unsere Fortschritte weiter ausbauen, werden wir dieses Forum über den heutigen Tag hinaus verlängern“, sagte Austin. „Die Kontaktgruppe wird ein Instrument, um unsere Unterstützung zu koordinieren und uns darauf zu konzentrieren, den heutigen Kampf und die kommenden Kämpfe zu gewinnen“, sagte Austin weiter. Die monatlichen Treffen könnten persönlich, virtuell oder in einem gemischten Format stattfinden.

Polen unzufrieden

Der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek begrüßte die deutsche Entscheidung für Panzerlieferungen zwar, nannte sie aber gleichzeitig unzureichend. Die Genehmigung des Exports von Gepard-Flugabwehrpanzern der Rüstungsindustrie könne nur ein erster Schritt sein, sagte er am Dienstag vor einem Treffen des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki mit Scholz in Berlin. „Die Gepard-Panzer reichen nicht aus. Wir machen mehr als Deutschland, andere Länder machen mehr. Das zeigen auch Statistiken.“

Treffen auf dem US-Waffenstützpunkt Ramstein
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Bei einer Konferenz auf der US-Basis im deutschen Ramstein berieten 40 Staaten über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine

Warnung aus Moskau

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor deutlich gemacht, dass er Waffenlieferungen der NATO an die Ukraine als berechtigte Angriffsziele für sein Land betrachtet. In einem Interview des russischen Fernsehens warnte er, die Gefahr eines Dritten Weltkriegs sei „ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden“. Den USA und Großbritannien warf Lawrow vor, die Verhandlungen mit der Ukraine zu bremsen.

Lettland und Litauen wiesen die von Lawrow heraufbeschworene Gefahr einer Eskalation des Ukraine-Krieges zurück. „Wenn Russland den Dritten Weltkrieg androht, dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass die Ukraine Erfolg hat“, schrieb Außenminister Edgars Rinkevics auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Im benachbarten Litauen sagte Staatspräsident Gitanas Nauseda: „Wir dürfen uns von dieser bereits alltäglich gewordenen Rhetorik nicht einschüchtern lassen“, sagte er bei einem Besuch in Klaipeda. „Sie nutzen einfach jede angemessene und unangemessene Gelegenheit, um zu versuchen, westliche Länder daran zu hindern, der Ukraine zu helfen.“

Das US-Verteidigungsministerium kritisierte die Warnung Lawrows vor einem Atomkrieg als Eskalation. Jedes Gerede über den möglichen Einsatz von Atomwaffen sei „sehr gefährlich und wenig hilfreich“, so Austin. Die USA hätten die Einsatzbereitschaft ihrer nuklearen Abschreckung nicht verändert, sagte Ministeriumssprecher John Kirby im Sender CNN. Die russische Armee und der ganze Staat seien seit Beginn des Krieges schwächer geworden. „Wir wollen, dass Russland in Zukunft nicht mehr in der Lage ist, seine Nachbarn zu bedrohen“, sagte er.

Debatte über Waffenlieferungen im Bundestag

Die Debatte über deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine beschäftigt in dieser Woche auch den Bundestag. Angestrebt wird eine Verständigung bei Waffenlieferungen und bei der Finanzierung der Bundeswehr. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bot der CDU/CSU-Fraktion Gespräche über einen gemeinsamen Bundestagsantrag an. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz sprach sich für Verhandlungen mit den Ampelfraktionen aus, um die beiden vorliegenden Anträge zu Waffenlieferungen und Ukraine-Hilfen zusammenzuführen. Die Themen dürften auch beim Koalitionsausschuss am Dienstagabend erörtert werden.