Die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson
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Aufnahmegesuch erwartet

Schwedens Regierung für NATO-Beitritt

Nachdem Finnland sich auf den Weg in die NATO festgelegt hatte, haben sich in Schweden die in einer Minderheitsregierung alleine regierenden Sozialdemokraten am Sonntag für einen Beitritt ausgesprochen. Damit ebnen sie den Weg für ein Aufnahmegesuch, mit dem das skandinavische Land sich von seiner jahrzehntelangen Neutralität verabschieden würde.

Die Partei spreche sich für einen gemeinsamen Beitrittsantrag mit Finnland aus, sagte Ministerpräsidentin Magdalena Andersson bei einer Pressekonferenz in Stockholm am Sonntag nach einer Sondersitzung der Parteiführung. Die 200 Jahre währende Bündnisfreiheit habe ihrem Land gute Dienste erwiesen, so Andersson am Sonntag, doch für die Zukunft sei das fraglich.

„Wir sind in Europa mit einem fundamental veränderten Sicherheitsumfeld konfrontiert“, so die Sozialdemokratin. Sie fügte hinzu: „Die grundlegende Frage für uns ist, wie wir Schweden am besten schützen, und der Kreml hat gezeigt, dass er zu Gewalt bereit ist, um seine politischen Ziele zu erreichen (…).“ Die Sozialdemokraten wollen jedoch keine Stationierung von Atomwaffen oder dauerhaften NATO-Stützpunkten auf ihrem Territorium akzeptieren.

„Abschreckungseffekt in Nordeuropa“

Am Freitag hatte das Parlament in Stockholm einen sicherheitspolitischen Bericht veröffentlicht, wonach eine NATO-Mitgliedschaft Schwedens das Konfliktrisiko in Nordeuropa senken würde. „Eine schwedische NATO-Mitgliedschaft würde die Schwelle für militärische Konflikte erhöhen und somit einen Abschreckungseffekt in Nordeuropa haben“, hieß es in dem 40-seitigen Bericht.

Die Entscheidung der Sozialdemokraten dürfte nun zu einer großen Mehrheit im schwedischen Parlament führen. Weite Teile der Opposition haben bereits ihre Zustimmung zu einem NATO-Aufnahmeantrag signalisiert. Die Minderheitsregierung von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson dürfte nun in Kürze das offizielle Beitrittsgesuch einreichen.

Finnlands Entschluss an „historischem Tag“

Finnland hatte zuvor am Sonntag schon erklärt, sich der Allianz anschließen zu wollen. Beide Länder wahrten jahrzehntelang Neutralität und waren bündnisfrei in militärischen Fragen. Der russische Angriffskrieg hat die Stimmung in der Bevölkerung aber zugunsten einer NATO-Mitgliedschaft gekippt.

Das Land werde einen entsprechenden Antrag zur Aufnahme in die Militärallianz stellen, teilten der finnische Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin am Sonntag in Helsinki mit. Das finnische Parlament muss dem Schritt noch zustimmen, eine Mehrheit gilt aber als sicher. Niinistö sprach am Sonntag mehrfach von einem „historischen Tag“ für das skandinavische Land. „Ein neues Zeitalter beginnt“, so der Präsident.

Finnland ist seit Jahrzehnten bündnisfrei und teilt sich mit Russland eine rund 1.300 Kilometer lange Grenze. Lange galt ein Beitritt in die Militärallianz als undenkbar – schließlich wollten es sich die Finnen nicht mit dem großen Nachbarn im Osten verscherzen. Doch der Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine führte bei den Politikern und in der Bevölkerung zu einem Umdenken.

Finnland nun offiziell für Beitrittsantrag

Die finnische Staatsspitze gab die Entscheidung für den Antrag am Sonntag bekannt, nun ist das Parlament am Zug. Die Zustimmung gilt als gesichert.

Der Entscheidung gingen eine intensive gesellschaftliche Debatte und umfassende politische Beratungen voraus. Sowohl Niinistö als auch Marin hatten zuletzt für den Beitritt in die Militärallianz geworben. Erst am Samstag hatte sich auch Marins sozialdemokratische Regierungspartei SDP für den Schritt ausgesprochen. Damit gilt eine Mehrheit im Parlament für einen NATO-Beitritt als sicher. Auch die Bevölkerung befürwortet den Schritt laut jüngsten Meinungsumfragen inzwischen mehrheitlich.

Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete den geplanten NATO-Beitritt Finnlands in einem Telefonat mit Niinistö am Samstag als Fehler. Von Russland gehe keine Bedrohung für das Nachbarland aus, so Putin nach Kreml-Angaben bei dem Gespräch. Finnlands Abkehr von der traditionellen Neutralität werde zu einer Verschlechterung der bisher guten Beziehungen führen. Niinistö und Putin wurde in der Vergangenheit ein guter Draht nachgesagt.

Veto noch möglich

Finnland und Schweden sind heute bereits enge Partner der NATO, aber keine offiziellen Mitglieder. Blockiert werden könnte ihre Aufnahme in die Militärallianz theoretisch noch durch das Veto eines der Mitgliedsstaaten, die einstimmig über Aufnahmen entscheiden müssen. Kritisch hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geäußert, der Finnland und Schweden vorwarf, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistand (PKK) sicheren Unterschlupf zu bieten.

Deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, Vize-NATO-Generalsekretär Mircea Geoana und US-Außenminister Antony Blinken
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Annalena Baerbock mit NATO-Vizegeneralsekretär Mircea Geoana und US-Außenminister Antony Blinken

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sich irritiert über die Äußerungen aus Ankara gezeigt. Ihrer Ansicht nach müsste jedes demokratische Land eigentlich erfreut sein, wenn Demokratien mit starken Verteidigungsfähigkeiten das gemeinsame Bündnis stärker machten. An einem informellen NATO-Treffen in Berlin nahmen auch die Außenminister Schwedens und Finnlands, Pekka Haavisto und Ann Linde, als Gäste teil.

NATO-Außenministertreffen in Berlin
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Bei einem NATO-Treffen in Berlin war Schweden und Finnland zuvor ein schneller Beitritt in Aussicht gestellt worden

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu bekräftigte in Berlin die Vorbehalte seines Landes, sagte aber auch, dass die Türkei immer für eine „Politik der offenen Tür“ stehe. Haavisto sagte: „Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden.“ Später hieß es, die Türkei fordere für ein Ja zur Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO Sicherheitsgarantien. Zudem müssten Exportbeschränkungen aufgehoben werden. Darüber hinaus sollten beide Länder damit aufhören, Terrorismus zu unterstützen, sagte Cavusoglu. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich zuversichtlich, dass die Türkei den Beitritt nicht blockieren werde.

„Keine Hängepartie“

Baerbock hatte am Rande des informellen Treffens betont, Deutschland werde den Beitritt von Finnland und Schweden „sehr, sehr schnell“ ratifizieren. Auch andere Länder hätten entsprechende Signale ausgesandt. Ein Beitritt dürfe keine „Hängepartie“ werden, so Baerbock.

Die Regierungen in Helsinki und Stockholm sind besorgt über die Sicherheitslage ihrer Länder in der Zeit zwischen den Aufnahmeanträgen und dem Vollzug des Beitritts. In dieser Phase ist die Beistandspflicht laut Artikel 5 des NATO-Vertrags offiziell noch nicht in Kraft. Es müsse laut Baerbock zu einer raschen Ratifizierung kommen. Alle 30 NATO-Staaten müssen dem Beitritt Schwedens und Finnlands zustimmen, danach die Parlamente der Mitgliedsländer die Aufnahme ratifizieren.