NATO-Hauptquartier in Brüssel
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NATO-Beitritt

Große Schritte von Finnland und Schweden

In Schweden und Finnland kommen am Montag die jeweiligen Parlamente zu Debatten über einen NATO-Beitritt der beiden skandinavischen Länder zusammen. Die Sozialdemokraten von Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson sprachen sich am Sonntag in einer historischen Kehrtwende für einen Beitritt des Landes in die Militärallianz aus. In Finnland gibt es bereits eine Regierungseinigung auf einen NATO-Beitrittsantrag, die Zustimmung im Parlament gilt als fix.

Mit einer Entscheidung zum Beitrittsantrag der schwedischen Regierung ist möglicherweise am Montag nach der Debatte im Reichstag in Stockholm zu rechnen. Mit Zustimmung der Sozialdemokraten zeichnet sich dort eine breite Mehrheit ab. Die Partei hatte jedoch bereits klargemacht, dass sie keine Atomwaffen oder dauerhafte NATO-Stützpunkte auf dem Territorium ihres Landes befürworten werde.

Die 200 Jahre währende Bündnisfreiheit habe ihrem Land gute Dienste erwiesen, so Schwedens Ministerpräsidentin Andersson am Sonntag, doch für die Zukunft sei das fraglich. „Wir sind in Europa mit einem fundamental veränderten Sicherheitsumfeld konfrontiert“, so die Sozialdemokratin. Sie fügte hinzu: „Die grundlegende Frage für uns ist, wie wir Schweden am besten schützen, und der Kreml hat gezeigt, dass er zu Gewalt bereit ist, um seine politischen Ziele zu erreichen (…).“

Pressekonferenz der Sozialdemokraten in Stockholm
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Ministerpräsidentin Andersson (2. v. r.) bei einer Pressekonferenz der schwedischen Sozialdemokraten in Stockholm

Zustimmung in Helsinki gilt als sicher

Die finnische Regierung von Ministerpräsident Sanna Marin ist bereits einen Schritt weiter. Marin einigte sich mit Staatspräsident Sauli Niinistö darauf, einen Antrag zu stellen, wie die beiden Politiker am Sonntag in Helsinki mitteilten. Die Zustimmung im finnischen Parlament gilt als sicher, nachdem sich Marins sozialdemokratische Partei am Samstag für den Schritt ausgesprochen hatte.

Die Debatte könnte sich nach Einschätzung von Fachleuten aber über mehrere Tage hinziehen. Mit Spannung wird nun erwartet, wann die beiden skandinavischen Länder offiziell um Aufnahme in das Militärbündnis bitten werden. Beide Regierungschefinnen hatten die Bedeutung eines gemeinsamen Vorgehens in der Frage betont. Andersson hatte sogar von einem gemeinsamen Antrag gesprochen.

„Historischer Tag“

Beide Länder wahrten jahrzehntelang Neutralität und waren bündnisfrei in militärischen Fragen. Der russische Angriffskrieg hat die Stimmung in der Bevölkerung aber zugunsten einer NATO-Mitgliedschaft gekippt. Finnlands Staatspräsident Niinistö sprach am Sonntag mehrfach von einem „historischen Tag“ für das skandinavische Land. „Ein neues Zeitalter beginnt“, so der Präsident.

Der finnische Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin
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Der finnische Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin

Finnland teilt sich mit Russland eine rund 1.300 Kilometer lange Grenze. Lange galt ein Beitritt in die Militärallianz als undenkbar – schließlich wollten es sich die Finnen nicht mit dem großen Nachbarn im Osten verscherzen. Doch der Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine führte bei den Politikern und in der Bevölkerung zu einem Umdenken.

Finnland nun offiziell für Beitrittsantrag

Die finnische Staatsspitze gab die Entscheidung für den Antrag am Sonntag bekannt, nun ist das Parlament am Zug. Die Zustimmung gilt als gesichert.

Der Entscheidung gingen eine intensive gesellschaftliche Debatte und umfassende politische Beratungen voraus. Sowohl Niinistö als auch Marin hatten zuletzt für den Beitritt in die Militärallianz geworben. Erst am Samstag hatte sich auch Marins sozialdemokratische Regierungspartei SDP für den Schritt ausgesprochen. Damit gilt eine Mehrheit im Parlament für einen NATO-Beitritt als sicher. Auch die Bevölkerung befürwortet den Schritt laut jüngsten Meinungsumfragen inzwischen mehrheitlich.

Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete den geplanten NATO-Beitritt Finnlands in einem Telefonat mit Niinistö am Samstag als Fehler. Von Russland gehe keine Bedrohung für das Nachbarland aus, so Putin nach Kreml-Angaben bei dem Gespräch. Finnlands Abkehr von der traditionellen Neutralität werde zu einer Verschlechterung der bisher guten Beziehungen führen. Niinistö und Putin wurde in der Vergangenheit ein guter Draht nachgesagt. „Das ist eine ernste Angelegenheit. Das ist eine Angelegenheit, die uns Sorgen macht, und wir werden sehr aufmerksam verfolgen, welche Folgen ein NATO-Beitritt von Finnland und Schweden mit Blick auf unsere Sicherheit (…) haben wird“, bekräftigte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag.

Veto noch möglich

Finnland und Schweden sind heute bereits enge Partner der NATO, aber keine offiziellen Mitglieder. Blockiert werden könnte ihre Aufnahme in die Militärallianz theoretisch noch durch das Veto eines der Mitgliedsstaaten, die einstimmig über Aufnahmen entscheiden müssen. Kritisch hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geäußert, der Finnland und Schweden vorwarf, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sicheren Unterschlupf zu bieten.

Deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, Vize-NATO-Generalsekretär Mircea Geoana und US-Außenminister Antony Blinken
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Annalena Baerbock mit NATO-Vizegeneralsekretär Mircea Geoana und US-Außenminister Antony Blinken

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sich irritiert über die Äußerungen aus Ankara gezeigt. Ihrer Ansicht nach müsste jedes demokratische Land eigentlich erfreut sein, wenn Demokratien mit starken Verteidigungsfähigkeiten das gemeinsame Bündnis stärker machten. An einem informellen NATO-Treffen in Berlin nahmen auch die Außenminister Schwedens und Finnlands, Pekka Haavisto und Ann Linde, als Gäste teil.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu bekräftigte in Berlin die Vorbehalte seines Landes, sagte aber auch, dass die Türkei immer für eine „Politik der offenen Tür“ stehe. Haavisto sagte: „Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden.“ Später hieß es, die Türkei fordere für ein Ja zur Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO Sicherheitsgarantien. Zudem müssten Exportbeschränkungen aufgehoben werden. Darüber hinaus sollten beide Länder damit aufhören, Terrorismus zu unterstützen, sagte Cavusoglu. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich zuversichtlich, dass die Türkei den Beitritt nicht blockieren werde.

Sicherheitsexpertin Tchakarova zu NATO und Russland

Finnland und Schweden wollen schnell in die NATO. Wie wird Moskau reagieren? In der ZIB2 nimmt Velina Tchakarova (Direktorin Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik) dazu Stellung.

„Keine Hängepartie“

Baerbock hatte am Rande des informellen Treffens betont, Deutschland werde den Beitritt von Finnland und Schweden „sehr, sehr schnell“ ratifizieren. Auch andere Länder hätten entsprechende Signale ausgesandt. Ein Beitritt dürfe keine „Hängepartie“ werden, so Baerbock.

Die Regierungen in Helsinki und Stockholm sind besorgt über die Sicherheitslage ihrer Länder in der Zeit zwischen den Aufnahmeanträgen und dem Vollzug des Beitritts. In dieser Phase ist die Beistandspflicht laut Artikel 5 des NATO-Vertrags offiziell noch nicht in Kraft. Es müsse laut Baerbock zu einer raschen Ratifizierung kommen. Alle 30 NATO-Staaten müssen dem Beitritt Schwedens und Finnlands zustimmen, danach die Parlamente der Mitgliedsländer die Aufnahme ratifizieren.