Die Superjacht „Eclipse“ von Roman Abramovich
Reuters/Yoruk Isik
Wie Mafiosi

Pläne für Enteignung von Oligarchen

In mehreren westlichen Ländern fordern Politiker, die russischen Verantwortlichen für den Krieg gegen die Ukraine, allen voran die Oligarchen, zu bestrafen. Deren Vermögen soll nicht nur eingefroren werden, so die Forderung. Vielmehr sollen sie enteignet werden und das Vermögen künftig zum Wiederaufbau in der Ukraine verwendet werden. Auch in der EU gibt es laut „Financial Times“ erste Überlegungen dazu. Ein möglicher Weg wäre, Oligarchen wie Mafiosi zu behandeln.

Der Westen hat seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor allem einen veritablen Wirtschaftskrieg mit Russland begonnen, um Moskaus Kriegsanstrengungen zumindest zu bremsen. Es ist ein auf internationaler Bühne seit Jahrzehnten nicht da gewesenes „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ an Strafe und Gegenstrafe, das scheinbar entfesselt und in atemberaubendem Tempo abläuft.

In den USA haben Senatoren bereits vor Wochen einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der das Justizministerium dazu verpflichten würde, eingefrorenes Vermögen zur Betreuung ukrainischer Flüchtlinge und für den Wiederaufbau des Landes zu verwenden. In Kanada wurde vor wenigen Tagen ein ähnlicher Gesetzesvorstoß unternommen. Und auch in der EU gibt es laut „Financial Times“ („FT“) seit Wochen entsprechende Überlegungen. Auslöser dafür waren auch die Forderungen grüner und liberaler EU-Mandatare, eingefrorenes Vermögen zu konfiszieren.

Polen: „Sie müssen zahlen“

Vor allem Polen drängt auf eine entsprechende Regelung, die entsprechende russische Vermögen in der EU nicht nur wie derzeit aufgrund der Sanktionen einfrieren würde, sondern deren Besitzer enteignen würde. Für den polnischen Vizeaußenminister Pawel Jablonski liegt die Sache gegenüber dem britischen Finanzblatt sehr klar: „Das grundlegendste Prinzip ist, dass Russland diesen Krieg begonnen hat und sie daher auch dafür zahlen müssen.“ Zunächst brauche es in der EU eine Grundsatzentscheidung für die dauerhafte Konfiskation. Bei der praktischen Umsetzung zeigt sich Jablonski offen.

Hohe Hürden

Einfach ist die Sache freilich aus mehreren Gründen nicht: In den meisten EU-Staaten sind Enteignungen rechtlich sehr enge Grenze gesetzt. Ein solcher Schritt könnte auch ein Präzedenzfall werden, der künftige Enteignungen erleichtert und damit Eigentusmrechte, eine der Säulen eines Rechtsstaates, aushöhlt.

Zudem muss die EU davon ausgehen, dass Russland dann wohl im Gegenzug Vermögen von EU-Bürgerinnen und -Bürgern und Konzernen konfiszieren würde, auch wenn das in Summe wohl weniger ausmacht. Das könnte den Wirtschaftskrieg gefährlich anheizen und das gegenseitige Vertrauen gerade auch im Wirtschaftsbereich langfristig schwer schädigen.

„Man begibt sich aufs Glatteis“

„Allen ist klar, dass man sich aufs Glatteis begibt, wenn Behörden anfangen, eingefrorenes Vermögen notgedrungen zu konfiszieren. Aber es ist auch klar, dass Vermögen von Oligarchen wie von der Russischen Zentralbank gut für den Wiederaufbau und humanitäre Hilfe in der Ukraine verwendet werden könnte“, so Nate Sibly von der konservativen US-Denkfabrik Hudson Institute gegenüber der „FT“.

Estland schlug alternativ vor, einen Teil der Gas- und Ölzahlungen an Russland auf ein Treuhandkonto zu überweisen, um damit später den Wiederaufbau mitzufinanzieren.

Die Kommission verweist darauf, dass die Sanktionen keine Enteignung erlauben. Ein Sprecher betonte aber, dass Kommissionsbeamtinnen und -beamte überlegen, ob und wie eingefrorenes Vermögen konfisziert werden kann, wenn dies das nationale Strafrecht in einem EU-Land erlaubt. Eine rechtlich gangbare Variante wäre zu konfiszieren, wenn ein auf der Sanktionsliste befindlicher Oligarch gegen die Sanktionen verstößt.

Anti-Mafia-Gesetze als Vorbild?

Auch Italiens Anti-Mafia-Gesetze könnten als Vorlage dienen. Diese erlauben die Konfiskation von Vermögen von Personen, die Verbindungen zum organisierten Verbrechen haben und als „soziale Gefahr“ einzustufen sind. Ein namentlich nicht genannter italienischer Anti-Mafia-Staatsanwalt betonte laut „FT“ freilich, die „soziale Gefahr“ müsse in Verbindung mit der russischen Regierung bestehen.

Konfiskationen seien in Italien auch möglich, wenn das Vermögen einer Person ihre bekannten Einnahmequellen übersteigt oder diese ihr Vermögen aus illegalen Quellen bezieht. In diesem Sinne könnte bei russischen Oligarchen eine Konfiskation möglich werden, wenn man nachweisen könne, dass der Reichtum von der Verbindung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin herrührt.

Nationalbankreserven als großer „Preis“

Skeptiker auf EU-Ebene führen grundsätzlich ins Treffen, dass die möglicherweise konfiszierbaren Vermögenswerte wohl keinen großen Unterschied beim Wiederaufbau machen würden. Genau aus diesem Grund verweisen andere darauf, dass der eigentliche „Preis“ die in westlichen Banken gebunkerten – und derzeit eingefrorenen – Reserven der russischen Nationalbank wären.

Dafür gibt es kaum Beispiele. Manche Juristen verweisen aber auf die Entscheidung der US-Regierung im Vorjahr, eingefrorene sieben Milliarden Dollar der afghanischen Zentralbank zu konfiszieren und zur Entschädigung von Terroropfern der Taliban und für humanitäre Hilfe zweckzuwidmen. US-Finanzministerin Janet Yellen sagte zuletzt, es sei richtig, darauf zu schauen, dass Russland einen Teil der „enormen“ Wiederaufbaukosten für die Ukraine übernehmen werde. Aber dazu brauche es möglicherweise eigene Gesetze, und so ein Schritt müsse jedenfalls mit Europa abgestimmt sein.

USA wollen vorlegen

Das Weiße Haus kündigte am Donnerstag entsprechende Anträge für Gesetzesänderungen im Kongress an. US-Präsident Joe Biden will demnach auch dafür sorgen, dass Vermögen, das Oligarchen zur Umgehung von Sanktionen verwenden, beschlagnahmt werden kann. Nach geltendem Recht könnten die USA zwar Erträge aus Sanktionsverstößen kassieren, nicht aber Vermögen, das zur Ermöglichung von Sanktionsverstößen genutzt werde, hieß es.

Ein neuer Straftatbestand soll es untersagen, wissentlich oder absichtlich Erträge zu besitzen, die unmittelbar aus korrupten Geschäften mit der russischen Regierung stammen. Das Weiße Haus erklärte weiter, auch die Fähigkeit der USA, Geldwäsche aufgrund ausländischer Straftaten strafrechtlich zu verfolgen, solle verbessert werden – durch eine Verlängerung der entsprechenden Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre. US-Justizminister Merrick Garland hatte entsprechende Änderungen zuvor im Senat angekündigt, hatte Voice of America (VoA) berichtet.

Die nötigen Beweise aufzubringen, um Gerichtsbeschlüsse für eine Enteignung zu erwirken, ist derzeit oft schwierig, erfordert oft die Zusammenarbeit mit dem Herkunftsland, und ein Verfahren dauert jedenfalls Jahre, so ein Jurist in einem Kommentar für den Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg. Die Gelder sollten dann direkt an die Ukraine überwiesen werden, so Garland.

Wenn die USA hier tatsächlich vorlegen, würde das jedenfalls auch den Druck auf die EU, vergleichbare Schritte zu setzen, erhöhen. Entscheidend dafür wird freilich sein, dass die westlichen Staaten mehr Oligarchenvermögen als bisher aufspüren.