Sergei Shoigu und Vladimir Putin
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Rede in Moskau

Putin lässt Vorgehen in Ukraine offen

Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Gedenktag des Sieges über Nazi-Deutschland den Angriff auf die Ukraine gerechtfertigt. Zur weiteren Vorgehensweise in der Ukraine äußerte sich der Staatschef am Montag in Moskau allerdings nicht. Befürchtet worden war, Putin könnte eine Generalmobilmachung ankündigen.

Viele westliche Beobachterinnen und Beobachter hatten gewarnt, Putin könnte seine Rede dazu nutzen, eine Ausweitung der militärischen Aktivitäten im Nachbarland bekanntzugeben. Passiert ist das nicht. Putin nutzte das Gedenken an den Großen Vaterländischen Krieg – die russische Bezeichnung für den Kampf der Sowjets gegen die Nazis zwischen 1941 und 1945 – stattdessen dafür, den Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen.

Krisai (ORF) über Putins Rede

ORF-Korrespondent Paul Krisai berichtet aus Moskau über die Ereignisse rund um die Militärparade zum Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland vor 77 Jahren und die Rede von Russlands Staatschef Putin.

„Ihr kämpft für das Vaterland, für seine Zukunft, damit niemand die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg vergisst“, sagte er an die Soldaten gerichtet, von denen einige in der Ukraine im Einsatz gewesen waren. Sie hätten dort das „Vaterland“ vor der „inakzeptablen Bedrohung“ verteidigt, die das vom Westen unterstützte Nachbarland für Russland darstelle.

Putin: Westen bereitete „Invasion Russlands“ vor

Der Ukraine und der NATO warf Putin vor, „eine Invasion unserer historischen Gebiete“ geplant zu haben, darunter der 2014 von Russland annektierten Krim-Halbinsel und der mehrheitlich russischsprachigen Donbas-Region in der Ostukraine. Kiew hat das mehrfach zurückgewiesen.

Putin verteidigt Krieg gegen Ukraine

Am „Tag des Sieges“ rechtfertigt der russische Präsident Wladimir Putin seinen Krieg in der Ukraine mit einer Bedrohung Russlands durch den Westen. Putin nennt den Angriff weiterhin „Spezialoperation“.

Er warf dem Westen neuerlich vor, „Neonazis“ in der Ukraine bewaffnet zu haben. Moskau habe immer wieder versucht, ein Abkommen für eine internationale Sicherheitslösung zu erzielen, sagte Putin. Die NATO habe aber Russlands Argumente ignoriert und damit begonnen, das ukrainische Territorium militärisch zu erschließen. Zudem erklärte Putin, die Ukraine strebe nach der Atombombe – Russland habe daher keine andere Wahl gehabt, als präventiv zu agieren. Der Ukraine-Einsatz sei „die einzig richtige Entscheidung“ für ein „souveränes, starkes und unabhängiges Land“.

Erneute Warnung vor neuem Weltkrieg

Putin würdigte in seiner Rede auch die russischen Soldaten im Donbas, die dort für die Sicherheit des Landes kämpften. Einige Vertreter der Streitkräfte nahmen auch an der Parade auf dem Roten Platz teil. Zugleich räumte Putin Verluste ein und sicherte den Familien der „Gefallenen und Verwundeten“ Hilfen zu. Offiziell ist bisher die Rede von 1.351 getöteten Soldaten. Westliche Fachleute gehen hingegen davon aus, dass mehrere tausend russische Soldaten bei den Kämpfen in der Ukraine gestorben sind.

Vladimir Putin
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Die Schrecken eines Weltkrieges dürften sich nicht wiederholen, so Putin

Der Präsident warnte bei dem Gedenken an den Zweiten Weltkrieg erneut auch vor einem neuen Weltkrieg. Der damalige Kampf bedeute nicht nur die Verpflichtung, das Andenken derer zu erhalten, die den Nazismus besiegt hätten. Aufgabe sei es, „wachsam zu sein und alles zu tun, damit sich die Schrecken eines globalen Krieges nicht wiederholen“, sagte er. Er unterhielt sich am Rande der Parade auch mit Veteranen des Zweiten Weltkriegs, denen er die Hand schüttelte.

Selenskyj verbittet sich Russlands „Aneignung“ von Sieg

Unterdessen verbat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine „Aneignung“ des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg durch Russland. „Heute feiern wir den Tag des Sieges über den Nationalsozialismus“, sagte Selenskyj am Montag in einer Videobotschaft.

„Wir sind stolz auf unsere Vorfahren, die gemeinsam mit anderen Nationen in der Anti-Hitler-Koalition den Nationalsozialismus besiegt haben. Und wir werden nicht zulassen, dass sich jemand diesen Sieg aneignet“, sagte Selenskyj, der selbst Jude ist und dessen Großvater im Zweiten Weltkrieg in der Roten Armee kämpfte, weiter: „Wir haben damals gewonnen. Wir werden auch jetzt siegen.“ Der Weg dorthin sei schwierig, „aber wir haben keinen Zweifel, dass wir siegen werden“.

Flugshow abgesagt

Bei der traditionellen Parade in Moskau marschierten rund 11.000 Soldaten. Außerdem wurden Panzer und andere Militärtechnik gezeigt. In Wladiwostok fuhren auch die Weltkriegspanzer vom Typ T-34 in der Kolonne mit. Insgesamt gab es 28 Paraden im flächenmäßig größten Land der Erde.

Eine groß geplante Flugshow fiel in Moskau kurzfristig aus – zu schlechtes Wetter war die Begründung. Offiziell ebenfalls witterungsbedingt ausgefallen sind die Flugshows in den russischen Millionenstädten St. Petersburg, Jekaterinburg, Nowosibirsk und Samara. Auch in Russlands Fernem Osten, in den Städten Chabarowsk und Komsomolsk-am-Amur, wurden zuvor geplante Flugeinlagen abgesagt.

Leonid Wolkow, Vertrauter des Kremlkritikers Alexej Nawalny, nannte die plötzliche und gleichzeitige Absage der Flugshows einen Beweis „für eine politische Entscheidung“. Er könne sich gut vorstellen, dass der Geheimdienst FSB die Veranstaltungen wegen „operativer Informationen, dass etwas Unschönes vorbereitet“ werde, verboten habe, schrieb Wolkow auf seinem Telegram-Kanal. Er könne sich nun Säuberungen bei der russischen Luftwaffe vorstellen.