EZB: Zinserhöhung im Juli möglich

Isabel Schnabel, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), hält es angesichts der hohen Inflation im Euro-Raum für geboten, den Kurs in der Geldpolitik anzupassen. „Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln“, sagte sie dem „Handelsblatt“. „Aus heutiger Sicht halte ich eine Zinserhöhung im Juli für möglich.“ Zuvor sollten die Nettozukäufe von Anleihen eingestellt werden, voraussichtlich Ende Juni.

Zuletzt hat die 2011 die Zinsen im Euro-Raum angehoben, das aber kurze Zeit später korrigiert. In anderen Ländern wie den USA haben die Notenbanken die Zinsen in diesem Jahr bereits erhöht. Die US-Notenbank Fed steht nun vor der zweiten Erhöhung des Leitzinses seit Beginn der Pandemie. Grund ist der weltweite Anstieg der Inflation. Im Euro-Raum erreichte sie im April ein Rekordhoch von 7,5 Prozent.

Schnabel zufolge beschränkt sich der Preisanstieg nicht nur auf Energie und Lebensmittel. „Wir sehen eine Verbreiterung des Inflationsdrucks.“ Es stehe außer Zweifel, dass höhere Lohnforderungen kommen, wenn die Inflation längere Zeit hoch bleibe. „Wir müssen verhindern, dass sich die hohe Inflation in den Erwartungen festsetzt“, sagte Schnabel. Noch würden sich Löhne und Preise nicht gegenseitig hochschaukeln. Geldpolitik müsse aber vorausschauend handeln: „Wir dürfen nicht erst reagieren, wenn eine Lohn-Preis-Spirale bereits in Gang gekommen ist.“

Nach Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde könnte die Notenbank ihre milliardenschweren Nettoankäufe von Wertpapieren im Juli dieses Jahres beenden. Das sei dann der Zeitpunkt, „sich die Zinsen und eine Erhöhung dieser Zinsen anzuschauen“, hatte Lagarde kürzlich gesagt. An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die EZB den Einlagensatz, zu dem Banken Geld bei ihr parken können, in diesem Jahr von minus 0,5 Prozent auf null Prozent anheben könnte. Der Leitzins im Euro-Raum, der seit mehr als sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent liegt, könnte dann 2023 angehoben werden.