Arbeitsminister Martin Kocher
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Medienberichte

Kocher soll auch Wirtschaft bekommen

Nach den Rücktritten von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) ist offenbar die Nachfolge in den Ministerien laut mehreren Medienberichten bereits geregelt. Arbeitsminister Martin Kocher soll laut „Krone“, „heute“ und Oe24.at die Wirtschaftsagenden von Schramböck bekommen. Die „Krone“ schreibt von ihm als „neuem starken Mann“.

Offenbar wurde auch deshalb die für den Vormittag angesetzte Pressekonferenz im Arbeitsministerium mit Kocher zu aktuellen Arbeitsmarktthemen abgesagt. Kocher ist parteifrei und wurde vom damaligen ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz in die Regierung geholt. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) lädt für 13.00 Uhr zu einer Pressekonferenz in die Politische Akademie der ÖVP und nicht ins Bundeskanzleramt. Offiziell gibt es zu den angedachten Personalwechseln von dem Koalitionspartner, den Grünen, bisher keine Stellungnahme.

Kocher soll Hilfe erhalten. Mit Susanne Kraus-Winkler soll ihm eine neue Tourismusstaatssekretärin zur Seite gestellt werden, hieß es weiter. Sie ist derzeit Obfrau des Fachverbands Hotellerie in der Wirtschaftskammer.

Susanne Kraus-Winkler (Obfrau des Fachverbands Hotellerie)
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Susanne Kraus-Winkler soll neue Tourismusstaatssekretärin werden

Ein Staatssekretariat für Digitalisierung und Breitband soll ebenfalls kommen. Diese Agenden soll laut den Medienberichten Florian Tursky, bisher Büroleiter des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter (ÖVP), übernehmen. Die Nachfolge von Köstinger soll ebenfalls bereits feststehen. Laut den Medienberichten übernimmt der Direktor des ÖVP-Bauernbundes, Norbert Totschnig, das Landwirtschaftsministerium, wie auch die „Presse“ schreibt.

Filzmaier: Nehammer will Profil schärfen

Die Rücktritte gingen vor dem ÖVP-Parteitag am Samstag über die Bühne, an dem Nehammer sein Profil schärfen wolle. Folglich zeige sich derzeit die „möglichst diskrete Absetzbewegung von der Ära Kurz“, so Politologe Peter Filzmaier zu ORF.at.

Bauernbund-Direktor Norbert Totschnig
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Norbert Totschnig soll Landwirtschaftsminister werden

Köstinger galt bekanntlich als enge Vertraute und jahrelange politische Weggefährtin von Kurz. Auch die ehemalige A1-Chefin Schramböck war eine Wunschkandidatin des zurückgetretenen Bundeskanzlers. Mit ihnen gehen die letzten zwei verbliebenen Ministerinnen aus der ersten Kurz-Regierung von ÖVP und FPÖ. An diese Zeit soll künftig offenbar nur noch wenig erinnern – worauf auch eine anstehende Umbenennung der ÖVP hindeutet. Aus Kurz’ „Neuer Volkspartei“ wird nun wieder schlicht die „Volkspartei“.

Rückkehr der Länder und Bünde

Für den unter turbulenten Umständen zum Bundeskanzler aufgestiegenen Nehammer ist diese demonstrative Abkehr derzeit eine politische Notwendigkeit – gerade vor dem ÖVP-Parteitag am Samstag, an dem er in Graz zum neuen Parteichef gekürt wird. „Der Parteitag hat den Zweck der möglichst großen Selbstdarstellung von Nehammer und seinem politischen Konzept. Da kann er keine Störfeuer brauchen“, so Filzmaier.

Die Rücktritte der beiden Ministerinnen noch vor dem Treffen seien hinsichtlich des Zeitpunktes daher opportun gewesen – trotz ihres chaotischen Ablaufs. Sowohl Köstinger als auch Schramböck galten schon länger als Ablösekandidatinnen, bisher habe sich ein größerer Personalumbau aufgrund des krisenbedingten Machtwechsels an der ÖVP-Spitze nicht umsetzen lassen.

Florian Tursky
Land Tirol
Florian Tursky soll laut Medienberichten die Digitalagenden übernehmen

Kurz hatte sich bei seiner Übernahme der ÖVP im Jahr 2017 weitreichende Befugnisse bei der Personalauswahl von den Bundesländern gesichert. „Kurz hat die Logik der ÖVP durchbrochen, weil er Wahlerfolge versprechen konnte. Doch Nehammer hat keine Wahlerfolge“, so Filzmaier. Die ungeschriebenen Regeln der Länder und Bünde seien damit zurück.

SPÖ will Neuwahlantrag einbringen

Die Opposition kritisiert die ÖVP-Regierungsumbildung. Die SPÖ wird in der nächsten Nationalratssitzung einen Antrag auf Neuwahlen einbringen. Auch die FPÖ pocht auf Neuwahlen. „Nach diesen beiden Rücktritten ist endgültig game over. Die Regierung Nehammer ist gescheitert“, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Für diese Regierung sei es an der Zeit, zur Seite zu treten. Die SPÖ werde deshalb in der nächsten Nationalratssitzung einen Neuwahlantrag einbringen.

Leichtfried macht die Regierung für den Absturz in „sämtlichen Rankings“ verantwortlich. Wo geschlossenes Handeln gefordert sei, gebe es einen Rücktritt nach dem anderen. „Der Kanzler wählt seine Minister nicht nach Kompetenz aus, sondern danach, keinen Ärger mit der ÖVP Tirol oder dem Bauernbund zu bekommen“, kritisierte er die Postenbesetzungen der vergangenen Jahre. „Transparenz und Kontrolle haben noch nie die ÖVP gewählt, inzwischen wählt der Anstand auch nicht mehr die Grünen“.

FPÖ sieht „ÖVP-Regierungsbazar“

Bei den Themen Teuerung, Energie und Pflege sei „nichts weitergegangen“. Es sei Zeit für die Senkung von Steuern und Lohnsteuern und Pensionserhöhungen, so Leichtfried. Er kritisierte auch fehlende Pläne der Bundesregierung, um die Gasversorgung zu sichern, so Leichtfried weiter.

FPÖ-Chef Herbert Kickl ortete am Dienstag in einer Aussendung einen „ÖVP-Regierungsbasar“, notwendig sei „ein Aufwachen des Bundespräsidenten“, so der FPÖ-Chef. Alexander Van der Bellen müsse „jetzt endlich seine staatspolitische Verantwortung leben und nicht wieder in den unreflektierten Angelobungstrott verfallen. Er muss diesem jämmerlichen ÖVP-Schauspiel ein Ende setzen“, so Kickl weiter. Das Regierungsteam habe nichts mehr mit jenen Personen zu tun, die im Jahr 2019 in die Nationalratswahl gegangen seien. Van der Bellen müsse den Weg für Neuwahlen freigeben.

NEOS kritisiert Postenbesetzung

Einen „Skandal der Sonderklasse“ sieht FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer darin, dass die Wirtschaftsagenden ein „Anhängsel“ des Arbeitsministeriums werden sollen. Arbeitsminister Kocher habe sich schon bisher nicht ausreichend um den Arbeitsmarkt gekümmert, befand auch FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. In der CoV-Krise sei Kocher zudem als „Scharfrichter“ aufgefallen, so Belakowitsch weiter.

Kritik an Nehammers Postenbesetzungen übte auch NEOS: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) habe nichts weitergebracht, vom Bildungsminister bleibe nichts in Erinnerung, und in Sachen Energie habe es keine Weiterentwicklung gegeben, sagte NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos bei einer Pressekonferenz. Ministerposten würden lediglich aufgrund der Herkunftsbundesländer der Anwärter vergeben, kritisierte er. „Es kann doch nicht sein, dass ich Minister werde, nur weil ich Tiroler bin.“ Weiters warf Hoyos der ÖVP ein Korruptionsproblem vor. „Wir erleben, was wir schon die letzten Jahre erlebt haben: Die ÖVP hat ein Korruptionsproblem.“