Öltanker FSO Safer
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Mit voller Ladung

Öltanker im Roten Meer droht zu zerbrechen

Vor der Küste des Jemen rostet seit Jahren ein Tankschiff vor sich hin. Der technische Zustand sei katastrophal, im schlimmsten Fall könne das Schiff mitsamt vollem Laderaum auseinanderbrechen, hieß es am Dienstag. Die ökologischen Folgen wären verheerend. Die 46 Jahre alte „FSO Safer“ diente lange als Erdölterminal, im jemenitischen Bürgerkrieg wurde sie nach und nach zum Faustpfand – und zur tickenden Zeitbombe.

Die „Safer“ liegt seit 1988 einige Kilometer vor der Küste des Jemen im Roten Meer bzw. dem Hafen Hudaida und diente dort als eine Art schwimmendes Lager. Der Tanker ist über eine Pipeline an ein Ölfeld gekoppelt, von dem Terminal aus wurde Rohöl zum Export auf andere Schiffe vor der Küste gepumpt, bis 2015 die Huthi-Rebellen das Gebiet und die Kontrolle über die Region und das Schiff übernahmen. Es wurde seither nicht mehr gewartet.

Zuletzt hieß es am Montag (US-Ortszeit) von der UNO nach einem Lokalaugenschein mit technischen Experten an Bord, dass einiges darauf hindeute, „dass das Schiff in Kürze auseinanderbrechen wird“. Die Beseitigung der Folgen einer möglichen Katastrophe bezifferte der Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe im Jemen, David Gressly, mit bis zu 20 Mrd. Dollar (fast 19 Mrd. Euro). Der Schaden für das sensible Ökosystem des Roten Meeres lässt sich wohl kaum beziffern.

Enorme Kosten für Sicherungsmaßnahmen

„Die Auswirkungen eines Lecks wären katastrophal“, warnte Gressly. Laut seinen Angaben wollen die Niederlande am Mittwoch eine Geberkonferenz abhalten, um die Krise noch abzuwenden. Laut einer Schätzung vom April braucht die UNO dafür rund 80 Mio. Dollar.

Damit soll die Ladung – nach Einschätzung der Umweltschutzorganisation Greenpeace vom Dezember über 140.000 Tonnen (über 1,1 Mio. Barrel) Öl – von der „Safer“ auf ein Ersatzschiff abgepumpt werden. Das sei aber nur die Sicherung der Ladung, die Kosten für die Sicherung des Schiffes insgesamt könnten sich auf über 140 Mio. Dollar summieren.

1976 gebaut und seit Jahren nicht mehr gewartet

Die „Safer“ wurde in Japan gebaut, der Stapellauf war 1976, und unter dem Namen „Esso Japan“ für eine Tochter des US-Erdölkonzerns Exxon in Dienst gestellt. Als „Esso Japan“ fuhr sie unter liberianischer Flagge. 1986 wurde das Schiff an den Jemen verkauft, ein Jahr später in Südkorea zu einem Offshore-Terminal („FSO“ bzw. „FPSO“ für „Floating Production Storage and Offloading Unit“, schwimmende Produktions- und Lagereinheit) umgebaut und liegt seit 1988 vor der Küste des Jemen.

Seit 2004 und dem Aufstand der schiitischen Huthis gegen die Zentralregierung in Sanaa tobt dort ein Konflikt, seit 2014 ein Bürgerkrieg, 2015 übernahmen die Huthi-Rebellen die Macht im Jemen. Damit befindet sich auch die „Safer“ unter ihrer Kontrolle. 2015 wurde das Schiff von ihnen besetzt.

Streit um Fracht – und niemand fühlt sich zuständig

Seither gab es praktisch keine Wartung mehr, ein Leck wurde notdürftig geflickt, das Schiff rostet vor sich hin. Das Risiko, dass es etwa durch entzündliche Gase zu einer Explosion an Bord komme oder das Schiff überhaupt sinke, werde größer, hieß es zuletzt immer wieder.

Grafik zeigt eine Karte vom Jemen mit den kontrollierten Gebieten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: southfront.org

Der Grund, dass nichts passiert: Die Huthis und die von Saudi-Arabien unterstützte Regierung des Jemen streiten um die Fracht und fühlten sich gleichzeitig für das Schiff nicht verantwortlich. 2019 gab es erste Berichte über auslaufendes Öl. Die Fracht ist beim derzeitigen Rohölpreis über 100 Mio. Euro wert.

In einem Bericht vom Dezember warnte Greenpeace vor ebensolchen Szenarien. Öl könnte durch Korrosion aus dem Tanker ausfließen, Gase, die sich aus der Ladung bilden, könnten sich entzünden, schließlich: Die „FSO Safer“ könnte, ob unabsichtlich oder absichtlich, bei Kampfhandlungen zwischen den vom Iran unterstützten Rebellen und Truppen der gestürzten Regierung beschossen werden und in Flammen aufgehen.

Unterschiedliche Katastrophenszenarien

Die Folgen wären jedenfalls – davor warnen nicht nur die UNO und Greenpeace – verheerend. Mit über 140.000 Tonnen hat die „FSO Safer“ mehr als viermal so viel Öl an Bord, wie nach der Havarie der „Exxon Valdez“ 1989 vor der Küste Alaskas (nach Schätzungen von Exxon an die 258.000 Barrel) ins Meer geflossen waren. Die Ölpest war eine der bisher schlimmsten in der Geschichte.

Huthi Rebellen in Sanaa
APA/AFP/Mohammed Huwais
Die humanitäre Situation im Jemen ist durch den Bürgerkrieg bereits jetzt verheerend

In dem Greenpeace-Bericht heißt es, die „Safer“ könnte das sensible ökologische Gleichgewicht des Roten Meeres in der Region zerstören, die Auswirkungen könnten bis Djibouti, Eritrea und Saudi-Arabien reichen. Das Rote Meer beheimatet in der betreffenden Region Populationen von seltenen Korallen, von Walen und Delfinen.

Außerdem würde eine Havarie des Tankers die humanitäre Krise durch den Bürgerkrieg in der Region verschärfen und durch den Ausfall von Häfen die Nahrungsmittelversorgung und durch den Stopp von Entsalzungsanlagen an der Küste die Trinkwasserversorgung für über acht Mio. Menschen in der Region gefährden.