Hauptsitz der Hauptsitz der Federal Reserve Bank in Washington D.C.
Reuters/Leah Millis
Kampf gegen Inflation

Fed mit größtem Zinssprung seit 20 Jahren

Die anhaltend hohe Inflation hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) unter Druck gesetzt. Im Kampf gegen die Teuerung reagierte die Notenbank nun und erhöhte den Leitzins so stark wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Einstimmig wurde am Mittwoch eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt beschlossen.

Eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte hatte es zuletzt vor 22 Jahren gegeben. Im Mai 2000 war der Zinssatz auf 6,5 Prozent gestiegen – kurz vor dem Platzen der „Internetblase“, deren Folgen ab 2001 zu einer Reihe von Absenkungen des Leitzinses führten. Normalerweise hebt die Fed den Leitzins in Schritten von 0,25 Prozentpunkten an. Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell wechselten mit dem großen Zinssprung nun auf die neue Spanne von 0,75 bis 1,00 Prozent. Experten hatten mit diesem aggressiven Schritt gerechnet, nachdem die Notenbank die Zinswende im März mit einer Erhöhung um einen Viertelprozentpunkt eingeleitet hatte.

Für die kommenden Monate erwarten Experten eine Serie weiterer kräftiger Anhebungen. Denn aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und den erwarteten Problemen bei globalen Lieferketten durch die CoV-Lockdowns in China wird eine weitere Belastung der Konjunktur und Inflationsdruck erwartet.

Fed-Chef Jerome Powell bei einer Pressekonferenz
APA/AFP/Jim Watson
Fed-Chef Powell wagt einen schwierigen Balanceakt

Unter Zugzwang

Die Inflationsrate in den USA hat im März mit 8,5 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren erreicht. Dadurch wird die Kaufkraft der Verbraucher geschmälert, womit eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen kann. Die Fed steht daher unter Zugzwang, die Zügel weiter kräftig anzuziehen. Beobachter erwarten, dass bis Jahresende der Leitzins bei oder knapp über zwei Prozent liegen könnte. Schon im März hatte die Fed erstmals seit der Pandemie den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte angehoben und den milliardenschweren Ankauf von Wertpapieren eingestellt.

Die während der Pandemie aufgrund der CoV-Notprogramme auf fast neun Billionen Dollar angewachsene Bilanz will die Fed nun rasch abbauen. Ab Juni sollen pro Monat jeweils auslaufende Anlagen im Wert von insgesamt 47,5 Milliarden US-Dollar (45 Mrd. Euro) nicht erneuert werden, wie die Zentralbank ankündigte. Bis September soll die monatliche Summe auf 95 Milliarden Dollar ansteigen. Das wird den Märkten weitere Liquidität entziehen.

Fed-Ankündigung begeistert Anleger

Ziel sei es, die Werkzeuge der Zentralbank so einzusetzen, dass sich Angebot und Nachfrage wieder anpassten und die Inflation zurückgehe, sagte Powell kürzlich. Die Konjunktur solle sich in einer Weise abkühlen, die nicht einer „Rezession“ entspreche. Der Balanceakt werde nicht einfach sein. Denn ein höherer Leitzins verteuert Kredite und bremst die Nachfrage. Das senkt zwar die Inflationsrate, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum.

Anleger reagierten erleichtert auf den Fed-Entscheid. Der freundlich gestartete Leitindex Dow Jones Industrial gewann am Ende 2,81 Prozent auf 34.061,06 Punkte. Er hatte sich bereits seit Wochenbeginn moderat erholt, war am Montag zeitweise aber noch auf den tiefsten Stand seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar abgerutscht. Der marktbreite S&P 500 drehte am Mittwoch nach dem Zinsentscheid ins Plus.

Kritiker werfen der mächtigsten Zentralbank vor, zu spät auf den Anstieg der Preise reagiert zu haben. Ihrer Meinung nach hätte die Notenbank bereits in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres ihre Programme zur Unterstützung der Konjunktur aus der Coronavirus-Krise einstellen und die Zinsen erhöhen sollen. Die Fed hatte die Inflation 2021 größtenteils noch als „vorübergehendes“ Phänomen beschrieben.

EZB vor möglichem Kurswechsel

Auch Europas Währungshüter stehen bei ihrer Geldpolitik angesichts der hohen Teuerungsrate vor einem Kurswechsel. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits beschlossen, ihre milliardenschweren Anleihekäufe schneller auslaufen zu lassen. Zudem schlossen mehrere Mitglieder des EZB-Rats zuletzt eine erste Zinserhöhung im Juli nicht mehr aus.

An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die EZB den Einlagensatz, zu dem Banken Geld bei ihr parken können, in diesem Jahr von minus 0,5 Prozent auf null Prozent anheben könnte. Der Leitzins im Euro-Raum, der seit mehr als sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent liegt, könnte dann 2023 angehoben werden.