Unscharf erkennbare Flugbegleiterin auf dem Gang eines Flugzeugs
Getty Images/R9_ronaldo
Sorge vor Sommer

Flugbranche kämpft mit Personalmangel

Die Reiselust nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen ist groß – groß ist aber auch der Personalmangel der Fluglinien. Während der weltweiten Lockdowns wurden zahlreiche Stellen abgebaut, jetzt sucht die Branche händeringend nach Leuten. Fluggesellschaften warnen, auch wegen der hohen Treibstoffkosten, vor steigenden Preisen. Es drohen Flugausfälle und Verspätungen.

Wegen der europaweiten CoV-Lockerungen zeigte sich die britische Fluggesellschaft easyJet im Vormonat noch optimistisch. „Wir bleiben zuversichtlich bei unseren Plänen, dass wir diesen Sommer ein Flugangebot nahe des 2019er Niveaus erreichen werden“, sagte Easyjet-Chef Johan Lundgren.

Gleichzeitig kämpfte der britische Billigflieger jedoch im April mit dem Ausfall zahlreicher Angestellter, die wegen einer CoV-Infektion zu Hause bleiben mussten, und strich täglich Hunderte Flüge. Um der Personalnot entgegenzuwirken, griff easyJet Anfang des Monats zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: In den 60 in Großbritannien stationierten Maschinen vom Typ Airbus A319 werden künftig statt 156 nur noch 150 Plätze für Kundinnen und Kunden vergeben. Das Bordpersonal könne damit von vier auf drei Menschen reduziert werden, teilte easyJet mit.

Swiss plant weitere Flugstreichungen

Auch die Lufthansa-Tochter und AUA-Schwester Swiss zieht wegen des Personalmangels in der Branche Konsequenzen. Ende April mussten zwei Flüge zwischen Sao Paulo und Buenos Aires gestrichen werden, jetzt will die schweizerische Fluggesellschaft die Situation für Mitarbeiter durch verschiedene Maßnahmen wieder attraktiver machen.

Unter anderem sollen Serviceanpassungen auf der Langstrecke zu Entlastungen führen. Dazu kommt die Wiedereinführung der Spesenentschädigungen bei Frühabflügen und Spätankünften sowie der Überstundenpauschale, die aufgrund des Krisenpakets wegen der Pandemie bis Ende 2023 ausgesetzt wurde. Zudem soll eine „dreistellige Zahl“ an Cabin-Crew-Mitgliedern eingestellt werden.

Trotzdem plant die Swiss im Sommer weitere Flugstreichungen im „tiefen einstelligen Prozentbereich“. Bei den Langstreckenflügen seien folgende Ziele betroffen: New York, San Francisco, Los Angeles, Chicago, Tokyo, Bangkok, Singapur, Hongkong, Dubai und Johannesburg.

Leerer Flughafen Wien
ORF.at/Christian Öser
Im März 2020 waren die Flughäfen weltweit wie ausgestorben: In Wien-Schwechat gab es um 65,8 Prozent weniger Fluggäste

Lufthansa-Chef: Große Sorgen wegen Sommers

Die deutsche Lufthansa sprach im Vormonat von Annullierungen im „dreistelligen Bereich“ – und der Trend dürfte sich nach Einschätzungen von Lufthansa-Chef Carsten Spohr fortsetzen. Auf die Frage, ob auch im Frühling und Sommer Flugstreichungen drohen würden, antwortete Spohr der Zeitung „Schweiz am Wochenende“: „Leider ja, ich mache mir deswegen große Sorgen.“

Wegen der steigenden Kerosinpreise kündigte Spohr auch höhere Preise für Flugtickets an. „Tickets werden teurer, das ist klar“, so der Lufthansa-Chef. Wenn der Ölpreis um zehn Dollar pro Barrel nach oben gehe, steige auch der Ticketpreis im Schnitt um zehn Dollar (9,63 Euro).

Für die Luftfahrtbranche erwartet der Lufthansa-Chef eine Fortsetzung der Konsolidierung. „Einige europäische Airlines werden es nicht schaffen.“ Deshalb rechne er mit weiteren Übernahmen durch die großen Airlines. Der Lufthansa-Konzern, dem bereits mehrere europäische Fluggesellschaften wie eben AUA und Swiss gehören, hat zusammen mit der Schweizer Reederei MSC auch ein Offert zur Übernahme der italienischen Staatsairline ITA abgegeben.

„Einzigartiger Buchungsboom“ nach Pandemie

Dabei sehe die Luftfahrt starke Aufholeffekte nach zwei Jahren Pandemie, so Spohr. „Die Reiselust hat sich aufgestaut, bei manchen Destinationen liegen unsere Buchungen sogar über dem Niveau von 2019." Bei Privatreisen rechne er 2023 mit einer vollständigen Erholung, bei Geschäftsreisen sei er skeptischer. Der Flughafenbetreiber Fraport am größten deutschen Flughafen in Frankfurt will in diesem Jahr 1.000 neue Mitarbeiter anheuern – hat davon aber erst rund 300 gefunden.

EasyJet-Chef Lundgren sagte, er rechne mit einem Sommer „fast auf Vorkrisenniveau“. Im Quartal von April bis Ende Juni erwartet die Fluggesellschaft eine Auslastung von 90 Prozent des Vorkrisenwertes, im Quartal von Juli bis Ende September dann 97 Prozent. Auch die AUA spricht seit den europaweiten CoV-Lockerungen im März von einem „einzigartigen Buchungsboom“. Wöchentlich gebe es „Buchungseingänge im sechsstelligen Bereich“. Gebucht werde erstmals seit Ausbruch der Pandemie vor über zwei Jahren auch wieder langfristig.

„Die Sommerferienflieger füllen sich schon jetzt und auch Geschäftsreisen sind wieder im Kommen. Diese Dynamik stimmt uns sehr zuversichtlich“, hieß es von CCO Michael Trestl. Die Flüge in Feriendestinationen wurden im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie um 20 Prozent aufgestockt, und die AUA hat 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Kabine eingestellt. Für die größte Verunsicherung sorgen jedoch laut AUA derzeit die stark gestiegenen Preise für Kerosin.

Mehr Flugverspätungen befürchtet

Nach dem großen Stellenabbau aufgrund des Einbruchs in der Pandemie kann die Rekrutierung neuer Mitarbeiter mit dem erwarteten Reiseboom nicht Schritt halten. Der Personalmangel der Flugbranche spielt sich jedoch nicht nur in der Luft, sondern auch am Boden ab. Auch bei den Bodendiensten und Sicherheitskontrollen gebe es zu wenig Personal, teilten die internationalen Verbände von Flughäfen und ihren Dienstleistern, Airport Council International (ACI) und Airport Services Association (ASA), mit.

Mit der kräftigen Erholung des Luftverkehrs befürchten zwei Drittel der Flughäfen in Europa laut einer Umfrage daher auch mehr Flugverspätungen. Gut ein Drittel gehe davon aus, dass der Engpass auch im Herbst noch nicht behoben ist. Mit mehr Ausfällen rechneten nur rund 15 Prozent.

Zuletzt kam es an den Flughäfen London/Heathrow und Amsterdam/Schiphol zu größeren Störungen. Zu Beginn der Osterferien strich die Lufthansa zahlreiche Flüge vom Flughafen Frankfurt, vor allem Inlandsverbindungen, um ein Chaos mit langen Warteschlagen zu verhindern, was damit letztlich auch gelang.

Flugverbände: Mehrere Gründe für Personalknappheit

Die Ursachen der Personalknappheit machten der ACI und die ASA bei anderen aus: Sie hätten viele Beschäftigte abbauen müssen, weil sie zu wenig Staatshilfe in der Pandemie erhalten hätten. Das Lohnniveau sei niedrig, was am harten Wettbewerb der Dienstleister aufgrund der Liberalisierung des Markts durch die EU liege. „Eine Obergrenze für die Anzahl der Bodenabfertigungsanbieter (…) würde viel dazu beitragen, sowohl soziale als auch betriebliche Mängel zu beheben“, erklärten die Verbände.

Die Vorschriften für Sicherheitsanforderungen und Ausbildung des Personals führten zu einem notwendigen Vorlauf beim Einsatz neuer Mitarbeiter von bis zu 16 Wochen. Das müsse vonseiten der Behörden schneller gehen. An die Airlines appellierten die Verbände, ihre Flugzeiten zu entzerren. Denn kritisch werde es vor allem zu Spitzenzeiten. Auch der Frankfurter Betreiber Fraport hatte erklärt, die Ballung zu bestimmten Zeiten sei schwer zu bewältigen.