Illustration von SARS-CoV-19-Viren
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Pandemieherbst

Plan mit vier CoV-Szenarien erarbeitet

Die Regierung hat für die Bewältigung des dritten Pandemieherbsts gemeinsam mit 80 Expertinnen und Experten einen Variantenmanagementplan (VMP) ausgearbeitet. Dieser deckt vier mögliche Szenarien für die Weiterentwicklung der Pandemie ab. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) stellte das Papier am Freitag erstmals vor, eine Letztfassung soll im Juni vorliegen.

Im Variantenmanagementplan sind vier Szenarien enthalten. Sie umfassen den „Idealfall“ ohne erforderliche Einschränkungen, den „günstigen Fall“ mit neuen Varianten mit Auswirkungen ähnlich den Omikron- und Delta-Mutationen und entsprechend partiellen Einschränkungen, den „ungünstigen“ und den „sehr ungünstigen“ Fall.

Der „ungünstige Fall“ sieht ein häufiges Auftreten und unvorhersehbare Ausbrüche neuer Varianten vor, die zu einer weitreichenden Störung des gesellschaftlichen und sozialen Lebens führen. Ein Szenario behandelt den „sehr ungünstigen Fall“, den "Worst Case“. Darin kommt es zu „erneuten Wellen, die sehr hohe Zahlen an Infektionen und Hospitalisierungen verursachen“.

Gesundheitsminister Rauch zur CoV-Situation

Am Freitag wurden die möglichen CoV-Szenarien für den Herbst präsentiert. Im ZIB2-Interview spricht Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) über die Ergebnisse. Auch die Debatte über das Wahlarztsystem, die Vermögenssteuer und Gewinnabschöpfung sind Themen.

In einem solchen Szenario könne es zu starken Einschränkungen im gesellschaftlichen und sozialen Leben führen, es würden weiterhin eine Übersterblichkeit und eine Abnahme der durchschnittlichen Lebenserwartung verzeichnet.

Vorbereitung statt „Prinzip Hoffnung“

„Wir müssen uns seriös vorbereiten auf unterschiedliche Szenarien, die im Herbst kommen können“, sagte Rauch. Man wisse „schlicht nicht, mit welcher Variante wir es im Herbst zu tun haben werden“. Mitgearbeitet hat auch der Virologe Andreas Bergthaler von der Medizinischen Universität Wien und dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ihm erscheint es „relativ sinnvoll, dass wir nach drei Jahren vom Prinzip Hoffnung auf vorausschauendes Agieren umschwenken“.

„Die Szenarien sind nur Vorschläge für eine künftige Realität“, sagte Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Es werde nicht davon ausgegangen, dass die Situation im Herbst vollkommen deckungsgleich sein wird. Vorbereitet werden sowohl von den Szenarien abhängige als auch davon unabhängige Maßnahmen.

Daten bleiben Baustelle

Zu Letzteren gehört etwa die Schaffung einer guten Datengrundlage. Da gibt es in Österreich „nach wie vor eine riesige Baustelle“, sagte Bergthaler: „Mein großer Wunsch ist, dass wir hier Fortschritte machen.“ Beim Fund neuer Varianten müsse etwa die Wissenschaft in Echtzeit Daten zu den betroffenen Personen, ihrem Impfstatus und der Behandlung bekommen.

Chief Medical Officer Katharina Reich verwies auf ein Register für hospitalisierte Coronavirus-Patienten, das „startbereit“ sei. In dieses müssen die Bundesländer Daten zu den Spitalspatienten eintragen. Dieses Register sei ein „Kraftakt der Sonderklasse“ gewesen, so Rauch mit Verweis auf den Föderalismus.

Rauch sagte, er könne angesichts dessen auch „nicht garantieren“, dass es im dritten Pandemieherbst eine umfassende und einheitliche Datengrundlage geben wird. Eine Vereinheitlichung werde es nicht von heute auf morgen geben. Versucht werden soll aber auch die Vereinheitlichung der Einmeldungen. Derzeit gibt es in Österreich jeden Tag drei unterschiedliche Daten – die Fallzahlen des nationalen Krisenstabs, jene des Epidemiologischen Meldesystems (EMS) und jene der AGES.

Prüfung durch GECKO

Der am Freitag vorgestellte Zwischenstand und ein 100 Seiten umfassendes Fachdokument werden diese Woche an die Kommission zur gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) zur „Review“ übermittelt und ergänzt. Schließlich soll im Ministerium der letztgültige VMP erarbeitet werden, der die Grundlage für politische Entscheidungen bilden soll. „Hoffen wir, dass es ein vernünftiges Endprodukt gibt“, so Virologe Bergthaler. Dieses müsse im Sommer genützt werden, um „für den Herbst vorbereitet zu sein“.

Impfpflichtfrage bleibt offen

Ob es eine Impfpflicht geben wird, beantwortete Rauch nicht. Er verwies auf die Impfpflichtkommission, die Ende Mai wieder einen Bericht vorliegen wird. Ein weiterer ist für Ende August geplant. Unabhängig von einer möglichen Impfpflicht sei es „unsere Aufgabe, die Menschen zur Impfung zu bringen“, sagte der Gesundheitsminister. „Spots und Inserate reichen nicht aus, das wird passieren von unten“, kündigte er an.

Rauch sagte, Überzeugungsarbeit müsse auf Vertrauensbasis in Arztpraxen, Vereinen und Apotheken geleistet werden. In der Impfpflicht selbst sieht er „ein Notinstrument“. Ziel sei es, „möglichst viele Menschen Ende August, Anfang September zur Impfung zu bringen“, sagte Rauch. Denn die Auffrischungsimpfung müsse „möglichst nahe an einer nächsten Welle“ erfolgen. Reich verwies darauf, dass aller Voraussicht nach im Herbst ein Impfstoff von Pfizer und Moderna vorliegen werde, der an die Varianten angepasst ist.

Gesundheitsminister Rauch versprach in der Kommunikation „mehr Klarheit, mehr Durchgängigkeit und mehr Einheitlichkeit“. Man befinde sich im engen Austausch mit den Bundesländern. Auch bei möglichen Maßnahmen im Herbst soll einheitlich gehandelt werden. "Nicht alles ist gut gelaufen“, sagte auch ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz. Diesmal wolle man „für den Herbst wesentlich besser gerüstet sein als in den Jahren zuvor“.