Oberstaatsanwalt Johann Fuchs
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ÖVP-U-Ausschuss

Chats für Fuchs „Ausdruck der Verzweiflung“

Chats, Weisungen und Konflikte innerhalb der Justizbehörden: Die Themenpalette im ÖVP-Untersuchungsausschuss ist am Dienstag äußerst breit gewesen, konzentrierte sich dabei aber auf die Person Johann Fuchs. Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien musste sich zu Nachrichten über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) äußern – der Inhalt der Chats sei „Ausdruck der Verzweiflung“ gewesen.

Vor der Befragung wehrte sich Fuchs gegen Anschuldigungen gegen seine Person und kritisierte einen „politischen Wettstreit“ im Zuge schwieriger und medienwirksamer Verfahren. Wegen diverser Dispute mit der WKStA und der Handybeschlagnahmung habe er freiwillig seine Dienst- und Fachaufsicht an seine Vertreter übertragen. Die Vorwürfe gegen ihn seien allerdings aus der Luft gegriffen: Weder sei er Teil eines willfährigen Netzwerks noch habe er die Ermittlungen der WKStA beeinflusst.

Nach dem Strafantrag wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und falscher Beweisaussage würden nun gegen ihn keine Ermittlungen mehr laufen. Die Vorwürfe, er habe Aktenteile an Unbeteiligte weitergegeben und damit die „Ibiza“-Ermittlungen beeinflusst, seien falsch gewesen. „Ich gehöre keiner Partei an, ich bin Staatsanwalt“, so Fuchs. Er übte scharfe Kritik an den Interpretationen von diversen Chats, die er erhalten und gesendet hat.

Oberstaatsanwalt Johann Fuchs
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Oberstaatsanwalt Fuchs nahm am Dienstag auf den Auskunftssessel Platz

„Wie im Wirtshaus“

Im Fokus der Befragung standen die Zerwürfnisse zwischen der OStA Wien auf der einen und der WKStA auf der anderen Seite. Zuletzt gerieten Fuchs und der mittlerweile suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek unter Druck, weil sie in publik gewordenen Chats über eine mögliche Observation eines WKStA-Mitglieds sinnierten. Grund für diese Idee war ein Leak über die parteipolitische Nähe eines „SoKo Ibiza“-Beamten, Pilnacek verdächtigte die WKStA dahinter („Ich stelle mir eine Observation vor“).

Angesprochen auf diese Chats sagte Fuchs den Abgeordneten, dass er überrascht und gleichzeitig sehr glücklich gewesen sei, dass die Chats aufgetaucht sind. Sie belegten nämlich, dass er die Arbeit der WKStA nie behindert habe, was ihm die Opposition und die Grünen vorwerfen. Die in den Korrespondenzen angesprochene Observation sei eine Lösung gewesen, die nicht machbar gewesen wäre.

Ausschussvorsitzende Doris Bures
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Den Vorsitz führte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ)

„Es hat aber keine Observation gegeben“, wiederholte der OStA-Wien-Leiter mehrmals und sprach stattdessen von einem „Monitoring- und Risikosystem“ für Medienberichterstattung, um Leaks und Spins besser nachverfolgen zu können. Hätte es einen Anfangsverdacht gegeben, hätte man das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) heranziehen können. Wenn Interna über Verfahrensschritte an die Öffentlichkeit gelangen, sei das eine „Katastrophe“, so Fuchs. Doch der „Monitoring- und Risikosystem“-Plan wurde allerdings nie umgesetzt.

Fuchs verteidigte die Chats mit Ex-Sektionschef Pilnacek. „Das Einzige, was die Chats zeigen, ist der Grad unserer Verzweiflung, sie sind Ausdruck der Verzweiflung“, sagte der OStA-Leiter. Denn kaum sei die Tinte auf Dokumenten trocken gewesen, seien diese schon an die Öffentlichkeit gelangt. Informationsabflüsse wollte man verhindern – und das würden die Chats widerspiegeln, die der OStA-Leiter als „Plaudereien unter vier Augen“ bezeichnete, „so wie wenn Sie ein Wirtshaus gehen und dort was reden“. Relevante Chats habe er nach eigenen Angaben jedenfalls nicht gelöscht.

Erfolglose Deeskalation innerhalb der Justiz

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper fragte nach, ob Fuchs auch Wahrnehmungen zu „konstruktiven Chats“, die Probleme lösen hätten können, habe. Fuchs wiederholte, dass die Chats Ausdruck von seiner und Pilnaceks Verzweiflung gewesen seien. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der WKStA habe nämlich „keinen römischen Einser verdient“. Man habe eine Moderation in die Wege geleitet und alles versucht, wieder eine arbeitsfähige Beziehung herzustellen.

Zuvor hatte Fuchs ausführlich dargelegt, dass die Zerwürfnisse eine lange Vorgeschichte haben. Spannungen, so der Oberstaatsanwalt, habe es bereits im Zuge der Affäre rund um die rechtswidrige Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Jahr 2018 gegeben, vor seinem Antritt als Leiter der OStA. Im Frühjahr 2019 fand dann die umstrittene Dienstbesprechung mit Tonaufnahme zum Eurofighter-Verfahren statt. Damals hatte die WKStA den Akt geerbt.

Stephanie Krisper (NEOS)
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NEOS-Fraktionschefin Krisper wollte von Fuchs wissen, ob es auch „konstruktive Chats“ gebe

Fuchs habe diese Sitzung einberufen, um im Streit zu kalmieren und um über das weitere Vorgehen im Verfahren zu reden. Allerdings sei die Besprechung aus dem Ruder gelaufen. Man habe nur über die Vergangenheit diskutiert und darüber, wer an den bisherigen Versäumnissen schuld sei. Damals sei ihm als Dienst- und Fachaufsicht eine Deeskalation nicht gelungen, wie er zugab. Die WKStA nahm die Sitzung heimlich auf und zeigte Pilnacek („Daschlogts es“) wegen Verdachts auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch an. Die Anzeige wurde fallen gelassen, der Streit blieb.

Justiz als „Dorf“

Nach dieser Sitzung seien weitere Gespräche, etwa über die Dauer von Großverfahren, nicht mehr möglich gewesen. Über die Arbeit offen zu diskutieren, ohne dass das Gesagte von manchen Teilnehmenden als Bashing interpretiert wird, sei schwierig. Die Debatte darüber wolle er in der nächsten Zeit aber führen. Denn, so Fuchs, es brauche eine Fehlerkultur, um die Verfahrensdauer weiter zu senken. Seit Jahren wird eine zu lange Dauer der Ermittlungen kritisiert. Die WKStA begründet das mit komplexen Akten und Personalengpässe in der Justizbehörde.

Fuchs selbst bezeichnete die Justiz als „Dorf“ und zitierte damit „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk. Hier kenne jeder jeden, und deshalb sei es auch nicht ungewöhnlich, dass man sich zu Ermittlungen austausche. In diesem Zusammenhang erwähnte SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer eine Anzeige gegen Pilnacek. Fuchs soll diese an den Ex-Sektionschef „zu deiner ganz persönlichen Vorausinformation“ übermittelt haben. In den Chats danach hätten sich die beiden darüber ausgetauscht und Einstellungsbegründungen diskutiert. Wenig später sei die Sache zurückgelegt worden.

Andreas Hanger (ÖVP)
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Für ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger hat sich gezeigt, dass es innerhalb der Justiz große Konflikte gibt

Fuchs selbst gab im U-Ausschuss an, dass er von der Anzeige über Twitter erfahren habe, konkret über einen Tweet von Ex-Liste-Pilz-Mandatar Peter Pilz. Laut Krainer hätte es zum Zeitpunkt der Übermittlung der Anzeige keine ähnliche Twitter-Nachricht von Pilz gegeben – lediglich „etwa zehn Tage davor“, so Krainer. „Fuchs hätte Pilnacek niemals informieren dürfen, und er hat ihn nicht nur informiert, sondern auch Verschlussakten übermittelt.“

Kommunikation mit Poppenwimmer

Angesprochen wurde Fuchs auch auf die frühere WKStA-Staatsanwältin Linda Poppenwimmer, die Ende 2021 mit heftiger Kritik an der WKStA zur Anwaltskanzlei Ainedter & Ainedter gewechselt war. Die Kanzlei vertritt rechtlich in der „Ibiza“-Affäre auch ÖVP-Personalien. Die Opposition ist der Ansicht, dass Poppenwimmer in die WKStA eingeschleust worden sein müsse. Aufgetauchte Chats legen zumindest den Verdacht nahe, dass die Juristin Interna aus Besprechungen der WKStA an ihren damaligen Vorgesetzten, OStA-Leiter Fuchs, weitergetragen hat.

Christian Stocker und Johann Fuchs
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Die Auskunftsperson unterhielt sich in der Pause mit ÖVP-Abgeordneten Christian Stocker

Der Oberstaatsanwalt betonte, dass er gegenüber allen Beschäftigten offen gewesen sei. Nach der Eurofighter-Besprechung habe er, Fuchs, aber gesehen, wie unfair das Eurofighter-Team von Teilen der WKStA behandelt worden sei. Daraufhin habe sich Poppenwimmer, die zu diesem Team gehörte, bei ihm gemeldet – das sei dienstrechtlich nichts Unerlaubtes, ihre Mitteilungen hätten auch nicht veraktet werden müssen, so Fuchs. Er habe nicht nur „Fans“ in der WKStA, sagte er weiter, er habe auch schon gehört, dass die WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda ihn „weghaben“ wolle.

Ähnliches hatte Poppenwimmer vor wenigen Wochen im U-Ausschuss erzählt. In ihrer Befragung widersprach sie dem Vorwurf, ein „Maulwurf“ innerhalb der Korruptionsstaatsanwaltschaft gewesen zu sein. Sie habe nur über ungleiche und intransparente Arbeitsverteilung in der WKStA sowie über „möglicherweise“ politische Verbindungen von Kollegen informiert. Handfeste Beweise halte sie zwar nicht in Händen, es gehe aber um „Auffälligkeiten“. Vor ihrem U-Ausschuss-Auftritt habe sie sich mit Fuchs ausgetauscht und dieser habe ihr geraten, „ganz ehrlich“ zu sein.