eine Frau arbeitet am Computer
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Rot-Weiß-Rote-Karte neu

Erleichterungen für ausländische Fachkräfte

Die Regierung hat am Donnerstag eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte präsentiert: Sie bringt eine Reihe von Erleichterungen für ausländische Fachkräfte aus Staaten außerhalb der EU bzw. für heimische Firmen, die teils händeringend Expertinnen und Experten etwa im IT-Bereich suchen. Das Fachkräfteproblem wird damit aber nur gelindert, nicht gelöst werden, räumte auch ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher ein. Lob gab es von der Wirtschaft. Äußerst harsche Kritik kam dagegen von ÖGB und AK.

Der Fachkräftemangel sei ein globales Problem. Österreich könne es sich „nicht leisten, dass andere Staaten vorbeiziehen“, begründete Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) die weitreichende Reform bei der Präsentation des Begutachtungsentwurfs. Kocher verwies zudem auf den demografischen Wandel und etwa die Notwendigkeit, den Pflegebereich in den nächsten Jahren stark auszubauen. Positive Reaktionen gab es umgehend aus der Wirtschaft, die seit Jahren Erleichterungen fordert.

Immerhin sind derzeit beim Arbeitsmarktservice (AMS) rund 124.000 offene Stellen gemeldet. Derzeit gibt es 5.000 RWR-Karte-Inhaberinnen und -Inhaber. Laut Kocher ist klar, dass auch mit der Reform die RWR-Karte nur eine von mehreren Maßnahmen sein kann, um den Fachkräftemangel zu mildern.

Die Verfahren werden vereinfacht und sollen schneller als bisher abgewickelt werden, die Kriterien werden teils deutlich gesenkt. Neu ist etwa eine Rot-Weiß-Rot-Karte für Saisonarbeitskräfte. Sprachzertifikate sollen künftig länger gelten.

Neuerungen bei Rot-Weiß-Rot-Karte

Die Regierung hat am Donnerstag eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte präsentiert: Sie bringt eine Reihe von Erleichterungen für ausländische Fachkräfte aus Staaten außerhalb der EU bzw. für heimische Firmen, die teils händeringend Expertinnen und Experten etwa im IT-Bereich suchen.

Bindung von Saisonniers

Personen, die drei Jahre als Saisonniers beschäftigt waren, können künftig zu Stammsaisonniers werden. Wer zwei Jahre als Stammsaisonnier beschäftigt war, kann eine Rot-Weiß-Rot-Karte als Stammmitarbeiter oder Stammmitarbeiterin bekommen. Davon sollen insbesondere Land- und Forstwirtschaft sowie der Tourismus profitieren. Sie haben aufgrund der CoV-Pandemie große Rekrutierungsprobleme. Die Aussicht auf die Rot-Weiß-Rot-Karte soll die Rückkehr nach Österreich attraktiver machen. Außerdem gibt es Erleichterungen beim Familiennachzug.

Spezialistinnen und Spezialisten können nun für ein Projekt bis zu sechs Monate nach Österreich kommen. Dabei brauchen sie nur ein Visum und eine Beschäftigungsbewilligung, aber kein umfassendes Verfahren. Der spätere Umstieg auf eine RWR-Karte soll möglich sein.

Lockerung der Anforderungen

Lockerungen stehen auch beim Punktesystem an. Um die Rot-Weiß-Rot-Karte zu erhalten, müssen Antragstellerinnen und Antragsteller unterschiedlicher Berufs- und Qualifikationsgruppen derzeit laut einer Liste von Voraussetzungen eine bestimmte Punktezahl erreichen, was in vielen Fällen scheitert. In Zukunft werden bei Mangelberufen Lehrabschlüsse mit Universitätsabschlüssen punktemäßig gleichgestellt. Wenn die Unternehmenssprache Englisch ist, reicht der Englischnachweis, der Deutschnachweis entfällt. Zudem wird die Berufserfahrung stärker angerechnet.

Erleichterungen gibt es auch für Studienabsolventinnen und -absolventen. Hier kommt es künftig zu einem völligen Entfall der Gehaltsgrenzen. Bisher lag die Gehaltsgrenze bei 2.551,50 Euro. Bei „sonstigen Schlüsselkräften“ wird in Zukunft verstärkt Rücksicht auf die Berufserfahrung gelegt. Die Berufserfahrung wird auch dann angerechnet, wenn die Ausbildung in einem anderen Bereich absolviert wurde.

IT-Kräfte brauchen kein Studium mehr

Mit der Reform wird auch die bis 2023 vorgesehene Umsetzung der EU-„Blue Card“-Richtlinie umgesetzt. Die Gehaltsgrenze wird auf das Durchschnittsgehalt von Vollzeitbeschäftigten gesenkt (2022: 3.171 Euro mal 14). IT-Kräfte mit dreijähriger Berufserfahrung können auch dann zugelassen werden, wenn diese kein Studium abgeschlossen haben. Auch ein Wechsel des Arbeitgebers wird erleichtert: Man kann nach einer Wartefrist von 30 Tagen automatisch anfangen, auch wenn der Prozess noch nicht abgeschlossen ist.

Laut Schramböck wird die Austria Business Agency (ABA) zum Drehkreuz für das Anwerben von Fachkräften. Als „One-Stop-Shop“ soll die ABA das gesamte Bewilligungsverfahren für heimische Unternehmen abwickeln.

Kocher: Für Wachstum wichtig

Kocher unterstrich die Wichtigkeit der Reform, die Teil des Regierungsprogramms ist, insbesondere mit Blick auf das Wirtschaftswachstum. Ohne die nötigen Fachkräfte könne potenzielles Wachstum nicht erreicht werden. Er betonte zudem, es gehe nicht um Lohndumping. Kollektivverträge und andere Regeln müssten eingehalten werden. Schramböck verwies ebenfalls auf die weitreichenden Effekte für die Wirtschaft: Ein IT-Job sichere drei weitere Arbeitsplätze, so ihre Rechnung. Österreich wolle daher ein „Hafen für Talente“ sein.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sprach von einem wichtigen Schritt für die Tourismusbranche. Die Grünen, die das Paket mitverhandelten, sprachen gar von einem „Meilenstein“. Die RWR-Karte-Inhaber würden Steuern und Abgaben zahlen und so zum Wohlstand beitragen, gleichzeitig gebe ihnen die Reform Rechte und Perspektiven.

FPÖ kritisiert ÖVP

In der ÖVP war die Reform umstritten. Während die Wirtschaft sie forderte, wollte die Partei zugleich nicht von der FPÖ gewonnene Wählerstimmen verlieren. Die FPÖ schlug genau in diese Kerbe. Die Reform sei ein arbeitsmarktpolitischer Irrweg, und wohl nicht zufällig wendete FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch eine Phrase, die die ÖVP jahrelang immer wieder verwendet hatte, nun gegen die Volkspartei, indem sie betonte: Es brauche keine unqualifizierte „Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem“.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kritisierte den Entwurf. Vordringlicher sei es, heimische Arbeitskräfte aus- und weiterzubilden. Die wirklichen Probleme seien die Arbeitsbedingungen, insbesondere zu lange und unflexible Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung. Die SPÖ forderte statt der RWR-Reform ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm.

Frontalkritik von ÖGB und AK

Gewerkschaftsbund (ÖGB) und Arbeiterkammer (AK) sehen einen „Affront“ gegen die Arbeitnehmervertretungen und einen „völligen Bruch“ bisheriger Usancen, da sie im Vorfeld nach eigenen Angaben überhaupt nicht in die Verhandlungen eingebunden waren.

In der Sache selbst kritisierten ÖGB und AK, dass die Saisonniers ihrer Ansicht nach nicht besser gestellt werden. Dafür brauchte es die Aussicht auf eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung. Zudem müsse klargestellt sein, dass eine abgeschlossene Lehre Mindestanforderung sei, und es brauche eine seriöse Bedarfserhebung, die auch die Arbeitsbedingungen in den Betrieben berücksichtige. Außerdem forderten sie, dass auch die Arbeitnehmervertretung an der Vollziehung der RWR-Karte beteiligt ist. Nach Regierungsplan ist die ABA dafür vorgesehen, diese ist laut ÖGB aber der Arbeitgeberseite zuzurechnen.

IV hofft auf Beginn „strategischer Migrationspolitik“

Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung (IV) und Hoteliersverband begrüßten dagegen umgehend den Entwurf. Es sei ein „wertvoller Beitrag“ gegen den Fachkräftemangel, der Wachstum und Wohlstand in Österreich sichere, so die Wirtschaftskammer. Die IV betonte, damit werde ein altes zentrales Anliegen der Industrie umgesetzt. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer dachte gleich weiter: Er hofft, dass die nunmehrigen Reformschritte „den Beginn einer vorausschauenden und strategischen Migrationspolitik darstellen“.