Moskau kündigt Feuerpause für Evakuierung aus Mariupol an

Russland hat eine Feuerpause und einen vorübergehenden Rückzug der eigenen Truppen für weitere Evakuierungen von Zivilisten und Zivilistinnen aus dem belagerten Stahlwerk in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol angekündigt. Heute, morgen und am Samstag sollten jeweils von 8.00 bis 18.00 Uhr Ortszeit (7.00 bis 17.00 Uhr MESZ) Fluchtkorridore eingerichtet werden, teilte der vom russischen Verteidigungsministerium eingerichtete Koordinierungsstab für humanitäre Maßnahmen heute Abend mit.

„Während dieser Zeit stellen Russlands Streitkräfte und die Formationen der Volksrepublik Donezk jegliche Kampfhandlungen ein, die Einheiten werden auf eine sichere Entfernung zurückgezogen“, heißt es in der Mitteilung. Aus dem Stahlwerk Asow-Stahl gerettete Zivilisten dürften anschließend selbst entscheiden, ob sie in der Ukraine bleiben oder nach Russland gebracht werden wollen.

Selenskyj bittet UNO um Hilfe

Nach ukrainischen Angaben warten immer noch Zivilisten auf eine Evakuierung, darunter über 30 Kinder. Laut Kiew wurden gestern aus Mariupol und Umgebung 344 Menschen auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet gerettet. Die Flüchtlinge waren den ganzen Tag über von Stationen in Mariupol, Manhusch, Berdjansk, Tokmak und Wasyliwka aufgesammelt worden. Es gab keine Angaben, wie viele von ihnen im Stahlwerk ausgeharrt hatten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bat UNO-Generalsekretär Antonio Guterres um Hilfe, das Leben der im Asow-Stahl-Werk in Mariupol festsitzenden Verletzten zu retten und bei der Evakuierung zu helfen. „Das Leben der Menschen, die noch dort sind, ist in Gefahr. Alle sind für uns wichtig“, sagte Selenskyj in einem Telefongespräch mit Guterres.

Kiew: Russische Soldaten auf Gelände von Asow-Stahl

Nach Darstellung der Ukraine drangen russische Truppen auf das Gelände von Asow-Stahl in Mariupol vor. Man stehe weiter in Kontakt mit den Verteidigern, sagte ein Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj dem Sender Radio Free Europe/Radio Liberty. Zuvor sprach auch der Bürgermeister von Mariupol, Vadym Boichenko, von heftigen Kämpfen um das Asow-Stahl-Werk und damit dem letzten Rückzugsort ukrainischer Soldaten in der Stadt.

Russland hatte kurz zuvor einen Großangriff auf das Stahlwerk dementiert. „Es gibt keine Erstürmung“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Der Oberbefehlshaber hat öffentlich den Befehl gegeben, alle Angriffe einzustellen“, sagte Peskow mit Blick auf eine Anordnung von Russlands Präsident Wladimir Putin vom 21. April. Putin hatte vor knapp drei Wochen angeordnet, das Werk weiter zu belagern – so engmaschig, dass „keine Fliege mehr heraus kann“.

Russische Militärparade in Mariupol?

In der von Russland großteils kontrollierten Stadt ist ukrainischen Geheimdienstangaben zufolge indes eine „groß angelegte Propagandakampagne im Gange“. Russland plant laut Angaben Kiews zudem am Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland am 9. Mai eine Militärparade in der weitgehend zerstörten Stadt.

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