Rauchwolken im Wald von Hirschwang (Reichenau an der Rax im Herbst 2021
APA/Barbara Buchegger
Klimadaten

Satelliten schützen Österreichs Wälder

Die Klimakatastrophe sorgt für mehr Trockenheit und erhöht auch die Waldbrandgefahr in Österreich. Wissenschaftler der TU Wien und der Universität für Bodenkultur (BOKU) entwickelten ein neues webbasiertes Werkzeug, mit dem Profis dank aktueller Daten von Sensoren und Satelliten die Waldbrandgefahr schnell und genau einschätzen können. Das Portal soll im Mai 2022 fertiggestellt werden.

Die Dürre hat Europa fest im Griff. Seit Dezember 2021 habe es vor allem in der Po-Ebene und entlang der Donau viel zu wenig geregnet, warnt die EU-Dürrebeobachtungsstelle (EDO) in ihrem Bericht vom April. Nicht nur die Energiegewinnung durch Wasserkraft ist dadurch gefährdet, auch die Landwirtschaft und die Wälder leiden unter der Trockenheit.

„Derzeit gibt es keine statistisch signifikante Zunahme der Anzahl oder der Brandflächen der Waldbrände in Österreich“, so Mortimer Müller, Landschaftsplaner und Waldbrandexperte an der BOKU auf Anfrage von ORF.at. „Wir gehen aber davon aus, dass durch den Klimawandel vor allem intensivere und damit potenziell gefährlichere Waldbrände auftreten werden, die auch vermehrt Siedlungsräume und Infrastrukturen gefährden.“

Wächter im Weltraum

Müller und seine Kollegen vom Institut für Waldbau arbeiten deshalb seit Dezember 2019 in dem von der TU Wien koordinierten Projekt CONFIRM daran, eine Vielzahl von Daten in einem einfach zu bedienenden Werkzeug zusammenzufassen, das Profis in Forstwirtschaft, Feuerwehr und ÖBB mit einem für Österreich optimierten täglichen Lagebericht versorgen soll. Im Mai 2022 steht das Projekt kurz davor, in den Produktivbetrieb überzugehen.

CONFIRM steht für Copernicus Data for Novel High-resolution Wildfire Danger Services in Mountain Regions. Copernicus ist das Erdbeobachtungssystem der EU-Raumfahrtbehörde (ESA). Die Copernicus-Satelliten der Sentinel-Flotte erfassen täglich mehrere Terabyte wertvoller Umweltmessdaten, beispielsweise Bodentemperatur und Feuchtigkeit, die unter anderem von der EDO und dem Global Wildfire Information System (GWIS) ausgewertet werden.

Neuer Blick auf die Daten

Die EDO und GWIS kombinieren diese Daten, werten sie aus und erstellen daraus Modelle und Indikatoren, also einfach verständliche Abstufungen, mit deren Hilfe die aktuelle Lage nicht nur von Experten besser interpretiert werden kann. Ein Indikator zeigt beispielsweise, ob es in einer bestimmten Gegend trockener oder feuchter ist als gewöhnlich. Ein anderer zeigt, ob die Bedingungen für die schnelle Ausbreitung eines Feuers gerade günstig sind oder nicht.

Auch für die Waldbrandgefahr gibt es weltweit mehrere solcher Indikatoren, mit denen auch die Lage in Österreich bewertet werden kann. Dem Team von CONFIRM reichen sie aber nicht aus. Müller sagt dazu: „In Österreich – und den meisten anderen Ländern – gab es bislang noch nicht den Versuch, hochaufgelöste und aus LiDAR bzw. Satellitendaten extrahierte Vegetations- und Topografiedaten mit meteorologischen Informationen zu einem neuen Waldbrandgefahrenmodell zu verbinden. Das konnte durch CONFIRM als Prototyp umgesetzt werden.“

In den Gefahrenindex, der vom CONFIRM-Team für das Portal Waldbrand.at errechnet wird, gehen also nicht nur Satellitendaten ein, sondern auch meteorologische Messdaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Daten zum Blitzeinschlag aus ALDIS und Informationen über die Bodenbeschaffenheit und Geländeneigung, die aus hochauflösenden Laserscans (LiDAR) gewonnen werden.

Screenshot der Beta-Version des Portals Waldbrand.at. Er zeigt eine Karte von Österreich mit farbiger Gefahreneinstufung und Bedienelemente zur Auswahl verschiedener Gefährdungsmodelle und Parameter.
Waldbrand.at/CONFIRM
Screenshot des Portals Waldbrand.at. Nutzer können zwischen verschiedenen Modellen und Parametern wählen.

Waldbrand.at wird nach Fertigstellung des Projekts nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich sein. „Das Portal wird nur Experten aus den verschiedenen Fachbereichen wie Forst, Behörde, Feuerwehr oder Wissenschaft auf Anfrage zur Verfügung gestellt“, so Müller.

Das Projekt hat ORF.at daher Beispieldaten zur Verfügung gestellt. Hier die Gefährdungsvisualisierung in der Standardeinstellung für den 26.10.2021, als der Großbrand in Reichenau an der Rax tobte.

Waldbrand in Reichenau/Rax am 26.10.2021 mit Gefährdungsvisualisierung des Tages von Waldbrand.at/CONFIRM. Vollbildmodus bei Klick auf das Quadrat unter der Zoomwippe.

Da laut Projektunterlagen 83 Prozent der Waldbrände in Österreich zwischen 1993 und 2017 von menschlichen Aktivitäten ausgelöst wurden, fließen auch aktuelle Daten zu Verkehrsnetz- und Bevölkerungsdichte in die Auswertung ein. Methoden des maschinellen Lernens helfen dabei, die Datenmengen zu bewältigen und sinnvoll zu interpretieren. Die Benutzer des Portals können zusätzlich noch Parameter wie Entzündungs- und Ausbreitungsgefahr manuell einstellen und damit verschiedene Situationen simulieren.

Die folgende Karte zeigt das Ergebnis des Indikators Fine Fuel Moisture Code (FFMC, zeigt den aktuellen Feuchtigkeitsgehalt und damit die Entflammbarkeit kleinteiligen Materials auf dem Waldboden an) und der Gefährdungsstufen des CONFIRM-Projekts am 12.3.2022, also zum Zeitpunkt des Waldbrands in Pinswang im Vergleich. Die CONFIRM-Auswertung ist deutlich feiner und stärker ausdifferenziert.

CONFIRM-Gefährdungsindex Variante 4 und Fine Fuel Moisture Code (FFMC) für den 12.3.2022, den Tag des Waldbrands in Pinswang/Tirol. Der CONFIRM-Index bietet höhere räumliche Auflösung. Vollbildmodus bei Klick auf das Quadrat unter der Zoomwippe.

Systeme wie Waldbrand.at können allerdings nur dann gut funktionieren, wenn sie in ein Gesamtkonzept eingebunden sind und die Menschen sich der Lage entsprechend verhalten. Der beste Algorithmus ist gegen eine achtlos weggeworfene Zigarette machtlos.

Müller dazu: „Generell sind präventive Aspekte wie Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, waldbauliche Maßnahmen, kontrolliertes Brennen zur Verringerung der Biomasse, Anpassungen der Ausbildungen von Einsatzkräften oder eine spezielle Berücksichtigung der Kontaktzone zwischen Wald und Siedlungen wichtig für ein integratives Waldbrandmanagement.“