Das Donaukraftwerk Greifenstein
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Gewinnabschöpfung?

Debatte über Strompreis nimmt Fahrt auf

Wie soll die Politik damit umgehen, dass steigende Preise für – fossile – Energie manchen Unternehmen hohe Gewinne bescheren? Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stellte zuletzt in den Raum, bei Firmen mit Staatsbeteiligung die Gewinne abzuschöpfen. Wie das genau funktionieren könnte, prüft das Finanzministerium. Dabei sind die Pläne nur Teil einer größeren Debatte rund um die Preisgestaltung auf dem Energiemarkt.

Worte können Macht haben – und manchmal können sie auch teuer werden. Das bekamen am Donnerstag die heimischen Energieunternehmen EVN und Verbund zu spüren. Ihre Aktienkurse gaben innerhalb eines Tages merklich nach. Insgesamt verloren die beiden Unternehmen, die sich zu je 80 Prozent in öffentlicher Hand befinden, mehr als 5,4 Milliarden Euro an Marktwert.

Dem Kursrutsch war ein Interview Nehammers in der „Tiroler Tageszeitung“ („TT“) vorausgegangen. Darin hatte der Kanzler von Überlegungen gesprochen, Gewinne von Firmen mit Staatsbeteiligung, die überproportional in Krisen profitieren, gesetzlich abzuschöpfen. Wie und ob das funktionieren könnte, sollten Finanz- und Wirtschaftsministerium prüfen, so Nehammer.

Energieerzeuger: Debatte über Gewinnabschöpfung

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) denkt daran, staatsnahen Energieunternehmen die überschüssigen Gewinne abzuknöpfen, die sie jetzt wegen der hohen Preise machen.

Geteilte Opposition

Noch handelt es sich dabei also nur um erste Überlegungen. Verwundern mochte, dass sie gerade von einem ÖVP-Kanzler in den Raum gestellt wurden. Waren solche Vorschläge bisher vor allem vonseiten der Sozialdemokratie laut geworden. Bereits am Donnerstag interpretierte die SPÖ die Aussagen Nehammers auch als „Schuldeingeständnis der ÖVP“ hinsichtlich der in den letzten Jahrzehnten vorangetriebenen Privatisierungen.

Grafik zeigt die Aktienkurse von EVN und Verbund
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Am Freitag sagte SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, sie freue sich, dass der Kanzler den Vorschlag nun aufgegriffen habe – wenngleich die Gewinnabschöpfung überlegt und überdacht passieren müsse. Harsche Kritik kam hingegen von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der Kanzler habe mit seiner Wortmeldung Staatseigentum beschädigt, so Kickl mit Verweis auf die Kurseinbrüche bei Verbund und EVN. Laut dem FPÖ-Chef bräuchte die Regierung lediglich die ausgeschütteten Dividenden zur Unterstützung der Menschen verwenden.

Nicht mit Kritik sparte am Freitag auch NEOS. Die marktwirtschaftliche Ordnung infrage zu stellen und österreichische Unternehmen polemisch anzugreifen, sei haarsträubend, sagte NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. „Wenn Nehammer auf diesen Positionen verharrt, dann kann er sich überlegen, nächstes Jahr am 1. Mai mitzumarschieren.“ Sehr wohl könne er sich aber eine Reform der Strompreisbildung vorstellen, damit die Gaspreissteigerungen nicht zu teurem Strom aus Wasserkraft führten, sagte Loacker.

Teuerstes Kraftwerk bestimmt Preis

Nach dem im Stromhandel zum Einsatz kommenden Merit-Order-Prinzip bestimmt immer das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung des Strombedarfs benötigt wird, den Strompreis. Grundsätzlich soll das dazu führen, dass Kraftwerke mit hohen Erzeugungskosten nach und nach vom Markt verdrängt werden.

Das Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk Timelkam
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Zurzeit bestimmen Gaskraftwerke oftmals den Strompreis

Doch – noch – ist das Kraftwerk, das den Preis bestimmt, oftmals ein Gaskraftwerk. Wenn die Preise für Erdgas wie derzeit in die Höhe schnellen, steigt auch der Strompreis. Unternehmen wie der Verbund, die vor allem günstige Wasserkraftwerke betreiben, können bzw. eigentlich müssen dann für den von ihnen produzierten Strom das Gleiche verlangen wie die Betreiber der weitaus teureren Gaskraftwerke.

In ganz Europa wird deshalb über Möglichkeiten diskutiert, die Strompreisbildung umzugestalten – und Gas- und Strompreis zumindest bedingt zu entkoppeln. Am Freitag sah es kurz so aus, als ob auch das heimische Finanzministerium Überlegungen in diese Richtung anstellte.

Entkopplung von Strom- und Gaspreis?

In einer Aussendung bestätigte das Ressort, dass es mit der von Nehammer angekündigten Prüfung begonnen habe. In der schriftlichen Stellungnahme sprach das Ministerium auch von „der aktuellen Strom-Gaspreis-Kopplung“. Aufgrund derer „profitieren derzeit auch Stromunternehmen von den steigenden Gaspreisen, deren Stromproduktion zu einem überwiegenden Anteil aus erneuerbarer Energie stammt. Diese aufgrund des Krieges außergewöhnliche Entwicklung ist insbesondere bei Energieunternehmen, an denen der Bund Anteile hält, schwer nachvollziehbar“, so das Ministerium.

Windräder bei Gattendorf
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Strom aus erneuerbaren Quellen ist aktuell deutlich günstiger als Strom aus Erdgas

Denkt die Regierung also darüber nach, aktiv einzugreifen, um Strom und Gaspreis zu entkoppeln? Nein, hieß es nur kurze Zeit später aus dem Ministerium. Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte telefonisch gegenüber der APA, es sei nicht die Intention, diese Kopplung infrage zu stellen.

Linke Regierungen preschen vor

Tatsächlich sind es derzeit vor allem die sozialdemokratisch geführten Regierungen in Portugal und Spanien, die versuchen, über staatlichen Eingriff die Strompreise vom Gaspreis zu lösen. Das „spanische Modell“ sieht vor, für die Energiegewinnung einen Gaspreisdeckel einzuziehen. Gaskraftwerke würden dann für den Rohstoff deutlich weniger zahlen als die restlichen Verbraucher. Die Differenz zum Marktpreis übernimmt für die Stromerzeuger dann der Staat.

Für Österreich sprach sich zuletzte die Arbeiterkammer (AK) für ein solches Modell aus. Die Regierung sollte sich auf europäischer Ebene dafür starkmachen, sagte AK-Energieexperte Josef Thoman am Freitag gegenüber der APA. Auch der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hatte diese Woche in einem Interview mit dem „Standard“ für einen solchen staatlichen Eingriff plädiert.

Grüne „vertrauen“ Finanzminister

Dass das ÖVP-geführte Finanzministerium in eine solche Richtung denkt, scheint derzeit eher schwer vorstellbar. Auch der Koalitionspartner der ÖVP machte bisher keinen Vorstoß in diese Richtung. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) verwies am Freitag auf bereits geschnürte Hilfspakete, um die hohen Energiepreise abzufedern, und sagte: „Wir schauen uns selbstverständlich auch alle Maßnahmen und Möglichkeiten an, die es gibt, um hier auch mit weiteren Mitteln zielgerichtet unterstützen zu können.“

Analyse von Hans Bürger (ZIB Innenpolitik)

Nach den laut vorgetragenen Überlegungen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) über staatliche Abschöpfung der von der Krise profitierenden Energiekonzerne hat die Verbund-Aktie innerhalb kürzester Zeit um bis zu fünf Milliarden an Wert verloren. War diese Art der Kommunikation ein Fehler? Hans Bürger analysiert.

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)äußerte sich in diese Richtung: „Was wir schon vor Wochen in Sachen Spritpreise thematisiert haben, gilt auch für Strom und Gas: Wir sollten ganz genau hinschauen und gegensteuern, wenn Konzerne von der Fossilinflation als Folge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs profitieren. Es ist gut, dass das jetzt das gemeinsame Ziel mit dem Koalitionspartner ist“, so Kogler. Er habe Vertrauen in Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), dass hier ein praktikabler Umsetzungsvorschlag auf den Tisch kommt. „Und zwar mit dem Ziel, völlig ungerechtfertigte Übergewinne zugunsten der Allgemeinheit und insbesondere jener, die es ohnehin am meisten brauchen, abzuschöpfen.“