Raffinerie Schwechat
ORF.at/Christian Öser
Europas Ölembargo

Herkulesaufgabe mit vielen Fragezeichen

„Machen wir uns nichts vor: Es wird nicht einfach.“ Mit diesen Worten hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch das umfassende Embargo für russisches Öl präsentiert. Der Druck auf Moskau soll damit weiter erhöht werden, aber noch ist unklar, welche Folgen ein Ölembargo nach sich ziehen könnte. Länder, die von russischem Öl abhängig sind, äußerten Bedenken – Konsequenzen könnte es aber auch außerhalb Europas geben.

„Ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl“ kündigte von der Leyen im Europaparlament in Straßburg an. Rohöllieferungen aus Russland sollen innerhalb von sechs Monaten, der Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres gestoppt werden.

Schon lange vor der Ankündigung zeichnete sich ab, dass dieser Plan Ausnahmen erfordern wird: Insgesamt kommt rund ein Viertel des Rohöls in der EU aus Russland, doch nicht alle Staaten sind gleichermaßen davon abhängig. In erster Linie ist, grob gesagt, die geografische Nähe zu Russland ausschlaggebend.

Wenig Begeisterung in Ungarn und anderen Ländern

So sind Länder wie Ungarn und die Slowakei praktisch ausschließlich von russischem Öl abhängig. Von Ungarn hieß es im Vorfeld etwa, dass das Land ohne russisches Öl nicht funktionieren könne. Zwar wurden Übergangsfristen bis 2023 für besonders schwer betroffene Länder in Aussicht gestellt – konkrete Details gibt es aber noch nicht.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Patrick Hertzog
Von der Leyen stellte das neue Sanktionspaket am Mittwoch in Straßburg vor

Entsprechend wenig begeistert von den Plänen zeigte sich die ungarische Regierung: Es fehle eine Garantie für die Übergangsfrist, bemängelte Ungarn am Mittwoch. Auch sei unklar, wie für Ungarn der Übergang zu einer Ölversorgung ohne russische Importe bewerkstelligt werden könne. In der jetzigen Form lehne man den EU-Vorschlag daher ab, so Außenminister Peter Szijjarto. Die Slowakei forderte unterdessen eine deutlich längere Übergangsfrist. Auch Tschechien und Bulgarien forderten nach der Ankündigung Ausnahmen und begründeten das mit ihrer stark vom russischem Öl abhängigen Wirtschaft.

Ölpreis stieg nach Ankündigung

Der Ölpreis stieg am Mittwoch als Reaktion auf die Ankündigungen. Das könnte auch länger so bleiben, wie zuletzt schon Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck andeutete. Auch am Mittwoch wiederholte er nun: Zur Entwicklung der Preise könne er zwar nichts sagen, „aber natürlich können die Preise auch deutlich nach oben gehen“. Eine Verknappung beim Öl führe zuerst zu höheren Preisen. In Ostdeutschland und im Großraum Berlin könnte das Ölembargo nach Ansicht von Habeck zeitweise auch zu Benzinknappheit führen, da diese Regionen von einer Großraffinerie versorgt würden, die ausschließlich russisches Öl verarbeite.

Zikmund (ORF) zum Ölembargo

ORF-Korrespondent Robert Zikmund berichtet aus Brüssel, inwiefern das von der EU geplante Ölembargo doch noch kippen könnte. Ungarn beispielsweise hat Widerstand angekündigt – für das Sanktionspaket braucht es aber die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten.

Die „New York Times“ („NYT“) zitierte einen Experten, wonach die Trennung vom russischen Öl zwar machbar sei, aber: „Es wird kompliziert werden“, so Richard Bronze vom Energieversorgungsanalysten Energy Aspects. „Zwei stark verflochtene Systeme werden entkoppelt“, hier werde es „zu Störungen und Kosten“ kommen. Konsumentinnen und Konsumenten könnten davon hart getroffen werden, so das Blatt – und damit die wirtschaftliche Erholung von den Pandemiejahren vom Kurs abbringen.

Öl ist nicht gleich Öl

Die „NYT“ verweist auch darauf, dass Öl nicht gleich Öl ist: Raffinerien seien oft auf bestimmte Grade von Rohöl ausgelegt. Die ungarische MOL etwa sagte, es könne Jahre dauern und mehrere hundert Millionen Euro kosten, die Raffinerien umzustellen. Das Rohstoffunternehmen Kpler verweist gegenüber der Zeitung darauf, dass von all den Ersatzkandidaten für russisches Öl vor allem jenes aus Saudi-Arabien gut passen würde – das wiederum würde voraussetzen, dass dort künftig mehr Öl gefördert wird.

Erdölfördersonde
ORF.at/Carina Kainz
Erdöl – hier eine heimische Fördersonde – ist nicht automatisch mit allen Raffinerien kompatibel, warnen Fachleute

Russland könnte Deals mit anderen Kontinenten schließen

Außerhalb Europas könnte ein Ölembargo Russland sogar durchaus begünstigen, wie einige Fachleute im Zuge des angekündigten Plans sagten. Der Druck auf Russland würde die Preise steigen lassen und damit Russlands Ertrag steigern – auch bei weniger Produktion könnte es letztlich eine deutliche Umsatzsteigerung geben, zitiert die „NYT“ die norwegischen Energieexperten von Rystad Energy.

Der Thinktank European Council on Foreign Relations (ECFR) verweist in einem Artikel von letzter Woche wiederum darauf, dass Russland bereits im April angekündigt hatte, mehr Energie Richtung Asien, Afrika und Lateinamerika zu exportieren. Zwar gehe über die Hälfte der russischen Ölexporte nach Europa, aber immerhin 20 Prozent gingen nach China. Und Peking will auch unabhängiger vom Westen werden, was Moskau als Partner bei Öl womöglich attraktiver machen könnte. Gleichzeitig verweist ECFR darauf, dass die russische Infrastruktur Richtung Europa besser ausgebaut ist – ein Schwenk Richtung Asien könnte also auch hier eher ein langfristiges Unterfangen sein.

Auch Auswirkungen in Österreich zu erwarten

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte nach dem Ministerrat, dass Österreich zwar nicht so stark von russischem Öl abhängig sei wie andere Staaten, Teuerungen seien aber auch hierzulande zu erwarten. Für Österreich sei es nach wie vor wichtig, die Abhängigkeit von Gas „zurückzuschrauben“. Ein Gasembargo stehe derzeit aber nicht zur Debatte, sagte Schallenberg.

Das geplante Embargo wird die heimische Wirtschaft dafür nur marginal bremsen und die Inflation wohl nur um einen halben Prozentpunkt anheizen. Das sagte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal. Natürlich bedeute jede Einschränkung der Ölimporte aus Russland weiter Druck auf dem Ölmarkt. Der werde an den Treibstoffmarkt weitergegeben, „aber nicht eins zu eins“.

IHS-Chef: Ölembargo für Österreich verkraftbar

Für den interimistischen IHS-Direktor Klaus Neusser ist das auf EU-Ebene beschlossene Ölembargo gegen Russland für Österreich verkraftbar. „Die Auswirkungen sind nicht so gravierend wie dargestellt“, sagte Neusser am Mittwochabend in der ZIB2. Es habe in der Vergangenheit mehrfach Phasen mit einem sehr hohen Ölpreis gegeben.

Wirtschaftsprofessor Neusser über Ölembargo

Die EU-Kommission hat einen Entwurf für ein Embargo für russisches Öl vorgelegt. Österreich bezieht nur einen Bruchteil seines Ölverbrauchs aus Russland und wird zustimmen, aber nicht alle EU-Länder sind an Bord. Klaus Neusser, Wirtschaftsprofessor und interimistischer Chef des IHS spricht über das Ölembargo.

Jetzt liegt der Vorschlag der Kommission auf dem Tisch der Mitgliedsländer – dort wird wohl noch viel diskutiert werden, auch wenn die Zeit drängt. Eine im Vorfeld geäußerte Hoffnung auf eine Einigung im Laufe der kommenden Woche klingt angesichts der abwartenden Wortmeldungen aus betroffenen Ländern relativ ambitioniert. Am Mittwoch sollen sich erstmals Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedstaaten mit den neuen Strafmaßnahmen befassen. Für die Annahme ist ein einstimmiger Beschluss der 27 EU-Staaten erforderlich.