Die Spitzenkandidatin der deutschen Grünen, Mona Neubaur
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Wahl in Nordrhein-Westfalen

CDU siegt, Grüne als mögliche Königsmacher

Bei der Landtagswahl im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) ist die CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst klar stärkste Kraft geworden. Den Prognosen von ARD und ZDF zufolge liegen die Christdemokraten deutlich vor der SPD mit Spitzenkandidat Thomas Kutschaty. Ob die CDU auch die nächste Regierung anführen kann, ist aber offen – Königsmacher könnten die Grünen werden.

Sie konnten sich gegenüber 2017 fast verdreifachen und erzielten durch einen Zugewinn im zweistelligen Bereich ein Rekordergebnis. Klar scheint: Die Grünen unter Spitzenkandidatin Mona Neubaur dürften bei der Regierungsbildung zu einem entscheidenden Faktor werden und eine Schlüsselrolle spielen. Denn sie könnten sowohl Wüst (er sprach angesichts des Resultats von einem „klaren Regierungsauftrag“) als auch den SPD-Spitzenkandidaten Kutschaty zum nächsten Ministerpräsidenten machen.

Die bisher mitregierende FDP erlitt dagegen schwere Verluste. Sie schaffte es gerade einmal über die Fünfprozenthürde – das Ergebnis der Liberalen ist damit mehr als halbiert. Und während die Partei um den Wiedereinzug in den Landtag zittern muss, hat die seit fünf Jahren regierende schwarz-gelbe Koalition den Prognosen zufolge keine Mehrheit mehr. Auch die AfD verzeichnet Verluste, die Linke verpasste erneut den Einzug in den Landtag.

CDU Spitzenkandidat Hendrik Wüst
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CDU-Spitzenkandidat Hendrik Wüst – er sieht einen „klaren Regierungsauftrag“

Grüne fast verdreifacht

Nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis gewannen die Christdemokraten 35,7 Prozent der Stimmen (2017: 33,0). Extreme Zugewinne verbuchten die Grünen, die ihr Ergebnis auf 18,2 Prozent fast verdreifachten (6,4 Prozent). Die Sozialdemokraten sackten dagegen ab, und zwar auf ihren historischen NRW-Tiefstand von 26,7 Prozent (31,2 Prozent). Die bisherige Regierungspartei FDP verlor so viel wie noch nie bei einer NRW-Landtagswahl und landete bei schwachen 5,9 Prozent (12,6 Prozent). Die AfD konnte sich mit 5,4 Prozent knapp im Landtag halten (7,4 Prozent). Die Linke, seit zehn Jahren nicht mehr im Landtag, bleibt mit 2,1 Prozent (4,9) draußen.

Die Sitze im neuen Landtag teilen sich wie folgt auf: CDU 76 (2017: 72), SPD 56 (69), Grüne 39 (14), FDP zwölf (28), AfD zwölf (16). Die Wahlbeteiligung lag bei 55,5 Prozent und war damit die niedrigste bei einer Landtagswahl in NRW überhaupt.

Grüne konnten mit Kernthemen punkten

Die Grünen punkteten laut ARD vor allem mit den ihnen zugeschrieben Kompetenzen in der Klima-, Energie- und Verkehrspolitik. Spitzenkandidatin Neubaur sagte, sie werde hart arbeiten für ihre Inhalte, vor allem den Kampf gegen die Klimakrise. Die Grünen profitierten von den Ampelparteien im Bund am stärksten. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock sind derzeit die beliebtesten Politiker im Bund.

Wichtiger Stimmungstest für Bundespolitik

Die Abstimmung im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland gilt als „kleine Bundestagswahl“ und wichtiger Stimmungstest für die Bundespolitik, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den neuen CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz. Wahlberechtigt waren 13 Millionen Bürgerinnen und Bürger, etwa ein Fünftel aller Wahlberechtigten in Deutschland.

SPD Spitzenkandidat Thomas Kutschaty
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SPD-Spitzenkandidat Kutschaty (vorne Mitte) will trotz Verlusten regieren

Obwohl die SPD trotz Verlusten in Nordrhein-Westfalen Machtansprüche anmeldet, wird das Ergebnis auch als Niederlage für Kanzler Scholz gewertet, der im Wahlkampf noch dazu eine aktive Rolle gespielt hatte. Auf Wahlplakaten für die letzten zwei Wochen der Kampagne waren Kanzler und Kandidat neben dem Slogan zu sehen: „Gemeinsam für NRW und Deutschland“. Scholz wird am Montag erklären müssen, wie viel Verantwortung er für die Wahlniederlage bei sich sieht.

Rückenwind für Merz, Lindner unter Druck

Rückenwind bedeutet das Ergebnis für die CDU und Parteichef Merz. Er schrieb am Abend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Die CDU ist zurück, unser nach vorn gerichteter Kurs wurde bestätigt.“ Im Bund dürfte nun vor allem die FDP mit Parteichef Christian Lindner unter Druck geraten. Der Finanzminister hatte zuletzt immer wieder selbst in seinem Heimatland für die FDP geworben. Er sprach am Sonntag von einem traurigen Abend und einer „desaströsen Niederlage“.