Selbstkritisches offizielles Gedenken auf KZ-Areal in Gusen

Die versammelte österreichische Staatsspitze hat gestern Abend am Areal des ehemaligen KZ Gusen in Oberösterreich der Befreiung des Lagers im Mai 1945 gedacht. „Gusen war in unserer Gedenkkultur nicht so gegenwärtig, wie es hätte sein müssen“, räumte Bundespräsident Alexander Van der Bellen ein. Dieser Missstand werde nun behoben. Er sichere den Opferländern zu, dass Österreich alles tun werde, um das Areal zu einem Ort zu machen, „der dem Gedenken aller Opfer würdig ist“.

Während das Zentrum des ehemaligen Hauptlagers Mauthausen 1947 der Republik Österreich mit der Auflage übergeben wurde, eine Gedenkstätte zu errichten, und sich das Gedenken seither auf diesen Ort konzentriert, geriet das Nebenlager Gusen zunehmend in Vergessenheit. Nur eine kleine Gedenkstätte erinnerte an die Opfer, was zuletzt immer wieder für Diskussionen gesorgt hatte.

„Ort der Vernichtung“

Vor allem Polen – Heimatland vieler Opfer – machte Druck für ein würdigeres Gedenken und wollte das Areal sogar selbst kaufen. Heuer hat schließlich die Republik Österreich einige Flächen und Gebäudereste gekauft, darunter den ehemaligen Appellplatz, den Schotterbrecher und zwei SS-Verwaltungsgebäude. In den kommenden Jahren sollen sie in die bestehende Gedenkstätte Gusen integriert werden.

„Gusen war ein Ort der Vernichtung“, gedachte der Bundespräsident der Zigtausenden Opfer. Er erinnerte daran, dass das 1965 eingeweihte Memorial von Gusen „von internationalen Überlebendenverbänden finanziert und errichtet wurde, auf privater Basis. Erst 1997 übernahm die Republik Österreich die Verantwortung für das Memorial und errichtete 2004 ein Besucherzentrum mit Dauerausstellung.“ Nun sei der Grundstein gelegt, „der Würde und der Bedeutung des Ortes angemessen“ zu gedenken.

Gedenkkultur „Gott sei Dank verändert“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte, dass Gusen ein Spiegelbild dafür sei, wie Österreich nach 1945 mit seiner Geschichte umgegangen sei. „Nur durch die Initiative vieler, die sich um diesen Ort verdient gemacht haben“, sei es möglich, sich dieser Geschichte zu stellen. „Die Gedenkkultur hat sich in unserem Land Gott sei Dank in den letzten Jahren stark verändert.“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ging auf einen weiteren Aspekt der Nachkriegsgeschichte der Gegend ein, als hier Einfamilienhäuser und Wirtschaftsbetriebe errichtet wurden. Aber „die Leute, die hier leben, die darf man nicht dafür verantwortlich machen. Die Republik hat sich dazu entschieden, Mauthausen zum Ort des Gedenkens zu machen und Gusen aufzugeben. Und heute haben wir dazu einen anderen Zugang“, betonte er. Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) „zeigt dieser Ort ganz besonders die Verdrängungskultur der jungen Zweiten Republik“, als ehemalige Lagergründe parzelliert und billig verkauft wurden.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte, dass mit dem Kauf des Areals nun auch in Gusen ein würdiges Gedenken möglich gemacht werde. „Gedenkarbeit ist wichtig, weil die Zeitzeugen leiser werden, weniger werden, verstummen.“

Zeitzeugin im Interview

Heute findet eine Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus mit Van der Bellen, Kogler, Sobotka, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg statt. Im Zuge dieser Gedenkveranstaltungen gab die Zeitzeugin Lucia Heilman der ZIB2 ein Interview über ihre Erlebnisse während des Nationalsozialismus.

Zeitzeugin Heilman über den Holocaust

Die Überlebende des Holocaust, Lucia Heilman, erzählt über ihre damaligen Erlebnisse, von dem Schrecken der Nationalsozialisten sowie von der Verfolgung und dem Tod. Lucia Heilman ist eine der letzten österreichischen Zeitzeuginnen.