Fotograf mit Pressejacke in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Pressefreiheit

Österreich im Ranking wieder abgerutscht

Den Platz in der Spitzengruppe der Staaten mit guter Pressefreiheit hat Österreich bereits 2019 aufgrund der „Ibiza“-Affäre verloren. Nach einer leichten Aufwärtsbewegung in den vergangenen Jahren ist Österreich mit dem aktuellen Ranking von Reporter ohne Grenzen (ROG) wieder drastisch abgerutscht – von Platz 17 auf 31. Die Medienfreiheitsorganisation spricht von einem „katastrophalen Absturz“.

Österreich reiht sich damit ins Mittelfeld der insgesamt 180 untersuchten Länder mit einer „zufriedenstellenden“ Pressefreiheit. Ganz vergleichbar sind die Ergebnisse heuer mit denen aus dem vergangenen Jahr nicht, da sich die Methode geändert hat. Laut ROG Österreich lassen sich durch die Änderung der Kriterien allerdings nur Verschiebungen um ein bis zwei Plätze erklären, nicht aber um 14. Diesen Absturz könne man nicht schönreden.

Als Erklärung für den Absturz Österreichs im Ranking nannte die Medienfreiheitsorganisation gegenüber ORF.at Angriffe gegen Journalisten und Journalistinnen bei Anti-CoV-Maßnahmen-Demos und das Bekanntwerden der „erkauften positiven Berichterstattung“ in Boulevardmedien im Zuge der ÖVP-Inseratenaffäre. Darüber hinaus sei Österreich das einzige EU-Land, das noch immer nicht über ein Informationsfreiheitsgesetz verfüge, kritisiert der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell von ROG Österreich.

Wirtschaftlicher Kontext stärker berücksichtigt

Beim diesjährigen Ranking wurde zudem erstmals der finanzielle und ökonomische Aspekt stärker beim Endergebnis berücksichtigt und gewichtet, erklärte ROG. Eine hohe Konzentration von Medien, mangelnde Vielfalt und kein „sinnvolles“ Medienförderungsgesetz seien nun gleichbedeutend bei der Wertung wie Angriffe auf und katastrophale Bedingungen für Journalisten und Journalistinnen.

Grafik zur weltweiten Pressefreiheit
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Reporter ohne Grenzen

Beim wirtschaftlichen Kontext schneide Österreich im Vergleich am schlechtesten ab und liege hier bereits in der Kategorie „problematisch“, stellte ROG fest. Abseits der wirtschaftlichen Komponente wurden auch der politische Kontext, der rechtliche Rahmen, Sicherheit sowie der soziokulturelle Kontext stärker bei der Erstellung des Rankings berücksichtigt.

Medienministerin Raab zurückhaltend

Medienministerin Susanne Raab äußerte sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend. „Was das aktuelle Ranking des Vereins Reporter ohne Grenzen betrifft, werden wir uns das Bewertungssystem und die Ableitungen genau ansehen, sobald der Bericht vorliegt, und in unsere Gespräche mit der Branche einfließen lassen“, teilte Raab der APA mit.

„Klar ist, dass wir weiterhin jeden Tag alles dafür tun müssen, das hohe Gut der Pressefreiheit in Österreich weiter zu schützen, damit Journalistinnen und Journalisten frei, sicher und unabhängig ihrer Arbeit nachgehen können“, so Raab, die darauf hinwies, dass sie nach ihrem Antritt als Ministerin „einen umfassenden Prozess an Medienkonferenzen gestartet“ habe.

Im Fokus stehe dabei die Neustrukturierung von Medienförderung, Medientransparenz und Inseratenvergabe. In einer Inseratenaffäre um manipulierte Meinungsumfragen ermittelt etwa die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Kurz zog sich deshalb im letzten Herbst aus allen politischen Ämtern zurück.

Schallenberg kündigt Medienkonferenz an

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) unterstrich die Bedeutung des freien Journalismus und wies auf die Gefahren hin, denen Journalistinnen und Journalisten in ihrer Arbeit ausgesetzt sind. Am Welttag „würdigen wir den unabhängigen und kritischen Journalismus als einen Grundpfeiler einer freien, demokratischen Gesellschaft“, so Schallenberg in einer Aussendung. Er kündigte eine hochrangige Medienkonferenz in Wien an.

Opposition fordert Konsequenzen

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch führte den „dramatischen Absturz“ Österreichs beim Pressefreiheitsindex auf die „türkisen Skandale und Dauerattacken auf kritische Medien“ zurück. Er sieht das als „letzten Warnruf“ für die Bundesregierung. Als Konsequenz forderte die SPÖ die Einsetzung eines „Konvents für Medienfreiheit“ unter Beteiligung der Zivilgesellschaft.

„Es braucht dringend ein Medienfreiheits- und Transparenzpaket gegen Inseratenkorruption und Message-Control, um Medien in ihrer unabhängigen Berichterstattung zu unterstützen“, forderte SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried. Konkret nannte er etwa eine Erhöhung der Presseförderung sowie ein neues ORF-Gesetz mit mehr Unabhängigkeit für die ORF-Gremien.

Ähnlich äußerte sich NEOS. „Eine freie Presse zählt zu den Grundpfeilern einer Demokratie. Die Regierungsparteien, insbesondere die Grünen, dürfen nicht länger tatenlos zuschauen, wie sie langsam, aber sicher stirbt“, mahnte Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Konkret müssten ÖVP und Grüne „umgehend ein zeitgemäßes Informationsfreiheitsgesetz vorlegen“, forderte die Abgeordnete.

FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker sieht die Schuld für den „katastrophalen Absturz Österreichs“ vor allem bei der ÖVP. Die „schwarz-türkise Medienkaufstrategie und Inseratkorruption“ hätten „größten Schaden an der polit-medialen Kultur angerichtet“. Er sprach sich etwa für einen Kostendeckel für Regierungsinserate und die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für mehr Transparenz aus.

Tschechien und Slowakei überholen Österreich

Aufgrund dessen sind nur noch acht statt wie bisher zwölf Länder im Spitzenfeld der guten Pressefreiheit. Angeführt wird dieses von Norwegen, Dänemark und Schweden, gefolgt von Estland, Finnland, Irland, Portugal und Costa Rica. Überholt wurde Österreich von den Nachbarländern Tschechien (20) und der Slowakei (27). Hinter Österreich liegen Slowenien (54), Italien (58) und Ungarn (85).

Nach Regierungswechseln lockerten hingegen Tschechien und Bulgarien ihren Einfluss auf die Presse. Eine leichte Besserung erreichte auch Serbien aufgrund der Bekämpfung von Straflosigkeit bei Angriffen auf Journalisten. Deutschland hingegen verschlechterte sich auf den 16. Platz. Begründet wurde diese Bewertung von der Pressefreiheitsorganisation mit einer Gesetzgebung, die Journalisten und ihre Quellen gefährde, mit einer abnehmenden Medienvielfalt und mit Gewalt bei Demonstrationen.

Die Zahl der verifizierten gewaltsamen Angriffe auf Medienschaffende in Deutschland stieg im Vergleich zum Vorjahr von 65 auf 80 – und damit auf einen neuen Höchststand. Die meisten Vorfälle habe es bei Protesten der „Querdenker“-Szene gegen die Coronavirus-Schutzmaßnahmen gegeben. Sie machten demnach 52 der 80 Angriffe aus. Dokumentiert wurden ferner zwölf Angriffe von Polizisten auf die Presse.

Fast 30 Länder in „sehr ernsten Lage“

Anfeindungen und tätliche Angriffe von CoV-Maßnahmengegnern gegen Journalisten beobachtete die Medienfreiheitsorganisation in mehreren europäischen Ländern. Zudem gebe es eine verstärkte Rückkehr von Journalistenmorden in Europa wie Giorgios Karaivaz in Griechenland und Peter De Vries in den Niederlanden. Kritisiert wurde auch eine verbreitete Verschärfung strenger Gesetze gegenüber Journalisten insbesondere in Ungarn, Slowenien, Polen und Albanien.

In demokratischen Gesellschaften wachse die Spaltung durch die Verbreitung von Meinungsmedien und Desinformation, warnte ROG. Weltweit befänden sich mit einer Rekordzahl von 28 Ländern derzeit in Bezug auf die Pressefreiheit in einer „sehr ernsten Lage“. Auf die rote Liste seien nun zwölf Länder gerutscht – darunter Belarus und Russland. Und obwohl Ex-US-Präsident Donald Trump inzwischen abgewählt wurde, haben sich die USA nur wenig auf den 42. Platz verbessert, da die Medien weiterhin polarisiert seien.