UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
Reuters/Valenty Ogirenko
UNO-Generalsekretär

Raketen während Guterres-Visite in Kiew

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat nach seiner Moskau-Reise zu Beginn der Woche auch die Ukraine besucht. Am Donnerstag führte er Gespräche mit Präsident Wolodymr Selenskij in Kiew, wo just während seines Besuchs erstmals seit zwei Wochen wieder Raketen einschlugen. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow sprach von einem „Angriff auf die Sicherheit des Generalsekretärs und der Sicherheit der Welt“. Guterres sagte der BBC nach den Explosionen, er sei geschockt. Die Gespräche zwischen Selenskyj und Guterres drehten sich indes um eine Evakuierung des Stahlwerkes Asow-Stahl in Mariupol.

Russland hatte vergangene Woche die Hafenstadt Mariupol für erobert erklärt und eine Belagerung des Stahlwerks begonnen. In dem Industriekomplex verschanzen sich ukrainische Truppen, aber auch Zivilpersonen. Der UNO-Chef berichtete Selenskyj, dass er bei seinem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag eine prinzipielle Zusage dafür bekommen habe, dass die UNO beim Aufbau eines solchen Fluchtkorridors zusammen mit dem Roten Kreuz beteiligt würde. Nun gebe es intensive Beratungen dazu, wie der Vorschlag in die Realität umgesetzt werden könne. Man unternehme derzeit „alles Mögliche, damit das geschieht“.

„Wir erwarten von der Russischen Föderation eine humane Haltung gegenüber diesen Menschen“, sagte Selenskyj nach dem Gespräch mit Guterres. „Wir rechnen damit, dass dieser Teil der Mission des Herrn Generalsekretär erfolgreich ist, und werden ihn in jeder Hinsicht unterstützen.“ Er glaube daran, dass die Belagerung des Stahlwerks Asow-Stahl beendet und in Mariupol ein „erfolgreiches Ergebnis“ erzielt werden könne, sagte er laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian.

Feldspital im Stahlwerk während eines Angriffs
Reuters/Ukrainische Streitkräfte
Von den ukrainischen Streikkräften verbreitete Bilder aus dem Inneren des Stahlwerks

Russland lehnte die Forderung nach Verhandlungen um einen Korridor für alle im Stahlwerk Eingeschlossenen am Donnerstagabend aber ab. „Der Präsident (Wladimir Putin) hat es ganz klar gesagt: Die Zivilisten können gehen, und zwar in jede Richtung, die Militärs müssen rauskommen und ihre Waffen niederlegen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Ihnen werde das Leben und medizinische Versorgung garantiert. Mehr aber nicht. Einen freien Abzug will ihnen Moskau nicht gewähren. Es gebe kein Thema für Verhandlungen, so Peskow.

Feuerwehrleute bei brennendem Haus in Kiew nach russischem Bombardement
AP/Emilio Morenatti
Feuerwehrleute bei brennendem Haus in Kiew nach russischem Bombardement

Raketenangriffe auf Kiew

Während Guterres’ Besuch gab es erstmals seit rund zwei Wochen wieder Raketenbeschuss in Kiew. Bürgermeister Witali Klitschko sprach im Onlinedienst Telegram von zwei russischen Angriffen im Stadtzentrum. „Am Abend feuerte der Feind auf Kiew. Zwei Angriffe im Bezirk Schewschenkowsky“, erklärte Klitschko. Vorläufigen Angaben zufolge gab es sechs Verletzte. Auch AFP-Reporter registrierten Detonationen.

Guterres bemüht sich um Evakuierung aus Mariupol

„Raketeneinschläge im Zentrum von Kiew während des offiziellen Besuchs von Antonio Guterres“, schrieb Selenskyjs Berater Mychailo Podoljak auf Twitter. „Gestern saß er noch an einem langen Tisch im Kreml und heute Explosionen über seinem Kopf. Postkarte aus Moskau?“, fügte er mit Blick auf den UNO-Generalsekretär hinzu. Er kritisierte den Sitz von Russland im UNO-Sicherheitsrat.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb auf Twitter von einem „hasserfüllten Akt der Barberei“. Demnach wurde Kiew mit Marschflugkörpern beschossen. „Russland hat ein weiteres Mal seine Haltung gegenüber der Ukraine, Europa und der Welt gezeigt“, schrieb Kuleba.

Guterres auch in Butscha

Guterres hatte zuvor auch den Kiewer Vorort Butscha besucht, wo Massaker an Zivilpersonen international für Entsetzen gesorgt hatten. Guterres betonte seine Unterstützung für eine Untersuchung der Taten durch den Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Es sei wichtig, den Horror „sorgfältig aufzuklären“ und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sagte Guterres. Er appellierte an Russland, mit dem Gericht zusammenzuarbeiten. Er besuchte auch die ebenfalls schwer getroffenen Städte Borodjanka und Irpin. In allen drei Städten wurden nach dem Abzug der russischen Truppen viele tote Zivilisten gefunden.

UNO-Generalsekretär Guterres in der Ukraine

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat am Donnerstag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew getroffen. Währenddessen hat Russland seine Angriffe im Osten und Süden der Ukraine erneut verschärft.

„Der Krieg ist eine Absurdität im 21. Jahrhundert“, sagte Guterres in Borodjanka. „Ich stelle mir meine Familie in einem dieser Häuser vor, die jetzt zerstört sind“, sagte Guterres. „Ich sehe meine Enkelinnen in Panik herumlaufen.“ Es gebe „keine Möglichkeit, dass ein Krieg im 21. Jahrhundert akzeptabel ist“.

Am Dienstag in Moskau

Am Dienstag hatte der UNO-Chef sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau getroffen. Er führte zudem Gespräche mit Außenminister Sergej Lawrow. Der UNO zufolge habe Putin bei dem Treffen im Grundsatz einer Beteiligung der UNO und des Roten Kreuzes bei der Rettung von Zivilisten aus dem Asow-Stahl-Werk zugestimmt. Ein Sprecher erklärte nach dem Treffen, es seien Anschlussgespräche zwischen dem russischen Verteidigungsministerium und dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der UNO geplant.

Guterres schlug die Bildung einer trilateralen Gruppe zur Lösung humanitärer Probleme in der Ukraine vor, bestehend aus Vertretern der UNO, Kiews und Moskaus. Diese Kontaktgruppe könne die Sicherheit von Fluchtkorridoren gewährleisten, sagte der Portugiese. Lawrow betonte bei der Pressekonferenz mit dem UNO-Generalsekretär, dass Russland prinzipiell für eine Verhandlungslösung sei. Es sei derzeit aber „noch zu früh“, um über Vermittler in dem Prozess zu reden.