Passagierflugzeuge über einem Flughafen
Reuters/Darrin Zammit Lupi
Zukunft des Fliegens

Die größten Hürden der Treibstoffwende

Die Luftfahrt gilt als eine der klimaschädlichsten Formen der Mobilität – und lässt sich dennoch aus dem Leben vieler Menschen nicht wegdenken. Während es bis zum Einsatz von E-Passagierflugzeugen noch dauern wird, gelten daher nachhaltige Kerosinalternativen als große Hoffnungsträger der Branche. Die Technologien gibt es bereits – ihr flächendeckender Einsatz scheitert aktuell aber noch an anderen Herausforderungen.

Bereits jetzt arbeitet die Flugbranche emsig daran, ihr Image als Klimasünder loszuwerden. So werden Fluggästen etwa freiwillige CO2-Kompensationszahlungen oder die Finanzierung nachhaltiger Projekte für jeden Flug in Aussicht gestellt, den sie in Anspruch nehmen. Der Begriff „Flygskam“ („Flugscham“), der 2017 in Schweden eingeführt wurde, hat sich trotzdem auch im deutschsprachigen Raum durchgesetzt – denn dass beim Fliegen CO2 entsteht, ist bereits den meisten Menschen bewusst. Laut aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es aber noch einen schwerwiegenderen Nachteil: die Bildung von Kondensstreifen.

„Die meisten Flüge finden am Übergang der Troposphäre zur Stratosphäre statt, die in mittleren Breiten in elf Kilometern Höhe liegt. Das ist ökonomisch günstig, es gibt aber einen Nachteil: Bei der Verbrennung von Kerosin entsteht Wasser, das in dieser Höhe nicht selten zur Bildung von Eiswolken führt, die als Kondensstreifen sichtbar werden“, so die Erklärung von Martin Berens, Stiftungsprofessor für Luftfahrzeugsysteme an der TU Wien. „Die aufheizende Wirkung der durch die Luftfahrt gebildeten Wolken wird von Experten als größer eingeschätzt als die der CO2-Emissionen der Luftfahrt.“

Infografik zu Luftverkehrsemissionen
Klimaschutz-Portal/UBA/ORF.at

Emissionen von Auto und Flugzeug schwer zu vergleichen

Der Anteil der Flugbranche am CO2-Ausstoß der EU wird zwar auf „nur“ 3,8 Prozent geschätzt, womit die Luftfahrt hinter dem Straßenverkehrssektor (15 Prozent) liegt. Ob Fliegen oder Autofahren klimaschädlicher ist, kommt laut Berens jedoch auf mehrere Faktoren an, etwa auf die Auslastung pro Auto oder Flugzeug.

Bei typischen Auslastungen seien die CO2-Emissionen von modernen Flugzeugen pro Passagier und Strecke nicht höher als die eines modernen Mittelklasseautos mit Verbrennungsmotor, in dem nur eine Person sitzt. „Man sollte dabei nicht Äpfel mit Birnen vergleichen“, so Berens. Die Luftfahrt sei zwar energieintensiv, werde aber immer besser. Mit langsameren und effizienteren Verkehrsträgern wie Bahn oder Reisebus könne sie aber trotzdem nicht mithalten.

Sustainable Aviation Fuels als Hoffnungsträger

Geht es nach Berens, könnten sich Nachhaltigkeit und Fliegen in Zukunft aber sehr wohl vereinbaren lassen. Sowohl für den hohen CO2-Ausstoß als auch für die Bildung der Kondensstreifen gebe es bereits Lösungsstrategien. Da die Entstehung von Wasserdampf auch geografisch bedingt ist, könnten bereits kleine Änderungen in der Flughöhe und Streckenführung helfen.

Es gibt aber auch noch eine andere Lösung, die sowohl Wasserdampf als auch CO2 spart: die Sustainable Aviation Fuels (SAF), die als Hoffnungsträger der Branche gelten. Sie werden beispielsweise aus gebrauchtem Speiseöl hergestellt und haben eine bessere Klimabilanz, da die Pflanzen selbst CO2 aus der Luft binden. Auch SAF, die auf Abfällen oder Fetten basieren, werden bereits auf freiwilliger Basis von Fluggesellschaften eingesetzt.

Infografik zur Herstellung von Biokerosin (SAF)
Qantas/ORF.at

„Bei Drop-In-SAF, also synthetisch erzeugtem Kerosin, ist die Dichte der Wolken deutlich geringer, es entsteht eine kleinere Anzahl von Rußpartikeln, und dadurch bilden sich weniger Kondensstreifen“, so Berens. Damit die Produktion von SAF nicht mit dem Anbau von Nahrungspflanzen konkurriere und auch wirklich eine Kreislaufwirtschaft entstehe, sei ein Fokus auf gebrauchtes Speiseöl oder Restmüll wichtig.

EU-Kommission: SAF-Beimischung wird verpflichtend

Auch die EU-Kommission setzt im Rahmen ihrer „Fit for 55“-Initiative auf SAF, um die Luftfahrt langfristig zu dekarbonisieren. Bereits in drei Jahren sollen alle EU-Staaten verpflichtet werden, mindestens zwei Prozent SAF bereitzustellen. Die Austrian Airlines (AUA) mischen dem herkömmlichen Kerosin bereits seit Anfang März im Rahmen einer OMV-Kooperation SAF bei, das auf Altspeiseöl basiert.

Auf diese Weise können mit den gleichen Pipelines, Maschinen und Flugzeugmotoren laut Anna Pachinger von der AUA Emissionen im Ausmaß von 80 Prozent eingespart werden. Ganz CO2-neutral sei auch dieses Kerosin zwar noch nicht, räumt Pachinger ein, die bei der AUA für Nachhaltigkeitsthemen zuständig ist. Es sei aber einer der wichtigsten Hebel, um schrittweise von fossilen Ausgangsstoffen wegzukommen.

Nachhaltiges Fliegen ist teuer

Da die bestehende Infrastruktur weiter verwendet werden kann, merke weder der Pilot noch der Passagier einen Unterschied, zieht Pachinger Bilanz. Einzig beim Preis sei die Umstellung spürbar. „Wir würden von heute auf morgen mit 100 Prozent SAF fliegen, wenn es verfügbar und leistbar wäre“, so Pachinger. Aktuell kostet das alternative Kerosin das fünf- bis neunfache des herkömmlichen Treibstoffes Jet A-1 Fuel – und die AUA setzt in der Finanzierung auf eine freiwillige Ausgleichszahlung der Passagiere.

„Das ist wie im Supermarkt – wenn ich Biofleisch kaufe, zahlt auch nicht der Supermarkt den Aufpreis, sondern das zahle ich selber“, sagt Pachinger. Passagiere der AUA könnten so schon heute CO2-neutral fliegen, indem sie selbst zur Aufzahlung für SAF beitragen. Bei der Flugstrecke Wien-Hamburg beliefen sich die Kosten bei 100 Prozent SAF beispielsweise auf etwa 50 Euro. Man hoffe aber auch auf politische Lenkungsinstrumente und darauf, dass sich die Preise langfristig einpendeln würden. „Die Kosten sind aktuell aber nicht das größte Problem“, so Berens, „sondern eher die verfügbaren Mengen. Der kommerzielle Betrieb von Flugzeugen mit 100 Prozent SAF ist aktuell noch nicht machbar.“

Passagierjet wir betankt
Reuters/Gary Hershorn
Künftig sollen Flugzeuge nicht mehr ausschließlich mit fossilem, sondern auch mit nachhaltigem Kerosin betankt werden

Ganz CO2-neutral mit Flüssigtreibstoff aus Strom

SAF kann auf verschiedene Arten hergestellt werden. Synthetische Kraftstoffe lassen sich mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren aus Wasserstoff und Kohlendioxid herstellen, wofür viel Wasserstoff benötigt wird – der meist aus Erdgas erzeugt wird. Als eine der vielversprechendsten Möglichkeiten, um künftig ganz CO2-neutral zu fliegen, gilt der Ausbau von Power-to-Liquid-Verfahren. Durch Strom aus Wasser- oder Windkraft entsteht hierbei im Syntheseprozess künstliches Kerosin und Benzin.

„Damit kann die Klimawende in der Flugbranche gelingen“, zeigt sich Berens optimistisch. Im Gegensatz zu anderen Verfahren würden hierfür bei der Kohlenstoffgewinnung nur Rohstoffe verwendet, die nicht für andere Zwecke auch verwendet werden können. Die Mengen von regenerativer Energie, die für diese Herstellungsverfahren benötigt werden, seien aber noch sehr hoch. „Man braucht hier im Megawattbereich arbeitende Windanlagen“, so Berens.

Infografik zur Herstellung von flüssigem Flugkraftstoff aus Strom
Klimaschutz-Portal/ATAG/ORF.at

Größere E-Flugzeuge wohl erst ab 2030

Eine weitere Alternative wäre die Elektrifizierung der Luftbranche. Kleine elektrische Flugzeuge für Pilotenausbildungsflüge gibt es bereits: Die slowenische Velis Electro von Pipistrel bekam 2020 die Typzulassung von der europäischen Agentur für Flugsicherheit und kommt auch in Österreich zum Einsatz. Und noch in diesem Jahr soll das Elektroflugzeug Alice des amerikanisch-israelischen Unternehmens Eviation bis zu neun Passagiere transportieren.

Wegen der hohen Energie und der geringen Energiedichte der Lithium-Ionen-Akkus gestaltet sich die Elektrifizierung kommerzieller Flüge aber schwierig. „Das wird sich alles vorerst nur im Regionalverkehr abspielen“, prognostiziert Pachinger für die AUA. „In den nächsten Jahrzehnten wird es noch keine Flugzeuge geben, die Wien mit New York verbinden können. Um eine Langstreckenmaschine hochzubekommen, bräuchte man Batterien im Ausmaß von mehreren Fußballfeldern.“

Auch Einsatz von Wasserstoff möglich

Abhilfe schaffen könnte der Einsatz von Wasserstoff. Wie bei Autos plane man bereits, Brennstoffzellen einzusetzen, in denen Wasserstoff und Luftsauerstoff in elektrischen Strom umgewandelt werden, so Berens. Dieser betreibt die elektrischen Motoren, die wiederum die Propeller antreiben. „Bei Mittelstreckenflügen kann die Wasserstofftechnologie noch interessant werden“, so Berens.

Im Gegensatz zum Straßenverkehr denke man hier aber eher in Richtung flüssigen Wasserstoffs, der bei minus 250 Grad Celsius gekühlt werden muss. „Tiefkalter, flüssiger Wasserstoff hat nur ein Drittel des Gewichts von Kerosin bei gleichem Energiegehalt. Die Volumina, die man zur Speicherung braucht, sind jedoch riesig – viermal größer als bei Kerosin.“ Man könne den Kraftstoff auch nicht einfach in die Tragflächen einfüllen, sondern benötige spezielle Tanks.

Passagierflugzeug
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Flugzeuge werden tendenziell immer größer – sie elektrisch zu betreiben ist darum eine Herausforderung

Bereits bestehende Technologien ausbauen

Bereits gebaute Demonstratoren hätten bereits gezeigt, dass die Technik prinzipiell funktioniere – die Herausforderung liege jetzt darin, zu skalieren. „Airbus ist optimistisch, dass bis 2035 ein Flug auf Wasserstoffbasis auf den Markt kommt, aber bis dahin dürfen wir nicht untätig bleiben“, so Berens. Es gelte in den nächsten Jahren, die Technologien auszubauen, die es bereits gibt – wie etwa den vermehrten Einsatz von Propellerflugzeugen und SAF.

„In der Flugzeugentwicklung wird auch aus wirtschaftlichen Gründen weiter daran geforscht werden, wie man effizienter fliegen kann“, so die Prognose Pachingers. In der AUA möchte man künftig neben dem potentiellen Einsatz von Flüssigtreibstoff aus Strom auch beim Flugbetrieb selbst ansetzen.

„Man muss das Problem von allen Seiten angehen und alle Hebel in Bewegung setzen“, ist auch Berens überzeugt. „Durch den Umstieg auf regenerative Kraftstoffe wird Fliegen teurer, weshalb in Europa eine teilweise Verlagerung des Verkehrs auf andere Verkehrsträger wie die Bahn erfolgt – was ja nicht unbedingt schlecht ist.“