Pflegerin im Altersheim
ORF.at/Zita Klimek
Pflegepaket

Große Brocken fehlen noch

Trotz der großteils positiven Reaktionen auf das Maßnahmenpaket der Regierung für die Pflege sind noch einige Punkte offen – und die sind knifflig. Neben der fehlenden nachhaltigen Finanzierung über die aktuell gesicherten zwei Jahre hinaus gab es etwa im Bereich der 24-Stunden-Betreuung keine konkreten Ansagen. Weitere Schritte werden verlangt. Bund, Länder und Gemeinden werden wohl hart verhandeln.

Die große Frage sei vor allem, so die ersten Reaktionen, wie es nach den zwei Jahren weitergehen soll. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hatte selbst bei der Vorstellung der Maßnahmen am Donnerstag eingeräumt, dass die Weiterführung eine „enorme Herausforderung“ sei, man habe aber schnell handeln wollen. Doch jetzt muss der Bund mit den Ländern und Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleichs über die Aufteilung der Kosten verhandeln – ein bekanntermaßen immer schwieriges Unterfangen, egal für welchen Bereich.

Die vorgestellten Maßnahmen, die mit einer Milliarde Euro vorerst finanziert sind, werden wohl auch kaum so einfach wieder zurückgenommen werden können – weder die eine Woche zusätzliche Freizeit (Entlastungswoche) für Pflegekräfte ab 43 noch der angekündigte monatliche Gehaltsbonus – derzeit als Bundeszuschlag tituliert. Gleiches gilt für den Ausbildungszuschuss und die Erhöhung des Pflegegelds für Menschen mit schweren psychischen Behinderungen.

Maßnahmenpaket zur Pflege angekündigt

Weitgehend positiv ist das Echo auf das angekündigte Maßnahmenpaket zur Pflege ausgefallen. Alle mahnten, dass das nur ein erster Schritt sein könne – die „große Reform“ zur langfristigen Sicherstellung der Finanzierung müsse rasch angegangen werden.

Organisationen drängen auf langfristige Finanzierung

Es sei wichtig, dass die Maßnahmen nicht nur für zwei Jahre gelten, sagte Anna Parr, Generalssekretärin der Caritas, gegenüber Ö1. Die langfristige Finanzierung sei nun der nächste, sehr wichtige Schritt. Dass gezielt ins Personal investiert wird, wurde von allen Organisationen, die in dem Bereich tätig sind, explizit begrüßt.

Der aktuelle Plan umfasse vor allem Maßnahmen, auf die der Bund Einfluss habe, meinte Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie, ebenfalls gegenüber Ö1. Nicht enthalten seien etwa Pläne, wie genau das Angebot an Pflegediensleistungen ausgebaut werden kann. Es brauche eine weitere, inhaltliche Etappe, sagte auch Elisebath Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerks, auch für eine bessere Steuerung der Pflege und Maßnahmen für Pflege und Betreuung zu Hause.

Pläne für 24-Stunden-Betreuung fehlen

Für den 24-Stunden-Bereich wurden Maßnahmen vorerst nur angekündigt. Die unselbstständige Beschäftigung in diesem Bereich soll laut Angaben des Ministeriums attraktiviert werden. Details blieb die Regierung aber schuldig, sie sollen noch ausgearbeitet werden. Doch auch hier drängt die Zeit, denn der Trend zur Pflege zu Hause ist unumkehrbar. Derzeit gibt es viel Wildwuchs und Baustellen, etwa bei der qualitativen Absicherung der Pflege und der Pflegekräfte selbst.

Die Vertreter der Länder und Gemeinden positionierten sich bereits in ihren Stellungnahmen: Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl erwartet einen „weiteren großen Reformwurf“ zur langfristigen Sicherung der Zukunftsfinanzierung. Für den Städtebund verlangte Generalsekretär Thomas Weninger, dass Städte und Gemeinden in die Ausarbeitung der Details eingebunden werden – würden sie doch einen großen Teil der Kosten tragen.

Mehr Gehalt für Beschäftigte

Größter Brocken in der vorgestellten Reform ist eine Gehaltserhöhung für die angestellten Beschäftigten in dem Sektor, die heuer und kommendes Jahr vermutlich als monatlicher Bonus ausbezahlt wird. Das soll in etwa einem zusätzlichen Monatsgehalt entsprechen. Reserviert sind dafür 520 Millionen Euro. Darüber hinaus sollen allen Beschäftigten pro Nachtdienst in allen Einrichtungen zwei Stunden Zeitguthaben zustehen. All jene Maßnahmen, die zu Mehrkosten führen, sind vorerst auf zwei Jahre befristet (bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode).

Während der Ausbildung im Pflegeberuf soll Jede bzw. Jeder jedenfalls einen Zuschuss von 600 Euro im Monat erhalten. Umsteiger bzw. Wiedereinsteiger bekommen (während einer vom AMS geförderten Ausbildung) ein höheres Pflegestipendium von 1.400 Euro im Monat. Als Modellversuch wird eine Pflegelehre eingeführt, diese soll mit dem Schuljahr 2023/24 starten und nach sieben Jahren evaluiert werden. Eine weitere Verbesserung für Beschäftigte ist, dass die „Entlastungswoche“ generell ab dem 43. Geburtstag gewährt wird.

Weiters wird unter anderem ein Angehörigenbonus von 1.500 Euro jährlich für jene Familienmitglieder geschaffen, die den größten Teil der Pflege zu Hause leisten und selbst oder weiterversichert sind. Künftig soll es außerdem für pflegende Angehörige bereits nach drei Tagen Anspruch auf finanzielle Unterstützung für Ersatzpflege geben (statt wie bisher erst nach sieben Tagen) – wenn die Betroffenen aufgrund von Krankheit, Kur, Urlaub oder sonstigen Gründen vorübergehend an der Pflege verhindert sind.

Lob, aber weitere Schritte gefordert

Allgemein hieß es in den Reaktionen der Pflegeorganisationen, dass die vorgestellten Maßnahmen nur ein erster Schritt sein könnten, wenn auch ein wichtiger. Man habe lange darauf gewartet, hieß es etwa vom Hilfswerk Österreich, und freue sich, „dass doch viele langjährige Forderungen der Volkshilfe und anderer Sozialorganisationen aufgegriffen wurden, so etwa Volkshilfe-Präsident Ewald Sacher.

Die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, sieht den „Start einer umfassenden Pflegeform, die auch eine nachhaltige Finanzierung und den Ausbau der mobilen Dienste mit einschließen wird’“. Gewerkschaften und Arbeiterkammer (AK) begrüßten die aktuellen Pläne, sie reichten aber nicht aus. „Am Ziel sind wir damit noch nicht“, sagte etwa AK-Präsidentin Renate Anderl.

„Die vorgestellten Maßnahmen sind zweifellos geeignet, einen Beitrag zur Entspannung zu leisten, auch wenn versäumte Weichenstellungen nicht von heute auf morgen kompensiert werden können“, sagte Walter Marschitz, Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ). Österreichweit fanden dennoch wie geplant Demos statt, die Reaktion auf das Regierungspaket fiel dabei unterschiedlich aus – mehr dazu in wien.ORF.at.