Radfahrer auf Straße
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StVO-Novelle

Vorrang für Radfahrer und Fußgänger

Radfahren gegen die Einbahn, definierte Überholabstände, verkürzte Ampelwartezeiten: Die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) soll Verbesserungen für Radfahrerinnen und Radfahrer sowie Fußgängerinnen und Fußgänger bringen. Das versprach Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Freitag bei einer Pressekonferenz mit ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger und dem grünen Mobilitätssprecher Lukas Hammer.

Die StVO-Novelle „holt die Regeln fürs Zufußgehen und Radfahren aus den 60er Jahren ins 21. Jahrhundert“, hielt Gewessler bei der Pressekonferenz fest. Radfahrer und Fußgänger würden damit einen „deutlich höheren Stellenwert“ erhalten. Zugleich bringe die Novelle mehr Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden, mehr Lebensqualität und mehr Klimaschutz, so die Ministerin.

„Erst jetzt erhalten Fußgänger Vorrang auf Gehwegen“, sagte Gewessler. Gehwege sollen mit der Novelle von Fahrzeugen und Hindernissen freigehalten werden. Zumindest eineinhalb Meter Platz muss den Fußgängern bleiben. Außerdem müssen Ampeln so geschaltet werden, dass Fußgänger nach „kurzer Wartezeit und ohne Eile“ über die Straße gehen können.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne)

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) stellte die geplante StVO-Novelle vor, die dem Fuß- und Radverkehr Vorteile bringen soll.

Vorrang haben Fußgängerinnen und Fußgänger auch, wenn sie zum Ein- und Aussteigen öffentlicher Verkehrsmittel eine Straße queren müssen: Rechts von den Haltestellen befindliche Fahrzeuge müssen im Zuge des Aus- und Einsteigens künftig ausnahmslos stehen bleiben, sie können also nicht mehr im Schritttempo weiterfahren. Das sei ein „Beitrag zu höheren Sicherheit“ der „Öffi-Benutzerinnen und -Benutzer“, so ÖVP-Verkehrssprecher Ottenschläger.

Menschen bei Bushaltestelle
ORF.at/Carina Kainz
Autos müssen künftig halten, wenn Fußgänger zum Ein- oder Aussteigen von „Öffis“ die Straße queren müssen

Neuerungen für Radfahrer

Auch für Radfahrer wurden einige Verbesserungen angekündigt. Konkret soll das Radfahren gegen eine Einbahn künftig automatisch erlaubt sein, wenn die Straße ohne Parkplätze mindestens vier Meter breit ist und dort maximal 30 km/h gefahren werden darf. Die jeweilige Behörde muss sie dann verpflichtend für den Radverkehr öffnen und beschildern, außer sie begründet, dass die Sicherheit nicht gegeben ist.

Auch sollen Radler künftig unter bestimmten Voraussetzungen nebeneinander und bei Rot in eine Kreuzung fahren dürfen. Konkret wird das Nebeneinanderfahren mit unter Zwölfjährigen erlaubt. Bei Tempo 30 ist auch das Nebeneinanderfahren mit einer weiteren erwachsenen Person gestattet. Das Rechtsabbiegen bei Rot ist bei jenen Kreuzungen, die mit einem grünen Pfeil ausgestattet werden und sofern das gefahrlos möglich ist, erlaubt.

Der grüne Mobilitätssprecher Hammer sagte auch, dass Radfahrerinnen und Radfahrer für fehlende oder defekte Ausrüstung nicht mehr einzeln bestraft werden, sondern dass mehrere fehlende Teile mit der Novelle nur noch als eine einzige Verwaltungsübertretung gewertet werden sollen.

Schulstraßen kommen

Überdies soll es einen klar definierten Mindestabstand beim Überholen von Radfahrern geben, wie Ottenschläger ausführte. Außerorts muss ein Mindestabstand von zwei Metern beim Überholen eingehalten werden. Innerorts sind es eineinhalb Meter. In verkehrsberuhigten Zonen sollen pragmatische Lösungen gefunden werden, so Ottenschläger.

Er kündigte auch die Einführung von Schulstraßen und ein entsprechendes Verkehrszeichen an. Mit diesen werde ein Werkzeug geschaffen, um zeitlich befristete Verkehrsbeschränkungen bei Schulen festzulegen, währen derer nur noch Anrainerinnen und Anrainer sowie Rettungsfahrzeuge in die Straße einfahren dürfen.

Ottenschläger führte zudem aus, dass Radwege, die zwischen zwei Gemeinden geschaffen werden, künftig auch mit E-Mopeds und landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt werden dürfen. Das Rechtsabbiegen von Lkws soll nur in Schrittgeschwindigkeit erlaubt sein. Außerdem versprach der ÖVP-Verkehrssprecher mehr Sicherheit bei Häftlingstransporten. Die Begutachtung der StVO-Novelle ist bis 1. Juni angesetzt.

Weitere Maßnahmen gegen Raser geplant

Gewessler und Ottenschläger kündigten unter Hinweis auf die am Mittwoch beschlossene Novelle des Kraftfahrgesetzes (KFG) an, dass an einem dritten Teilpaket gegen Raser gearbeitet werde. Dabei sei auch die Stilllegung und Beschlagnahmung von Fahrzeugen Unbelehrbarer ein Thema, so Gewessler. Ottenschläger sagte zudem, dass in puncto Drogenlenker Verbesserungen der Rahmenbedingungen der Exekutive diskutiert würden.

Der grüne Verkehrssprecher Hermann Weratschnig bezeichnete die präsentierten Punkte in einer Aussendung als „großen Schritt hin zu mehr Fairness und Gleichberechtigung im öffentlichen Raum. Radfahrer:innen und Fußgänger:innen sind keine Verkehrsteilnehmer:innen zweiter Klasse.“

ÖAMTC: Komplizierte Regeln, mehr Unsicherheit

Der ÖAMTC begrüßte die präsentierte Novelle grundsätzlich, wollte für eine endgültige Bewertung aber noch den Entwurf abwarten. Nachschärfungen forderte der ÖAMTC dennoch bereits: „Laut Statistik ereignet sich die Hälfte aller Unfälle mit Radfahrenden an Kreuzungen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wieso gerade dort mit komplizierten Regeln noch mehr Unsicherheit geschaffen wird“, so ÖAMTC-Verkehrsjurist Matthias Wolf in einer Aussendung.

Das (Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) will umfassendere Maßnahmen für die Verkehrssicherheit. Die Zahl der Verkehrstoten steige, Radfahrer und Fußgänger dürften nicht durch hohe Geschwindigkeiten oder Drogenlenker gefährdet werden, und es brauche essenzielle Infrastrukturmaßnahmen. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) lobte hingegen die Neuerungen und bezeichnete sie als „längst überfälligen Schritt“. So bekomme „Österreich endlich Regelungen, die in anderen europäischen Staaten schon lange gang und gäbe sind“.

FPÖ: „Realitätsfremdes Unsicherheitspaket“

Kritik kam von der FPÖ: Als „realitätsfremdes Unsicherheitspaket“ kritisierte Verkehrssprecher Christian Hafenecker die Novelle. Diese sei „reinste grüne Klientelpolitik, wie wir sie von der ökomarxistisch völlig verblendeten Ministerin Gewessler seit ihrem Amtsantritt kennen“. Mit dieser werde das Gegenteil des Ziels, also mehr Sicherheit im Straßenverkehr, erreicht: „Durch die Ermöglichung des Rechtsabbiegens bei Rot oder des Fahrens gegen die Einbahn für Radfahrer werden gefährliche Verkehrssituationen geradezu geschaffen und Unfälle provoziert“, so Hafenecker.

NEOS lobt Entwurf und kritisiert „Untätigkeit“

Im Gegensatz zur FPÖ lobte NEOS den präsentierten Entwurf aus dem Verkehrsministerium. „Die Novelle bringt deutliche Verbesserungen, das ist begrüßenswert“, wird NEOS-Verkehrssprecher Johannes Margreiter in einer übermittelten Stellungnahme zitiert.

Die Frage sei aber, „wieso die Bundesregierung und Ministerin Gewessler auch hier schon wieder so lange gebraucht haben – die jetzt geplanten Änderungen hatten wir bereits vor zwei Jahren in einem Antrag vorgeschlagen“, so Margreiter weiter. Die „bisherige Untätigkeit von ÖVP und Grünen“ habe nicht nur die Verkehrswende verzögert, sondern auch die Sicherheit gefährdet.