Michael Kloibmüller beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 10.05.2022
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ÖVP-U-Ausschuss

Kloibmüllers Chats ziehen weitere Kreise

Im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ist am Dienstag das Innenministerium im Fokus gestanden. Ein laut Opposition „Dreh- und Angelpunkt“ des Ressorts war als Auskunftsperson geladen: Michael Kloibmüller, dessen abgesaugte Chats zuletzt für Aufsehen sorgten. Er überraschte den Ausschuss mit einer Liste von sechs bisher unbekannten Fällen.

Die Kloibmüller-Chats waren Anfang des Jahres bekanntgeworden. Peter Pilz, Gründer des Onlinemediums Zackzack.at, hatte sie dem U-Ausschuss persönlich übergeben, sie wurden auch gegen den Widerstand der ÖVP zugelassen. Die Veröffentlichung ist heikel, sollen die Handydaten doch heimlich abgesaugt worden sein. Kloibmüller, früher Kabinettschef mehrerer ÖVP-Innenminister, hatte sein nach einem Bootsunfall defektes Handy abgegeben. Danach waren die Inhalte offenbar gestohlen worden und fanden den Weg via Datenstick, der bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurde, in die Öffentlichkeit.

In den Chats Kloibmüllers mit den ehemaligen Ressortchefs Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) sieht die Opposition deutliche Hinweise auf Postenschacher im Sinne der ÖVP. Kloibmüller wollte in personellen Fragen „den Sozen zeigen wo der Hammer hängt“, wie es in den Chats heißt.

Die Opposition wirft der ÖVP auch anhand von Kloibmüllers Chats vor, dass bei Postenbesetzungen nicht immer die besten Köpfe zum Zug gekommen sein sollen. Neben anderen Fällen ging es am Dienstag bei der Befragung um eine Postenbesetzung bei der Polizei 2017. Damals soll eine Bewerberin als Wiener Vizelandespolizeidirektorin verhindert worden sein, weil sie als SPÖ-nahe gesehen worden sei. Gegen Sobotka wird auf Grundlage der Chats auch wegen Amtsmissbrauchs ermittelt.

Kloibmüller wird einerseits als Opfer geführt, da ihm die Daten gestohlen wurden. Andererseits ist er wegen der Postenbesetzung 2017 auch Beschuldigter – es gilt sowohl bei Sobotka als auch bei Kloibmüller die Unschuldsvermutung.

Sechs Fälle, geschwärzte Namen

Der frühere Kabinettschef – derzeit karenziert – erläuterte gleich eingangs, er werde sich bei Fragen zu Postenbesetzungen entschlagen, da die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittle. Dabei überraschte Kloibmüller den U-Ausschuss mit weiteren Fällen: Er überreichte Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl eine Liste, aus der hervorgeht, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn in sechs Fällen dem Verdacht der Anstiftung zum Amtsmissbrauch rund um Postenbesetzungen nachgeht. In welchen Fällen ist unklar, die Namen wurden von der Anwaltskanzlei geschwärzt.

Die Liste sei mit Februar datiert, der Verfahrensrichter merkte an, es sei sehr bedauerlich, dass der U-Ausschuss davon bis jetzt nichts gewusst habe. Pöschl ließ jedoch die weitere Befragung zu, gegebenenfalls solle sich Kloibmüller eben entschlagen, wenn er sich sonst schaden würde.

Nina Tomaselli (Grüne)
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Tomaselli befragte Kloibmüller zu seinen Chats, erhielt aber nur wenige Antworten

Diese Möglichkeit nahm Kloibmüller auch wiederholt in Anspruch, zum Unmut der Oppositionsabgeordneten. Die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli erfragte, wieso Kloibmüller die an ihn herangetragenen Anliegen „nie kritisch hinterfragt“ habe. Als Beispiel nannte sie eine Konversation mit dem damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) – Kloibmüller antwortete nicht.

Von Datenstick aus Medien erfahren

Den Inhalt des Datensticks, auf dem Handydaten öffentlich wurden, kenne er gar nicht und könne auch nichts zur Echtheit sagen, so Kloibmüller. Die Daten seien ihm nach der Sicherstellung bis dato nicht übermittelt worden, so Kloibmüller: „Weder die privaten noch die dienstlichen.“ Die Vorwürfe, die sich daraus ergaben, seien zudem teilweise durch ein rechtskräftiges Urteil widerlegt. Konkret geht es dabei um die Vermutung, der damalige Chef des Bundeskriminalamts (BK) Andreas Holzer habe ihm eine Telefonüberwachung verraten. Für diese Behauptung sei das Medium Zackzack.at zu einer Richtigstellung und einer Strafzahlung verurteilt worden, so Kloibmüller.

Einige andere Vorwürfe, die sich im Nachgang der BMI-Chats ergaben, sind inzwischen verjährt. Kloibmüller drückte seinen Ärger darüber aus, dass ihm die Daten vom Handy gestohlen wurden, samt „Hunderter Bilder von meinen Kindern“. Dass die Daten gar nicht durch den Defekt des Handys unrettbar verloren waren, will er erst aus den Medien erfahren haben.

Keine Kenntnis von Interventionsliste

Für die Auswertung von Kloibmüllers Handydaten ist die „AG Fama“ zuständig, die BK-Chef Andreas Holzer leitet. Die Bearbeitung laufe „sehr langsam und sehr oberflächlich“, so NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper. Kloibmüller habe zu Holzer „ein durchaus freundschaftliches Verhältnis“, wie dieser am Dienstag sagte. Man habe sich auch auf einen Kaffee miteinander getroffen, das sei legitim, da er sich mit dem Status als Opfer eines Datendiebstahls treffen könne, mit wem er wolle, so Kloibmüller.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Krisper befragte Kloibmüller zur „AG Fama“ und zu seinem Verhältnis zu BK-Chef Holzer

Von Sobotkas inzwischen bekannter „Interventionsliste“ – der Nationalratspräsident dürfte ein solches Dokument im Innenministerium geführt haben – wisse er nichts, sagte Kloibmüller. „Wenn ein Wunsch an mich herangetragen wurde, habe ich das an die zuständige Stelle zur Abarbeitung weitergegeben“, so Kloibmüller im Ausschuss. Ein ÖVP-Hintergrund sei in solchen Fällen „kein Kriterium“ gewesen.

„Beziehungen spielen immer eine Rolle“

Auch Sobotka sei gelegentlich an ihn herangetreten, allerdings nicht mit „Personalwünschen“, sondern mit der Bitte um Prüfung. Das sei ein Unterschied, bei einer Prüfung „schaut man, ob es sich ausgeht“ – ein Wunsch antizipiere schon eine bestimmte Entscheidung. Wie viele Anliegen an ihn herangetragen worden sind, konnte Kloibmüller, der insgesamt 17 Jahre lang im Innenministerium tätig war, nicht beantworten. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium habe er noch gelegentlich personelle Empfehlungen weitergegeben.

„Beziehungen spielen immer eine Rolle“ bei der Erledigung von Anfragen, räumte er ein. „Aber jedes Anliegen, jedes Schreiben, auch von Personen, die man nicht kennt, müssen ordentlich abgearbeitet werden. So habe ich es auch immer gemacht“, so Kloibmüller, der wiederholt darauf hinwies, dass Postenbesetzungen strengen Kriterien unterlägen und etliche Kontrollinstanzen durchliefen.

Turbulent wurde es zwischenzeitlich im Ausschuss, als es um den früheren SPÖ-Berater Tal Silberstein ging. SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer las einen Chat zwischen Kloibmüller und dem damaligen ÖVP-Generalsekretär Werner Amon vor. Darin ging es um Informationen zu Silbersteins Verhaftung. Kloibmüller konnte sich nicht erinnern, ebenso wenig zur Frage, ob er auch anderen Personen solche oder ähnliche Informationen aus seinem Ressort weitergegeben habe. Teile der SPÖ-Fraktion ließen Kloibmüllers Antworten verärgert zurück, zeugten diese doch von zahlreichen Erinnerungslücken.

„SoKo-Tape“-Leiter Holzer sagte ab

Vor Kloibmüller stand am Dienstag schon der frühere Leiter des BK, Franz Lang, Rede und Antwort. Er sprach über die von ihm eingesetzte „SoKo Tape“, die den Ursprung des „Ibiza“-Videos eruieren sollte. Auch seine Kontakte zu Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek erläuterte Lang.

Pilnacek, der ein Leak in der (WKStA) vermutete, habe sich bei Lang erkundigt, wie man im BK Maulwürfe aufspürt.

Am Mittwoch war ursprünglich Langs Nachfolger als BK-Chef und ehemaliger SoKo-Leiter, Andreas Holzer, geladen. Laut Zackzack.at sagte er aber wegen eines Spitalsaufenthalts ab. Jedenfalls kommen sollte der aktuelle SoKo-Chef Dieter Csefan.