Der ukrainische Song-Contest-Teilnehmer Kalush Orchestra
Eurovision/Maxim Fesenko
Turin

Song Contest heuer mit klarem Favoriten

Ab Dienstag ist es wieder so weit: Der Song Contest startet mit dem ersten Semifinale in seine 66. Ausgabe. Nach dem Sieg der italienischen Band Maneskin im Vorjahr geht der Bewerb heuer in Turin über die Bühne. Für das österreichische Duo LUM!X feat. Pia Maria wird es schon am Dienstag ernst: Sie treten im – wohl stärker besetzten – ersten Semifinale auch gleich unter anderen gegen den haushohen Favoriten an: die Ukraine.

Turin hatte sich gegen 16 andere Städte in Italien durchgesetzt, Schauplatz des Spektakels ist die Arena Pala Alpitour des japanischen Architekten Arata Isozaki. Zu verdanken hatte Turin die Austragung der Rockband Maneskin, die den Contest im Vorjahr in Rotterdam für sich entschieden hat.

Nach etlichen starken Beiträgen war der Sieg für Italien ohnehin überfällig gewesen – und für Maneskin hat es sich auch ausgezahlt. Die Band brachte europaweit ihre Musik in die Charts und ist gern gesehener Gast bei Festivals. Dass ein Song-Contest-Gewinner so durchstartet, das gab es auch schon längere zeit nicht.

Aber „Halo“!

Davon träumen freilich auch der 19-jährige LUM!X alias Luca Michlmayer und die 18-jährige Sängerin, Pia Maria. Mit ihrem Partysong „Halo“ stechen sie auch deutlich aus dem Teilnehmerfeld heraus, kaum ein anderes Lied setzt heuer auf so hohes Tempo.

LUM!X feat. Pia Maria – „Halo“

Österreichs Betrag zum Song Contest 2022: LUM!X feat. Pia Maria – „Halo“.

Ob es für das Finale am Samstag reicht, wird wohl von der – nicht ganz einfachen – gesanglichen Performance mit der Startnummer 13 abhängen. Und davon, ob der europaweit einschlägig bekannte LUM!X seine – wohl auch eher jugendlichen Fans – im gleichen Maß zum Voten beim Song Contest begeistern kann, wie sie seine Musik im Netz streamen. Laut Buchmachern, die in den vergangenen Jahren selten ganz falsch lagen, könnte es jedenfalls eng werden, einen der zehn Finalplätze am Dienstag zu ersingen.

 DJ LUM!X und Pia Maria
APA/EBU/Nathan Reinds
Bühnenshow mit großem Heiligenschein

Ukraine darf mit vielen Punkten rechnen

Denn mit 16 Gegnern gibt es zwar einen Act weniger als im zweiten Semifinale, dafür ist das am Dienstag wohl stärker besetzt. Mit dabei ist auch der Favorit, die ukrainische Band Kalush Orchestra. Das ist einerseits der politischen Großwetterlage zu verdanken, der Krieg in ihrem Land wird der Gruppe wohl ähnlich viele Sympathiepunkte bringen wie seinerseits der Landsfrau Jamala, die 2016 nach der Krim-Krise den Song Contest gewann.

Doch der Song „Stefania“, eine Mischung als Rap, Dub und Folklore, hebt sich positiv vom Rest der Beiträge ab. Dass die Ukraine mit innovativen Songs punkten kann, hatte schon im Vorjahr Go_A mit „Shum“ und dem fünften Platz bewiesen. Als dreiköpfige Rap-Formation unter dem Namen Kalush sind sie schon länger erfolgreich, als Kalush Orchestra kamen drei weitere Musiker und folkloristische Elemente dazu.

Wer fürchtet sich vorm gelben Wolf?

Ebenfalls bereits am Dienstag ist das wahrscheinlich cleverste Konzept des Jahrgangs zu sehen: das mit Masken auftretende norwegische Duo Subwoolfer mit „Give That Wolf A Banana“. Wer hinter den Masken steckt, ist streng geheim. Doch fast alles spricht dafür, dass es sich um das Comedy-Brüderpaar Ylvis handelt, die 2013 mit „The Fox“ einen gigantischen Hit hatten.

Halb norwegisch ist auch die griechische Teilnehmerin Amanda Tenfjord, die von allen langsamen und traurigen Liedern die besten Karten zu haben scheint. Gleichzeitig bringt sie mit „Die Together“ die Stimmung von etlichen Beiträgen heuer auf den Punkt.

Liveticker auf ORF.at

Die Semifinale am Dienstag und Donnerstag sind so wie das Finale am Samstag jeweils ab 21.00 Uhr live in ORF1 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. ORF.at begleitet den Bewerb mit einem Liveticker – samt Bildern, animierten GIFs und Social-Media-Kommentaren.

Lebenszeichen aus Großbritannien

Nach jahrelangen blamablen Teilnahmen dürfen sich heuer zwei der Big Five, also der fix für das Finale qualifizierten Länder, eine Rehabilitation erhoffen. Spanien schickt mit Chanel und der Nummer „SloMo“ eine flotte Latin-Pop-Nummer ins Rennen, und Großbritannien mischt mit Jesus-Lookalike Sam Ryder und „Space Man“ sogar auf den vorderen Plätzen der Buchmacher mit. Weniger gut stehen die Chancen einmal mehr für Deutschland: Malik Harris, Sohn des Moderators Rick Harris, gelang mit „Rockstars“ zwar ein Ohrwurm, nach den Reaktionen bisher aber einen, den man eher nicht haben will.

Nicht vollkommen auszuschließen ist sogar, dass Italien einen Heimsieg einfährt. Mahmood, mit „Soldi“ 2019 bereits Zweiter, zählt im Duett mit dem Sänger Blanco und der Nummer „Brividi“ zu den Favoriten.

Probleme mit der Sonne

Die Proben der vergangenen Tage standen unter keinem guten Stern oder genauer gesagt unter keiner guten Sonne – denn das zentrale Element der Bühne, eine „kinetische Sonne“, funktioniert nicht. Für die Bühne ist erstmals seit Jahren nicht der Deutsche Florian Wieder verantwortlich, sondern das italienischen Atelier Francesca Montinaro, das auf Erfahrung beim Sanremo-Musikfestival verweisen kann. Eigentlich hätten mehrere Bögen einerseits als LED-Bildschirm, andererseits als Scheinwerferwand dienen sollen. Allerdings stellte sich heraus, dass durch einen Defekt die Bögen nicht wirklich bewegt werden können, berichtete das Blog ESC-Kompakt.

Im Bau befindliche Song-Contest-Bühne
Eurovision/Atelier Montinaro
Eine „kinetische Sonne“ hätte es werden sollen. Jetzt: „Black hole Sun“.

Der Veranstalter, die Europäische Rundfunkunion (EBU), gab schließlich bekannt, dass aus „Fairnessgründen“ die „Sonne“ bei allen Teilnehmern in derselben Position bleibt. Etliche Delegationen, die ihre Auftritte mit dem Element minutiös geplant hatten, mussten nun ihre Inszenierung auf völlig neue Beine stellen und waren entsprechend sauer. Aus der österreichischen Delegation hieß es, man sei nicht betroffen.

Teletwitter

Vom Teletwitter-Team ausgewählte Tweets mit „#ESCORF“ werden während der TV-Übertragungen auf der Teletext-Seite 780 eingeblendet.

Russland ausgeschlossen

Durch die Shows führen heuer der Moderator Alessandro Cattelan, der britische Popstar Mika und die italienische Sängerin Laura Pausini. Insgesamt sind heuer 40 Länder unter dem Motto „The Sound of Beauty“ am Start. Für viel Wirbel sorgte der Ausschluss Russlands aus dem Bewerb. Mehrere Länder hatten das nach dem Angriff auf die Ukraine gefordert – auch weil die staatlichen TV-Sender den Krieg mit Propaganda unterstützen.

Die russischen Sender traten postwendend aus der EBU aus, ob und wann Russland zurückkehren wird, steht in den Sternen. Belarus wurde bereits im Vorjahr wegen eines propagandalastigen Songs ausgeschlossen. Ungarn nimmt aus eigenen Stücken zum zweiten Mal in Folge nicht teil. Bosnien und Herzegowina sowie die Slowakei setzen nun schon einige Jahre aus, dafür kehren Montenegro und Armenien nach zwei- bzw. einjähriger Pause wieder zurück.