Familienbeihilfe vor EuGH: 220 Mio. Euro Rückstellungen gebildet

Im Zuge des noch laufenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens wegen der Indexierung der Familienbeihilfe hat die Bundesregierung Rückstellungen in Höhe von 220 Millionen Euro gebildet. Derzeit liegt die umstrittene Familienbeihilfereform der ÖVP-FPÖ-Regierung von 2019 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Vor Wochen hatte der Generalanwalt des EuGH, Richard de la Tour, in seinem Schlussantrag festgehalten, dass die Indexierung gegen EU-Recht verstößt. In der Regel schließen sich die Richter und Richterinnen des EuGH den Gutachten des Generalanwalts an. Falls das auch bei der Indexierung der Fall sein soll, könnten Rückzahlungen bzw. Strafzahlungen fällig werden.

Laut einer Anfragebeantwortung durch Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sind deshalb Rückstellungen in Höhe von 220 Millionen Euro veranschlagt worden. „Die Berechnung der Rückstellungssumme erfolgte aufgrund der bisher erfassten Ansprüche und eventuell noch zu gewährenden Ansprüche für die Jahre 2019, 2020 und 2021“, heißt es in der Anfragebeantwortung.

Weniger Rückstellungen als eingespart

NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard stellte die Anfrage und meinte gegenüber ORF.at, dass die Indexierung der Familienbeihilfe „ab Tag eins eine vollkommen sinnbefreite und zudem schwer antieuropäische Regelung“ gewesen sei. Nicht nur, dass Kinder und ihre Familien „sehenden Auges diskriminiert wurden, nun werden auch noch alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Fehler der damaligen Bundesregierung zahlen müssen“.

2019 hat Österreich einen Mechanismus zur Indexierung der Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen Steuervorteilen für Familien für EU-Bürger eingeführt, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben. Damit soll die Familienbeihilfe an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten der im EU-Ausland lebenden Kinder angepasst werden.

Laut aktueller und früheren Anfragebeantwortungen wurden wegen der Indexierung in den Jahren 2019 bis 2021 insgesamt 290 Millionen Euro (2019: 62 Mio. Euro; 2020: 87 Mio. Euro; 2021: 141 Mio. Euro) weniger an Familienbeihilfen ausgezahlt als in den Jahren zuvor.

Von Beginn an umstritten

Die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung versprach sich durch die Reform eine jährliche Einsparung von 114 Millionen Euro. Von Beginn an war die Indexierung umstritten. Mehrere Fachleute hatten dem Vorhaben attestiert, EU-rechtswidrig zu sein. Die ÖVP-FPÖ-Regierung verließ sich allerdings auf ein Gutachten, in der eine andere Rechtsmeinung vertreten wurde.

Die EU-Kommission reichte wenig später eine Klage vor dem EuGH ein. Generalanwalt de la Tour hielt in seinem Gutachten Ende Jänner dieses Jahres fest, dass Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates sind, „in Österreich unabhängig vom Aufenthaltsort ihrer Kinder die gleichen Beihilfen und steuerlichen Vergünstigungen wie österreichische Arbeitnehmer erhalten können“ müssen.

Der Grund: Diese Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen würden nämlich in gleicher Weise zur Finanzierung des österreichischen Sozial- und Steuersystems beitragen wie österreichische Beschäftigte.