Leere Wohnung
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Steigende Zinsen

Immobilienkredite werden riskanter

Für die Finanzierung von Immobilien ist der Wind in den letzten Jahren wegen niedriger Kreditzinsen günstig gewesen. Das könnte sich bald ändern. Die Zeichen stehen auf steigende Zinsen, damit werden Darlehen teurer. Was in der Kalkulation oft vergessen wird: Jeder halbe Prozentpunkt mehr kann in Summe große Auswirkungen haben und ein Loch in die Haushaltsrechnung reißen.

Der Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) bewegte sich die letzten Jahre entlang der Nulllinie, der gleichfalls häufig als Richtschnur für Kredite herangezogene Referenzzinssatz EURIBOR darunter. Fazit: Darlehen waren gleich um mehrere Prozent günstiger als vor der großen Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008. Es wurde viel gekauft und gebaut, laut Statistik der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) sind aktuell über 130 Mrd. Euro an Immobilienkrediten offen.

Nun, mit einer stark gestiegenen Teuerungsrate von laut letzter Schnellschätzung der Statistik Austria 8,0 Prozent im Mai, ist eine Anhebung des Leitzinssatzes als „Gegenmittel“ durch die EZB nur eine Frage der Zeit. Für Kredite bedeutet das: Nicht nur Neuabschlüsse werden teurer, sondern vor allem auch Darlehen mit variablen Zinssätzen bzw. gemischten Modellen.

Variable Zinsen und die Folgen

Auf Anfrage der APA hatte die OeNB kürzlich aufgeschlüsselt, wie viel des offenen Kreditvolumens für Immobilien auf fixe und wie viel auf variable Modelle entfällt: Das Ergebnis: Sechs Prozent sind über die gesamte Laufzeit fix verzinst, 44 Prozent gemischt (etwa Fixzinsphase und dann variabel), 50 Prozent sind überhaupt variabel verzinst. Steigen die für die Berechnung relevanten Referenzsätze, steigen auch die Kreditraten.

Grafik zur Entwicklugn der Leitzinssätze seit 2000
Grafik: APA/ORF.at

Es ist zwar kaum davon auszugehen, dass der Euro-Leitzins bzw. der EURIBOR in kurzer Zeit gleich um mehrere Prozentpunkte steigen. Mittelfristig ist das allerdings nicht auszuschließen, zeigt ein Blick zurück auf die Zinskurven. Der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate), der Zinssatz, zu dem Banken einander Geld in Euro leihen, dient häufig als Richtwert für die Höhe der Zinsen bei Darlehen, etwa der Drei-Monats- und Sechs-Monats-EURIBOR.

Laufzeit, Summe, Tilgung spielen zusammen

Welche Kredite in welcher Form und wie stark von einer Anhebung der Leitzinsen betroffen sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Auf jeden Fall sind es variabel verzinste Darlehen und mitunter gemischt verzinste. Ein wesentlicher Faktor ist jedenfalls, wie lange der Kredit bereits läuft bzw. welche Kreditsumme noch offen ist: Je mehr, desto größer ist der Effekt eines plötzlich höheren Zinssatzes. Der Traum vom Eigenheim wird auf jeden Fall mit jedem Prozentpunkt teurer, wie einfache Modellrechnungen zeigen.

Plötzlich 150 oder 200 Euro mehr im Monat

Ein Kredit über 250.000 Euro, verzinst mit 2,0 Prozent variabel (nominal), ergibt beispielsweise eine monatliche Rückzahlungsrate von rund 1.058 Euro. Bei derselben Summe, verzinst mit 2,5 Prozent, spucken die zahlreichen Onlinekreditrechner eine Monatsrate von rund 1.120 Euro aus.

Bei 3,0 Prozent sind es bereits 1.183 – also um 125 Euro monatlich oder 1.500 Euro mehr pro Jahr. Wichtig: Diese Rechnung zeigt nur das Ausgangsszenario (ohne Tilgung) eines Neuabschlusses. Ein weiteres Beispiel: Bei einem Kredit steigt während bzw. nach einer zehnjährigen Fixzinsphase (1,5 Prozent) der Zinssatz auf 4,5 Prozent. Die Kreditrate beläuft sich nun auf 1.230 anstatt ursprünglich 1.000 Euro.

Enorme Bandbreite zwischen „günstig“ und „ungünstig“

Schließlich: Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat sich unter dem Motto „Reden wir über Geld“ der Frage „variable oder fixe Zinsen“ angenommen und ein Beispiel durchgerechnet, das die Bandbreite des Möglichen – von „günstig“ bis „ungünstig“ – recht plastisch zeigt.

Ausgangspunkt ist ein Kredit über 300.000 Euro, Laufzeit 20 Jahre. Bei einer fixen Verzinsung mit 1,5 Prozent beträgt die Monatsrate 1.400 Euro, die gesamte Rückzahlungssumme beläuft sich auf rund 347.000 Euro, d. h.: Rund 47.000 Euro fallen an Zinsen an.

Variante zwei, variabel, Verlauf „günstig“, der Zinssatz steigt kontinuierlich von 0,4 auf 1,6 und schließlich 1,9 Prozent: Das ergibt 1.500 Euro Monatsrate und 336.000 Euro Gesamtrückzahlung. Variante drei, „ungünstig“: Der Zinssatz steigt innerhalb der ersten sieben Jahre auf 5,0 und schließlich 6,0 Prozent. Ergebnis laut FMA-Rechnung: 2.100 Euro Monatsrate und über 459.000 Euro Gesamtrückzahlung, also 159.000 Euro allein an Zinsen.

Wo ist die realistische persönliche Schmerzgrenze?

Die Beispiele zeigen einerseits, dass Immobilieneigentümer mit variablen Zinsmodellen in den letzten Jahren ganz gut gefahren sind und, sofern sie schon einen großen Teil getilgt haben, auch noch immer ganz passabel aussteigen können. Härter trifft es jene, die etwa noch im ersten Drittel stehen und ihre Rate vielleicht auch noch knapp an ihrer Schmerzgrenze kalkuliert haben.

Außerdem bergen sehr lange Laufzeiten mit variablen Zinssätzen wegen des geringen Tilgungseffekts – die Kreditsumme wird am Anfang nur langsam kleiner – ein größeres Risiko. Und man setzt sich diesem auch länger aus.

Fixwert und Verhandlungsspielraum

Mit der steigenden Immobiliennachfrage ist auch das Kreditvolumen in Österreich in den letzten Jahren deutlich größer geworden: Im März 2020 waren laut Statistik der OeNB 115,7 Mrd. Euro an Forderungen offen, im März dieses Jahres waren es bereits 131,3 Mrd. Euro. Aktuell liegen die Zinssätze bei Neuabschlüssen laut OeNB-Statistik bei durchschnittlich 1,27 Prozent, bei laufenden Verträgen bei 1,37 Prozent und effektiv im Durchschnitt bei 1,65 Prozent.

Dazu kommt eine Marge, ein Aufschlag des Kreditgebers. Diese ist Verhandlungssache. Beide zusammengenommen ergeben den Nominal- bzw. Sollzinssatz. Der Aufschlag ist Verhandlungssache, ein nicht wirklich immer transparenter Faktor, die Höhe ist etwa abhängig von Kredithöhe, Bonität, Laufzeit, Einkommen, Beruf und mehr.

„Ein bisschen größer, ein bisschen mehr“

Laut Schuldnerberatung Wien ist in neun Prozent der Fälle Wohnraumbeschaffung für finanzielle Schwierigkeiten verantwortlich. Weit häufiger sind es die Veränderung der Einkommenssituation, etwa durch Arbeitslosigkeit, gescheiterte Selbstständigkeitspläne und Trennungen. Mitunter spielten unterschiedliche Faktoren zusammen.

Baustelle und Kran
ORF.at/Christian Öser
„Größer, höher, mehr“ oft kein guter Ratgeber

Da die Zinsen in den letzten Jahren niedrig waren, sei man beim Bauen oder Wohnungskauf mitunter der Versuchung „ein bisschen größer, ein bisschen mehr“ erlegen, so Gudrun Steinmann von der Schuldnerberatung, einem Tochterunternehmen des Fonds Soziales Wien (FSW). Vernünftiger sei es jedenfalls, sich im Vorhinein zu überlegen, was man wirklich braucht, und vor allem auch langfristige Kosten wie Erhaltung und Reparaturen zu bedenken.

„Nicht auf letzten Anschlag kalkulieren“

Der Eigenmittelanteil sollte mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten abdecken können, hier gelte: je mehr, desto besser. Mehr Reserven und damit eine bessere Bonität, darauf verweist auch Steinmann, verbessern auch die Verhandlungsposition gegenüber dem Kreditgeber beim Zinssatz inklusive Aufschlag (Marge). Ein weiterer Rat der Schuldnerberatung: unbedingt Angebote vergleichen, nicht nur zur Hausbank gehen.

Grundsätzlich solle man das Thema Immobilienkredit „in Ruhe überlegen“, das sei schließlich keine kleine Sache. Und es gelte: „Nicht auf den letzten Anschlag kalkulieren“, Reserven sollten da sein, damit man bei unerwarteten Ereignissen nicht sofort ins Schleudern gerät.