Bundesgesetz über die Gründung der interdisziplinären Technischen Universität für Digitalisierung und digitale Transformation
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Begutachtung endet

Auf neue Uni in Linz prasselt Kritik nieder

Die gesetzliche Grundlage für die neue Technische Universität (TU) in Linz mit Schwerpunkt Digitalisierung stößt auf scharfe Kritik. Am Dienstag endet die wichtige Begutachtung zum Gesetzesentwurf. In den Stellungnahmen sorgt insbesondere die geplante Sonderstellung der neuen Uni für Entsetzen. In Sachen Anfangsfinanzierung könnte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

Öffentliche Universitäten unterliegen dem Universitätsgesetz. Darin ist auch die Finanzierung der Hochschulen festgelegt. Die neue TU in Linz soll diesem Regime zwar nicht unterliegen, in den Gründungsjahren allerdings 18,4 Millionen Euro aus der „Ministerreserve“ erhalten – das ist der Notfalltopf für besondere Finanzierungserfordernisse der Unis. Unter den Hochschulen breitet sich Ärger aus. Denn diese besonderen Mittel müssten jenen Universitäten, die eben dem Universitätsgesetz unterliegen, „in voller Höhe zur Verfügung gestellt“ werden.

Das Wissenschaftsministerium verwies mehrmals darauf, dass die Finanzierung der neuen TU über die Johannes Kepler Universität (JKU) Linz laufe. So würde das Geld eben der JKU für die organisatorischen Maßnahmen zufließen (die TU soll auf dem Campus der JKU entstehen). Zudem sei die „Ministerreserve“ laut Ressort für die Finanzierung von laufenden Projekten gedacht. Dass die JKU Linz eine neue Uni, die nicht unter das Regime des Universitätsgesetzes fällt, zu Beginn finanzieren soll, sorgt unter den Kritikern allerdings für Kopfschütteln.

Womöglich rechtswidrige Konstruktion

Die Präsidentin der Universitätenkonferenz (uniko), Sabine Seidler, hatte diese Finanzierungskonstruktion als „skandalös“ bezeichnet – mehr dazu in ooe.ORF.at. Auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprachen unter Zusicherung ihrer Anonymität von einem „wissenschaftspolitischen Skandal“. Die Universität Wien schrieb in ihrer Stellungnahme, dass dieser Plan rechtswidrig sein könnte. Außerdem würden die Universitäten aufgrund der hohen Inflation dringend diese „ihnen gesetzlich zustehenden“ Mittel benötigen.

Die Anfangsfinanzierung ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Ab 2024 soll es ein eigenes Budget für die TU geben. Dazu soll zwischen Bund und Land Oberösterreich eine 15a-Vereinbarung abgeschlossen werden. Nach Ansicht des Rechnungshofes (RH) in Oberösterreich bleiben jedoch hier viele Fragen offen – mehr dazu in ooe.ORF.at. Dem Landes-RH sei derzeit nämlich keine Finanzierungsplanung der Landesbehörden bekannt, die über die weitere Vorgehensweise Aufschluss geben könnten. Auch für den Bundes-RH sind die Pläne mangels Details nicht nachvollziehbar.

Überdies wird der Bund vom Landes-RH dafür kritisiert, dass dieser „entgegen seiner verfassungsrechtlich verankerten Verantwortung (…) die Realisierung von universitären Einrichtungen davon abhängig macht, dass sich ein Bundesland daran finanziell beteiligt“. Der Verfassungsdienst verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass „sowohl die Errichtung als auch die Finanzierung von (staatlichen) Universitäten in die alleinige Zuständigkeit des Bundes fallen“.

TU mit Superlativen angekündigt

Die Geschichte der neuen Technischen Universität in Linz reicht nicht lange zurück. Vom damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurde sie im Sommer 2020 angekündigt. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) versprach sich durch die neue TU eine Weiterentwicklung des Wirtschafts- und Industriestandortes. Dementsprechend zeigte sich die Wirtschaft über die Pläne ein Jahr vor der Landtagswahl 2021 erfreut. Mit Superlativen wurde jedenfalls nicht gespart. Die Industrie sprach von einer „Jahrhundertchance“, die Politik von einer Uni „völlig neuen Typs“.

Weniger angetan waren schon damals die Universitäten. Die große Frage lautete in erster Linie: Wozu? Gibt es doch schon drei große Technische Unis in Österreich und genügend Informatikstudienplätze. Gut eineinhalb Jahre und ein „Konzeptgruppenbericht“ später wurde das Gründungsgesetz in Begutachtung geschickt. Mit lediglich drei Wochen (22 Kalender- und 16 Arbeitstage) wurde die Frist für etwaige Stellungnahmen sehr knapp bemessen. Das Gesetz soll auch bereits im Sommer dieses Jahres in Kraft treten und vorübergehend gelten.

Die endgültigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die TU sollen dann rechtzeitig vor Aufnahme des Betriebs 2023/24 festgelegt werden, heißt es im Entwurf. Die neue Universität soll, so der Plan, sowohl Bachelor- als auch Master- und Doktoratsstudien wie auch Universitätslehrgänge anbieten dürfen. Als Ziele werden 5.000 Studierende im Studienjahr 2030/31 bzw. 6.300 Studierende sowie 150 Professorinnen und Professoren bis 2036/37 ausgegeben. Dann soll die „interdisziplinäre Technische Universität für Digitalisierung und digitale Transformation“ schon lange im Vollbetrieb sein.

Verfassungsdienst: Querschnittsmaterie

Aber gerade der Name der neuen Uni lässt noch sehr viel Spielraum für Interpretationen offen. Laut der Rechtsexpertise aus dem Kanzleramt handelt es sich bei der Digitalisierung und der digitalen Transformation um eine Querschnittsmaterie, die allen Universitäten zugedacht sei. Deshalb stellt sich die Frage, welches Alleinstellungsmerkmal die neue Uni in Österreich haben wird. Der Verfassungsdienst spricht hier von einer „Abgrenzung“ zu den anderen Hochschulen, die bereits jetzt ersichtlich sein müsste.

Doch in den Erläuterungen zum Entwurf wurde festgeschrieben, dass der Wirkungsbereich der neuen Uni nur „rudimentär“ definiert sein soll. Die exakte inhaltliche Ausarbeitung erfolgt erst später, wenn das Gesetz zur Organisation feststeht. Der Verfassungsdienst, der in seinen Stellungnahmen eine moderate Tonalität verfolgt, nennt diesen Plan „bemerkenswert“. Spätestens mit einer weiteren rechtlichen Regelung wird sich die Frage des Inhalts ohnehin erneut stellen.

Ein weiterer Zankapfel könnte die Rechtsbeziehung der Studierenden zur neuen Uni darstellen. Denn laut Entwurf soll diese – analog zu Fachhochschulen und Privatunis – privatrechtlicher Natur sein. Kurzum: Eine scheinbar öffentliche Universität hat einen privaten Charakter. Der Verfassungsdienst hält dazu fest: Studierende an der neuen Uni in Linz würden anders behandelt werden als jene an den übrigen öffentlichen Universitäten. „Erstere wären im Ergebnis rechtsschutztechnisch ungünstiger gestellt“, so die Rechtsfachleute. Eine derartige Ungleichbehandlung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung.

Politischer Einfluss auf „Leuchtturmuniversität“?

Eine andere Frage, die in den Stellungnahmen aufgeworfen wird, lautet: Wird die neue TU einer „Leuchtturmuniversität“, wie sie in den Gesetzesunterlagen angeführt wird, entsprechen? Insbesondere aus Oberösterreich kommen kritische und skeptische Stimmen. Der Senat der JKU begrüßt zwar die Gründung einer neuen Universität, begegnet den vorgelegten Plänen allerdings „mit großer Sorge“, wie es in der Stellungnahme heißt. Im Gesetz zeichne sich, so der JKU-Senat, die Tendenz zu einer „Rückbildung der Autonomie und einer Öffnung gegenüber politischem Einfluss ab“.

Der Gesetzesentwurf atme ein „unzeitgemäßes Misstrauen gegenüber Wissenschaft und Wissenschaftler*innen“. Die Sonderstellung der TU außerhalb des Universitätsgesetzes und des Kollektivvertrages werde die Freiheit von Wissenschaft und Lehre gefährden. Insbesondere durch die geplante Zusammensetzung des Gründungskonvents wird die neue Uni dem „Zugriff der Politik“ ausgesetzt: Drei Mitglieder werden auf Vorschlag des Bildungsministers bestellt, je zwei dürfen das Land Oberösterreich und die Infrastrukturministerin vorschlagen. Lediglich zwei Mitglieder könnten aus der Forschung kommen.

Auch die Kunstuniversität Linz teilt die Meinung des JKU-Senats. Dass die Universitätslandschaft erweitert werden soll, sei kein Problem. Die TU könne sogar eine „besondere Chance“ sein – allerdings wird der Entwurf den Erwartungen und Ansprüchen nicht gerecht. Da für die TU keine gesetzlichen Qualitätsvoraussetzungen vorgesehen sind, stelle sich die Frage, „wie eine Qualitätssicherung erfolgen soll und kann“. Die privatrechtliche Konstruktion schaffe kein Klima des Vertrauens.

Interdisziplinarität als „leere Hülle“

Der Dekan der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der JKU Linz, Kurt Schlacher, stößt sich bereits an der inhaltlichen Ausrichtung der geplanten TU. Diese wurde von einer Konzeptgruppe unter dem damaligen ÖVP-Minister Heinz Faßmann erstellt. Nach der Meinung Schlachers passe die Bezeichnung „Technische Universität“ nicht zu der im Konzeptpapier beschriebenen Universität. Denn interdisziplinäre Wissenschaften basierten auf der Exzellenz ihrer Basiswissenschaften. Diese würden im vom Bildungsministerium aufgetragenen Papier aber gänzlich fehlen. „Interdisziplinarität für sich alleine gesehen ist eine Hülle ohne Inhalt und damit kein Alleinstellungsmerkmal.“

Ähnlich äußerte sich auch der JKU-Betriebsrat in einer Stellungnahme, der laut eigenen Angaben von 328 Beschäftigten unterstützt wird. Man sei bestürzt, dass es auf Basis des Konzeptpapiers überhaupt zu einem Gesetzesentwurf gekommen ist. Die neue – unter Anführungszeichen geschrieben – Universität könne „politisch als Probelauf für eine Umgestaltung der österreichischen Universitäten genutzt werden“, heißt es im Schreiben. Deshalb wird der Entwurf gänzlich abgelehnt.

Nach der Begutachtung des Entwurfs liegt es an ÖVP-Wissenschaftsminister Martin Polaschek, ob der vorliegende Text noch geändert wird oder in dieser Form bestehen bleibt. Anfang Mai hatte Grünen-Bildungssprecherin Eva Blimlinger angekündigt, die umstrittene Verwendung der „Ministerreserve“ nach Ende der Begutachtung zu diskutieren. Ist diese Frage geklärt, wird eine Regierungsvorlage dem Ministerrat präsentiert und anschließend dem Parlament zugeleitet, wo darüber abgestimmt wird.