Werner Kogler, Alexander Van der Bellen, Karl Nehammer und Karoline Edtstadler
APA/BKA/Dragan Tatic
Kriegsende

Gedenken im Zeichen des Ukraine-Krieges

Die Regierung hat am 8. Mai, dem Tag des Kriegsendes in Österreich, heuer wieder in größerem Rahmen der Befreiung vom Nationalsozialismus gedacht. Bei einem Festakt im Kanzleramt waren zahlreiche Gäste geladen, unter ihnen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und sein Vorgänger Heinz Fischer. Das Gedenken stand nicht zuletzt im Zeichen des Ukraine-Kriegs.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) setzte einen breiten Rahmen vom NS-Regime über die Aggression Russlands in der Ukraine bis zum Erstarken des Antisemitismus in der CoV-Pandemie. Auch wurde in den Reden nicht darauf vergessen, dass von vielen Österreichern das Kriegsende nicht als Befreiung empfunden worden sei: „Es gab Opfer, und es gab Täter“, betonte Nehammer.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ergänzte, dass die Beteiligung vieler an den NS-Verbrechen „fanatisch und perfide“ gewesen sei. Zu danken sei jenen, die Österreich befreit hätten, Alliierten wie Widerstandskämpfern.

Kritik an Putins Entnazifizierungsvorwand

Erinnert wurde von Grünen-Chef Kogler auch daran, dass viele ukrainische Städte Opfer des Vernichtungsfeldzugs der Nazis gewesen seien. Dieser habe dort große Zerstörung gebracht und besonders viele Menschenleben gefordert. Heute, wie es seitens des russischen Präsidenten Wladimir Putin geschehe, diese Opfer für seine politischen Vorstellungen und verqueren Einordnungen herzuziehen, sei aufs Schärfste abzulehnen.

Gedenken an die Befreiung 1945

Zum 77. Jahrestag der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges fand im Kongressaal des Bundeskanzleramts das „Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an das Kriegsende in Europa 1945“ statt. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hielten Ansprachen. Den musikalischen Rahmen gestaltete ein Ensemble der Wiener Philharmoniker.

Auch Nehammer zeigte sich erschüttert, dass sich „der Wahnwitz des Krieges“ heute in der Ukraine fortsetze. Das diene als ständige Mahnung, alles zu tun, um Kriege zu vermeiden bzw. wie im aktuellen Fall sie zu beenden. Der russische Botschafter war zu dem Festakt, bei dem neben Regierungsmitgliedern auch Vertreter der Religionsgemeinschaften geladen waren, explizit nicht eingeladen.

Kritische Erinnerung als Pflicht

Gleichzeitig sei es Österreichs Pflicht und Aufgabe, sich mit den Gräueln und Schrecken des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, betonte Nehammer. Daher habe man auch, wo das möglich gewesen sei, Liegenschaften des ehemaligen Konzentrationslagers Gusen erworben, um das Gedächtnis an die damaligen Ereignisse aufrechtzuerhalten.

Nehammer warnte vor den Gefahren, die in Krisen wie der Pandemie entstehen könnten. Der Kanzler verwies auf die Verharmlosung des Holocausts bei Anti-Maßnahmen-Demonstrationen und antisemitische Töne: „Jeder hat das Recht zu demonstrieren, aber wir müssen wachsam sein.“ Solche Bewegungen würden gerne gekapert: „Es geht um die Zukunft der Republik.“

Karner: NS-Regime militärisch besiegt worden

Als Impulsredner bei der Gedenkveranstaltung war dann auch der Historiker Stefan Karner geladen, der unterstrich, dass die unmittelbare Erinnerung langsam schwinde. So gab er einen Abriss über das, was im Vorfeld des Kriegsendes geschah, bis in die heutige Zeit.

Hervorgehoben wurde von ihm etwa, dass trotz allen Widerstands das NS-Regime nicht von innen zusammengebrochen, sondern militärisch von den Alliierten besiegt worden sei. Reue und Buße vormaliger Nazis seien nach dem Krieg oft bloß formal geblieben. Für viele sei das Kriegsende eine Demütigung gewesen. Das Österreich-Bewusstsein habe sich erst in den 1950er und 1960er Jahren entwickelt.

Kranzniederlegung bei Schoah-Denkmal

Vor der Veranstaltung im Kanzleramt hatten Van der Bellen, Nehammer und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gemeinsam mit dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, an der Schoah-Gedenkmauer Kränze niedergelegt.

Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an das Kriegsende in Europa

Zum 77. Jahrestag der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges fand im Bundeskanzleramt das „Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an das Kriegsende in Europa 1945“ statt. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hielten Ansprachen. Fest- und Gedenkredner war der Historiker Stefan Karner. Den musikalischen Rahmen gestaltete ein Ensemble der Wiener Philharmoniker.

SPÖ mahnt „Einsatz für Frieden“ ein

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch mahnten indes per Aussendung zum Tag der Befreiung „vollen Einsatz für Friede, Freiheit und Demokratie“ ein, „um die Grundwerte unserer freien und offenen Gesellschaft zu verteidigen“. Allen autoritären, antidemokratischen und nationalistischen Tendenzen müsse gemeinsam entschlossen entgegentreten werden – und zwar weltweit.

FPÖ-Chef Herbert Kickl nannte den Muttertag als Grund, warum er nicht an der Gedenkveranstaltung teilnahm. In der ORF-„Pressestunde“ betonte er zugleich, der Jahrestag der Kapitulation Nazi-Deutschlands und des Endes des Zweiten Weltkriegs sei „natürlich“ ein Freudentag. Der 8. Mai habe die Befreiung von einem „Albdruck“ gebracht, das Ende millionenfachen sinnlosen Sterbens – und „auch eines verbrecherischen Regimes, das industrialisierte Massenvernichtung“ betrieben habe. Es habe, fügte Kickl freilich unter Verweis auf die Besatzungszeit zugleich hinzu, nach Kriegsende noch zehn Jahre gedauert, bis Österreich frei geworden sei.