Gasherd mit brennenden Flammen
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Gasversorgung

WIFO fordert Spar- und Notfallpläne

Österreich sollte zur Sicherung der Erdgasversorgung viel genauere Notfallpläne vorbereiten und Sparaufrufe auch für Haushalte starten, fordert WIFO-Ökonom Jürgen Janger. Sowohl für Unternehmen als auch für Haushalte sollte es Bonusmechanismen bei weniger Verbrauch geben. Auch Tarife, die zum Sparen animieren, sollte sich die Regierung überlegen.

Fertige Modelle und Anreize zum Sparen auch im Falle einer Gasknappheit sollte es bereits im Herbst geben, sagte Janger am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal. Man könne nicht früh genug beginnen: „Jedes bisschen Gas, das wir jetzt einsparen, haben wir dann im Herbst mehr zur Verfügung, um es dort einzusetzen, wo wir es am dringendsten brauchen.“ Auch sollte die Regierung jetzt schon vorbereiten bzw. überlegen, wie eine mögliche Versteigerung von Gas aussehen könnte und wie effiziente Mechanismen für die Verteilung eines knappen Gutes funktionieren könnten.

Es werde sich im Ernstfall wohl jede Industrie, jede Branche als systemkritisch ansehen und auf eine möglichst hohe Zuteilung drängen, sagte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr ebenfalls im Morgenjournal. Klar sei, dass die Stromversorgung sehr hoch priorisiert werden müsse: „Ohne Gas kann die Stabilität der Netze nicht gewährleistet werden in Österreich und in Deutschland.“

Priorisierung bei Abnehmern notwendig

Man werde sich auch über die medizinische Versorgung, nicht zuletzt in Krankenhäusern, Gedanken machen müssen. Man müsse etwa prüfen, welche Medikamente man importieren könne und welche nicht. Leichter sei es wohl zuerst, Dinge abzudrehen, die man nicht unbedingt brauche, so Felbermayr, der als Beispiel beheizte Schwimmbäder nannte.

Ob sich alle nötigen Vorkehrungen in Sachen Gasversorgung bis Herbst ausgehen, hänge allerdings nicht an Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), so der WIFO-Chef weiter. Die Ministerin habe die regulatorischen Vorbereitungen getroffen, aber das Gas muss auch nach Österreich kommen. „Wenn morgen der Gashahn abgedreht wird oder wenn eine Leitung zerstört wird auf dem Weg von Russland nach Österreich, dann wird das schwer.“ Ein Ersatz mit Flüssiggas sei nicht einfach, zudem gebe es einen Run auf Ersatz für russisches Gas: „Das macht es schwer – das macht es auch teuer“, so Felbermayr.

WIFO: Zeit drängt

Das WIFO hat in einer Studie einige Vorschläge für kurzfristige Handlungsweisen bei einer Gasreduktionen erarbeitet. Die Beispiele seien als Debattenbeitrag zu sehen, um den volkswirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten und gleichzeitig die angestrebte grüne Transformation „zumindest nicht auszubremsen“. Es dränge jedenfalls die Zeit, denn insbesondere der Verteilungsmechanismus für die Wirtschaft sei sehr komplex.

Bei den Haushalten könnte man über die Gestaltung von Tarifen und Boni wirksame Anreize für Nachfragereduktionen bieten. Allerdings sei in Österreich der mit Abstand größte Verbraucher der Wirtschaftssektor. Eine signifikante Reduktionen der gelieferten Gasmengen würde „nicht nur die Lebensbedingungen vieler Haushalte verschlechtern, sondern darüber hinaus zu signifikanten wirtschaftlichen Konsequenzen führen“, schreibt das WIFO.

Im Bereich Wirtschaft analysierten die Forscher ein hybrides Zuteilungsverfahren und einen reinen Versteigerungsmechanismus. Erstes identifiziert zunächst Güterklassen mit unterschiedlicher Priorität und setzt innerhalb dieser dann einen Versteigerungsmechanismus ein, der die Erdgasintensität und die Substituierbarkeit der Güter berücksichtigt. Die zweite Variante stellt das gesamte Erdgaskontingent zur Versteigerung, ohne Priorisierung. Die konkrete Ausgestaltung sei aber nicht trivial, denn es gebe gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Unternehmen.

„Smart Meter“ auch für Gasversorgung?

Ein spezifisches Tarifmodell, das den Verbrauch in Haushalten senken könnte, könnte laut Forschern Anreize für eine allgemeine Verbrauchsreduktion bzw. eine zeitliche Anpassung des Verbrauchs an die aktuelle Netzauslastung enthalten. Als Beispiel wird etwa eine limitierte Bezugsmenge zu einem vergünstigten Tarif genannt – die administrative Umsetzung sei jedoch ungleich schwieriger als bei einem Bonusmodell. Die Steuerung über die Netze brauche zudem entsprechende Steuerelemente (Stichwort: „Smart Meter“) und bringe datenschutzrechtliche Herausforderungen.

In den Schlussfolgerungen schreibt das WIFO, dass das Risiko einer bevorstehenden signifikanten Einschränkung der Gasverfügbarkeit in Österreich jedenfalls hoch sei. Schon jetzt könnte für die weitere Planung ein regelmäßiges Monitoring helfen, etwa auf monatlicher Basis, wie viele erneuerbare Energiequellen ans Netz gehen, wie viel Gas etwa gegenüber dem Durchschnitt der Vergangenheit eingespart wurde oder welche alternativen Liefermengen es gibt.

Chef der Energieagentur: „Öffis“ statt Auto nutzen

Der Geschäftsführer der heimischen Energieagentur, Franz Angerer, sagte im Mittagsjournal, dass man aktuell das Problem habe, dass 50 Jahre in „eine ganze eindeutige Richtung“ investiert wurde, also Richtung Gas. Diese Abhängigkeit könne man nicht in wenigen Monaten, bis Herbst, reduzieren. Es gebe wohl Möglichkeiten umzuschichten, also etwa auf Kohle und Öl umzusteigen, damit könne man rund zehn Prozent des gesamten Gasverbrauchs anders abdecken.

Man dürfe bei all den Debatten über die Versorgungssicherheit aber den Klimaschutz nicht völlig vergessen, langfristig dürften alle Investitionen nicht auf Kosten des Klimaschutzes gehen. Kurzfristigen Maßnahmen wie dem in Deutschland immer wieder debattiertem Tempolimit steht Angerer grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, das sei eine sehr einfache Maßnahme. „Noch einfacher ist es aber, das Auto stehen zu lassen und öffentlich zu fahren – diese Möglichkeit wird viel zu selten genutzt.“

Wirtschaftskammer will Alpe-Adria-Infrastrukturgipfel

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer verlangt unterdessen länderübergreifende Lösungen für den Aufbau von Gasinfrastruktur, um verflüssigtes Erdgas (LNG) nach Österreich bringen zu können – und er will dazu einen Alpe-Adria-Infrastruktugipfel initiieren, um dem Energieproblem beizukommen, wie er laut „Salzburger Nachrichten“, „Kurier“ und „Presse“ (Donnerstag-Ausgaben) sagte. Mahrer denkt dabei an eine Eine „Alpen-Adria-Gasstrategie“ gemeinsam mit Kroatien und Italien, wo es entsprechende Terminals gebe.

Eine Alpe-Adria-Pipeline betreffe auch jene Länder, die bisher mit russischem Gas durch Österreich versorgt wurden. Daher brauche es ein gemeinsames Verständnis und einen Plan Italiens, Österreichs, Tschechiens, der Slowakei und Ungarns, so Mahrer weiter. Italien sei schon informell auf Österreich zugekommen.