Militärparade in Pyongyang
AP/Korean Central News Agency/Korea News Service
Nordkorea

Militärparade als „Superspreader-Event“

Große Menschenmengen, keine Distanz: Die Militärparade vor drei Wochen zum Jubiläum der nordkoreanischen Armee war bombastisch wie stets die vom Regime angeordneten Feierlichkeiten. Nun rächt sich die Sorglosigkeit. Diktator Kim Jong Un musste erstmals Infektionen mit dem Coronavirus einräumen. Wegen der miserablen Versorgung im bettelarmen Nordkorea breitet sich das Virus rasant aus. Kim macht die Behörden dafür verantwortlich.

Am Donnerstag erst hatte das Regime in Pjöngjang eine CoV-Ausbruch eingeräumt, das erste Mal überhaupt. Das Land hatte sich Anfang 2020 noch mehr abgeschottet, um sich vor der Pandemie zu schützen. Nun breitet sich die sehr ansteckende Omikron-Variante BA.2 rasant aus, inzwischen starben laut nordkoreanischen Staatsmedien 50 Menschen, mehr als 1,2 Millionen sollen infiziert sein. Das Land hat knapp 26 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner.

In Pjöngjang ist von „Fiebererkrankungen“ die Rede. Fachleute wie Cheong Seong Chang vom südkoreanischen Sejong-Institut sagen aber, es sei „nicht übertrieben, all diese Fälle von ‚Fieber‘ als Covid-19-Erkrankungen zu betrachten“.

20.000 Menschen versammelt

Die Militärparade vom 25. April dürfte die Ausbreitung drastisch vorangetrieben haben. Eine Reihe von Soldaten wurden laut ausländischen Medienberichten im Anschluss positiv auf das Virus getestet. „Sie hatten hohes Fieber und akute Atemwegssymptome. (…) Nach Tests durch die Gesundheitsbehörden wurde bestätigt, dass sie mit der Omikron-Variante infiziert waren“, so ein anonymer Grenzschutzbeamter gegenüber Radio Free Asia: „Die meisten der positiv Getesteten sind Offiziere und Soldaten, die an der Parade am 25. April teilgenommen haben.“

Militärparade in Pyongyang
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Jubel für die Interkontinentalrakete: Bei der Parade Ende April waren 20.000 Menschen versammelt

Die Paraden in dem isolierten Land sind stets ein Fixpunkt im Veranstaltungskalender des totalitären Regimes. Farbenfroh und der Diktatorendynastie Kim gewidmet sind die Jahres- und Geburtstage gestaltet, hart und unnachgiebig die Militärparaden. Dieses Mal wurde der 90. Jahrestag der nordkoreanischen Armee begangen, ein Anlass, um die zahlreichen Raketen zu zeigen, die Nordkoreas Feinde fürchten sollen. Dort versammelt waren rund 20.000 Soldaten, ohne Distanz, ohne Masken.

Nordkorea: CoV breitet sich rasant aus

Auch das abgeschottete Nordkorea kämpft nun mit einem größeren Ausbruch des Coronavirus.

Gesundheitssystem am Boden

Kim ließ nun drastische Maßnahmen umsetzen, bei einer Dringlichkeitssitzung des Politbüros hieß es, das Land werde ein „maximales“ Quarantäneprotokoll einführen. Ziel sei es, die „Wurzel innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen“. Kim rief zu strengeren Grenzkontrollen und Abriegelungsmaßnahmen auf.

Militärparade in Pyongyang
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Nach dem „Superspreader-Event“ lässt sich die CoV-Welle nur noch schwer brechen

Der staatliche Nachrichtenagentur KCNA zufolge forderte der Diktator die Behörden auf, „die Ausbreitung des bösartigen Virus vollständig zu verhindern, indem sie ihre Gebiete in allen Städten und Bezirken des Landes gründlich abriegeln“. Alle wirtschaftlichen Tätigkeiten würden so organisiert, dass jede Produktionseinheit „isoliert“ sei, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.

Doch das Land verfügt nach Jahrzehnten der Armut und Isolation über eines der schlechtesten Gesundheitssysteme der Welt. Die Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet und verfügen nur über wenige Intensivstationen. Medikamente zur Behandlung von Covid-19 und Kapazitäten für Massentests sind gar nicht vorhanden. Impfstoffangebote von China und der Weltgesundheitsorganisation wurden bisher zudem abgelehnt. Nach den Meldungen über den Omikron-Ausbruch im Land haben sowohl die Regierung in Peking als auch Südkorea der Führung in Pjöngjang erneut Impfstoffe angeboten.

Militär soll eingreifen

Dass sich die Welle noch brechen lässt, scheint unwahrscheinlich. Trotz drastischer Maßnahmen meldet Nordkorea aber täglich hohe Zahlen neuer Fälle in der ungeimpften Bevölkerung. In der Folge übte Kim schwere öffentliche Kritik an den eigenen Gesundheitsbehörden. Die zuständigen Beamten hätten eine „unverantwortliche Arbeitseinstellung“, zitierte ihn KCNA. So kritisierte er besonders, dass die Apotheken nicht rund um die Uhr geöffnet seien. Die Beamten hätten zudem „die Ärmel nicht aufgekrempelt und die aktuelle Krise nicht richtig erkannt“.

Für Fachleute ist die scharfe Kritik ein Anzeichen dafür, dass die Lage ernst ist, insbesondere ohne internationale Hilfe. Nun soll zunächst das Militär eingreifen. Kim soll angeordnet haben, dass die Armee die Medikamentenversorgung in Pjöngjang „sofort stabilisiert“, so KCNA am Montag.