Treffen der EU-Außenminister in Brüssel
AP/Olivier Matthys
EU-Außenminister

Ölembargo in der Warteschleife

Das EU-Embargo für russisches Öl ist offenbar immer noch nicht in Griffweite: Auch ein Treffen der Außenministerinnen und -minister am Montag in Brüssel brachte kein Ergebnis. Das Thema stand gar nicht auf der Tagesordnung, überschattete aber erwartungsgemäß alle anderen Punkte. Ungarn forderte mehrere Milliarden Euro für ein Ja zum Ölembargo. Weitere Debatten sind wohl nicht zu vermeiden – auch Alternativen werden diskutiert.

Auch der ukrainische Außenminister, der für das Treffen nach Brüssel gereist war, konnte nichts am Ergebnis ändern: „Wir sind alle neugierig, wie diese Saga endet“, sagte Dmytro Kuleba im Hinblick auf das Sanktionspaket der EU, das nun vor fast zwei Wochen angekündigt wurde, aber nicht verabschiedet werden kann. Die Ukraine und Ungarn hätten über Jahrhunderte „als Nachbarn“ gelebt, und es gebe eine „Vielzahl an Gefühlen“ zueinander. Es liege aber an der EU, den momentanen Konflikt zu lösen, so Kuleba.

Dieser eskalierte am Montag weiter: Budapest machte eine Zustimmung von einer milliardenschweren Unterstützung für Ungarn abhängig. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sprach in einer auf Facebook veröffentlichten Videobotschaft von Investitionen in Höhe von 15 bis 18 Milliarden Euro, die für die Abkehr seines Landes vom russischen Öl nötig seien. Es sei „legitim“, dass Ungarn einen Vorschlag der EU-Kommission erwarte, sagte Szijjarto, der ebenfalls in Brüssel war.

Borrell bedauert fehlende Einigung

Kuleba sprach rund zweieinhalb Stunden mit den Ministerinnen und Ministern, ehe er das Ratsgebäude in Brüssel wieder verließ und darauf hinwies, dass es noch keine Einigung gebe. Nach insgesamt zehn Stunden informierte EU-Außenbeauftragte Josep Borrell über den Stand der Dinge: Leider habe man bei den Sanktionen keine Einigung erzielt, so Borell. Es gebe keine Einstimmigkeit – nun werde das Paket wieder zwischen den EU-Botschaftern verhandelt, so der Außenbeauftragte.

Die kanadische Außenministerin Melanie Joly, der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell
APA/AFP/Stephanie Lecocq
Kanadas Außenministerin Melanie Joly, der ukrainische Minister Kuleba und EU-Außenbeauftragter Borrell (v. l. n. r.) besprachen die Lage

Schon im Vorfeld hatte Borrell die Erwartungen gebremst: „Wir werden unser Bestes tun, um die Blockade aufzuheben. Ich kann nicht garantieren, dass es dazu kommen wird, denn die Positionen sind ziemlich fest.“ Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erwartete eine Einigung „in den nächsten Tagen“. Ein „gewisser Diskussionsbedarf“ sei „ganz klar“, nicht alle Staaten seien gleich schwer betroffen, so Schallenberg im Vorfeld.

EU betont Geschlossenheit

„Die Debatte sollte dort geführt werden, wo sie geführt werden sollte, nämlich hinter geschlossenen Türen im Rat, und wir dann an die Öffentlichkeit treten, wenn wir eine Einigung haben.“ Ein „gemeinsames Auftreten“ und „Geschlossenheit“ der EU-Staaten seien für Schallenberg „das Wesentliche“, das habe man „bisher auch geschafft“. Man dürfe in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck von Uneinigkeit erwecken. „Russland beobachtet uns.“

Nicht nur Schallenberg sprach im Vorfeld – allerdings noch vor Ungarns neuen Forderungen – von einer erwarteten Einigung in den kommenden Tagen. Auch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock sah eine Einigung „in den nächsten Tagen“ und betonte die Einigkeit in der EU: „In diesen Zeiten stehen wir als Europäerinnen und Europäer trotz aller Unterschiede so eng zusammen, wie ich es bisher noch nie erlebt habe.“

Doch zumindest beim Ölembargo dürfte die beschworene Einigkeit derzeit noch nicht in Griffweite sein. Im Raum steht nach wie vor die Variante, dass das Ölembargo vom sechsten Sanktionspaket der EU abgekoppelt wird. Die Ukraine hält von diesem Vorschlag allerdings nicht viel: „Ich glaube nicht, dass das sechste Sanktionspaket ohne Ölembargo verabschiedet werden kann“, so Kuleba im Anschluss an das Ministertreffen.

Kuleba: EU zahlt „doppelt“

Die Verhandlungen der EU-Staaten über ein Ölembargo hatten eigentlich bereits vor mehr als einer Woche abgeschlossen werden sollen. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, wegen des Ukraine-Krieges den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten und den von Ölprodukten in acht Monaten zu beenden. Ungarn und die Slowakei sollten 20 Monate Zeit bekommen.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zu Besuch in Brüssel
ORF.at/Florian Bock
Kuleba sagte, die EU zahle durch ihre Öl- und Gaszahlungen an Russland „doppelt“

Nachbesserungsangebote konnten Ungarn bisher nicht zu einer Aufgabe der Blockade bewegen. Kuleba sagte, dass die Zeit dränge und Russland weiterhin Geld erhalte. Die EU zahle dadurch „doppelt“: einerseits für die Unterstützung Kiews und dann für die Zerstörung durch russische Waffen auf ukrainischem Boden, so Kuleba. Sanktionen für Öl- und Gasimporte seien im „besten Interesse Europas, nicht nur der Ukraine“, so der Minister weiter.

Unterstützung aufgestockt, auch Westbalkan Thema

Einiger gab man sich bei anderen Themen am Montag: Beschlossen wurden weitere 500 Millionen Euro für Waffenlieferungen an Kiew. Die Finanzmittel für die Militärhilfe kommen aus der Europäischen Friedensfazilität. Sie ist ein neues Finanzierungsinstrument der EU, das auch genutzt werden kann, um die Fähigkeiten von Streitkräften in Partnerländern zu stärken. Auch Kanadas Außenministerin Melanie Joly war zu Gast und besprach die Beziehungen mit der EU. Joly war auch bei den Gesprächen mit dem ukrainischen Außenminister anwesend.

Großer Themenbereich war auch der Westbalkan – Zusagen seien „angesichts der derzeitigen Umstände“ besonders wichtig, so Borrell. Schallenberg hatte im Vorfeld gefordert, „endlich Nägel mit Köpfen zu machen“. Der Region müsse klar signalisiert werden: „Eure Zukunft ist innerhalb der Europäischen Union“, so Schallenberg.