Eine Frau schreibt in einen Notizblock und tippt in einen Taschenrechner
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Schuldnerberatungen

Warnung vor Anstieg bei Privatkonkursen

Während der Pandemie ist die Zahl der Privatkonkurse in Österreich zurückgegangen, 2021 gab es etwa 7.200. Doch für heuer rechnen die Schuldnerberatungen mit einem Anstieg. Und dieser könnte relativ drastisch werden: So erwartet der Chef der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen, Clemens Mitterlehner, 8.000 bis 10.000 Fälle.

Diese Zahlen nannte Schuldnerberater Mitterlehner am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). Für Probleme sorgen Inflation und steigende Zinsen bei variablen Immokrediten. Bei Immobilienfinanzierungen könnte es für jene knapp werden, die bei der Kredithöhe an oder über das Limit gegangen sind und sich gleichzeitig für variable Zinsen entschieden haben.

„Wir haben als Referenzsituation die Fremdwährungskredite. Wir haben da viele Klientinnen und Klienten in Beratung gehabt, die sich eigentlich die Immobilie oder den Hausbau nur deshalb leisten konnten, weil es das scheinbar geschickte Modell der Fremdwährungskredite gegeben hat“, so Mitterlehner.

„Jetzt haben wir eine ähnliche Situation. Wenn Menschen aufgrund des extrem niedrigen Zinsniveaus eine Immobilie kaufen oder bauen, und nur wegen des geringen Zinsniveaus können sie sich das leisten, dann bekommen genau die das Problem, wenn dann das Zinsniveau steigt“, so Mitterlehner.

Oftmals Kombination aus mehreren Faktoren

Für die Schuldnerberatungen das viel größere Problem sind aber Konsumkredite und hohe Schuldenberge ohne Immobilieneigentum. „Die meisten Menschen, die zu uns kommen, haben kein Vermögen mehr. Das ist schon verwertet oder versteigert“, so Mitterlehner. Der Großteil der Menschen sei mit Konsumkrediten und überzogenen Konten überschuldet.

Meist sei es eine Kombination mehrerer Faktoren, die zur Überschuldung führe. Oft spielen Einkommensverluste, geringe oder keine Ersparnisse, Trennungen und das Bildungsniveau eine Rolle. Dazu würden oft die Verlockungen des Konsums kommen, etwa Angebote, um auf Kredit auf Urlaub zu fahren.

Unbezahlte Schulden als Negativspirale

Die meisten Klientinnen und Klienten seien überschuldet, das bedeute, dass „der normale Zinsenlauf keine Rolle mehr spielt, weil da sind Verzugszinsen, Inkassokosten und Gerichtskosten dabei“, schildert Mitterlehner die Dynamik. „Wir haben erhoben, dass Schulden, die nicht bezahlt werden, sich binnen acht Jahren verdreifachen.“ Da gehe es gar nicht mehr um normale Rückzahlungsmechanismen, und deshalb spiele auch der Marktzinssatz keine Rolle mehr. Hier helfe nur noch die Schuldenregulierung.

Einen solchen Privatkonkurs „muss man sich aber erst einmal leisten können“, formuliert es Mitterlehner. Denn ein Drittel der Klientinnen und Klienten der Schuldenberatungen lebt unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.371 Euro monatlich. Grund ist das Existenzminimum von 1.000 Euro. Bis zu diesem Betrag kann das Einkommen im Rahmen der Schuldenregulierung gepfändet werden.

Noch stärkerer Druck durch steigende Preise

Und zusätzlich verschärft die derzeitige Teuerung das vielfache Problem weiter: Denn durch die stark steigenden Preise für Lebensmittel und Wohnen geraten Schuldnerinnen und Schuldner nun besonders unter Druck, wenn das Existenzminimum nicht erhöht wird. Das Thema werde immer brisanter, warnte Mitterlehner.

Minister Rauch, der selbst Erfahrung als Schuldnerberater hat, sagte, man müsse bei der Inflation genau auf diese Menschen schauen. Deshalb seien treffsichere Entlastungsmaßnahmen so wichtig. Der Bericht der Preiskommission soll bereits einen Monat früher, Ende Mai vorliegen. Er kündigte an, bis zum Herbst bei den Maßnahmen erneut nachzuschärfen. Auch eine Diskussion über eine Vermögenssteuer müsse erlaubt sein. „Ich finde, es kann in Zeiten wie diesen keine Diskussionsverbote geben“, so Rauch.