Infrastrukturministerin Leonore Gewessler
APA/Roland Schlager
Einstimmig

Regeln für Gasbevorratung beschlossen

Der Nationalrat hat am Donnerstag einen weiteren Schritt zu mehr Energiesicherheit angesichts der russischen Aggression in der Ukraine gesetzt. Einstimmig beschlossen die Parteien eine Regelung, nach der die Republik über den Bilanzgruppenkoordinator Versorger mit der Vorhaltung und Speicherung von Erdgas beauftragen kann.

Den Industriebetrieben, die Gas einspeichern, werden Sicherheiten gegeben. Sie sollen auch im Krisenfall über ihre Gasreserven selbst verfügen können. Erst wenn es die Systemstabilität erfordert, greift der Staat gegen eine Entschädigung auch auf diese Reserven zu.

ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf sprach in der Debatte von schnellen und effektiven Maßnahmen, um die Gasbevorratung zu sichern. Mit dem heutigen Beschluss werde Österreichs Widerstandsfähigkeit gestärkt. Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte, dass man kein Szenario, also auch nicht einen sofortigen Lieferstopp, ausschließen könne. Daher drehe man an allen Schrauben, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

SPÖ-Mandatar Alois Schroll mit Kritik an Regierung

Die SPÖ hat am Donnerstag den neuen Regeln für die Gasbevorratung zugestimmt. Mandatar Alois Schroll übte allerdings Kritik an der „Untätigkeit“ der Regierung.

Grünen-Umweltsprecher Lukas Hammer betonte, dass das Märchen vom billigen, immer verfügbaren russischen Gas für immer vorbei sei. Frühere Regierungen hätten die Energieversorgung Österreichs sehenden Auges den Launen eines Diktators ausgesetzt, warb er vehement für die Energiewende.

Zustimmung und Kritik der Opposition

Zustimmung kam auch von der Opposition – allerdings wurde diese mit Kritik versehen. So hielt SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll eine Brandrede gegen die Koalition, der er Untätigkeit vorwarf. So hätten beispielsweise Deutschland und Italien längst Maßnahmen gesetzt, um die Unabhängigkeit von Russland zu mindern. Auch hätte die Regierung sehen müssen, was sich zusammenbraut: „Das war ein Super-GAU mit Ansage, und die Bundesregierung hat zugeschaut.“

Für die FPÖ meinte Axel Kassegger, dass die gegenwärtige Situation ein „Ausfluss vollkommen verfehlter Klima- und Sanktionspolitik“ sei. Die Freiheitlichen stimmten zwar zu, wollten aber nichts vom Ausdruck Lenkungsmaßnahmen wissen. Es seien nämlich vollkommene Eingriffe aus einer Notlage hinaus, „nahe an der Schnittfläche der Enteignung“, meinte Kassegger.

NEOS-Mandatarin Doppelbauer begrüßte die Novelle

NEOS-Abgeordnete Karin Doppelbauer hat die Novelle für die Gasbevorratung am Donnerstag im Nationalrat begrüßt. Gleichzeitig merkte sie an, dass man noch immer nicht wisse, wie man alternativ zu Gas kommen könnte.

Seitens von NEOS meinte die Abgeordnete Karin Doppelbauer, es handle sich um sinnvolle Maßnahmen, die Planungssicherheit brächten. Kritisch merkte sie an, dass noch immer niemand wisse, wie man alternativ zu Gas kommen könnte. Dass die OMV diesbezüglich schweige, geht für sie nicht.

Hitzige Debatte über Impfpflicht

Vor der Einstimmigkeit zur Gasbevorratung hatte das Thema Impfpflicht allerdings für eine hitzige Debatte gesorgt. Eigentlich hätte bei Verstößen gegen die Pflicht ab Mitte März gestraft werden sollen. Doch nach der Empfehlung einer Expertengruppe wurde der verpflichtende Stich bis 1. Juni ausgesetzt.

Eine weitere Aussetzung kann Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) für drei Monate verordnen – dafür braucht es ein Einvernehmen im Hauptausschuss des Nationalrates. Am Donnerstag ließ Rauch im Parlament nicht erkennen, wie die Zukunft der Impfpflicht aussehen könnte.

Er appellierte aber, „bitte einmal zur Kenntnis zu nehmen“, dass die Coronavirus-Impfung bei den neuen Varianten zwar nicht vor Ansteckung schützt, aber „nachweisbar davor, auf der Intensivstation zu landen, an ‚Long Covid‘ zu erkranken oder schwer zu erkranken“. „Das ist so, das ist inzwischen der Wissensstand weltweit“, meinte er in Richtung der FPÖ-Abgeordneten, die mit Zwischenrufen auffielen.

Neue Regeln zur Energiesicherung

Die EU-Länder haben sich darauf geeinigt, verpflichtende Gasreserven für den kommenden Winter anzulegen. Auch der österreichische Nationalrat beschloss neue Regeln zur Energiesicherung.

Kontroverse über ÖVP-Inseratencausa

Kurz – im Rahmen einer Anfragebesprechung –, aber kontrovers diskutierte der Nationalrat Donnerstagnachmittag über die ÖVP-Inseratenaffäre. Die Opposition hielt der ÖVP erneut vor, ein System struktureller Korruption aufgebaut zu haben. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) räumte „Defizite“ in der Vergangenheit ein und sicherte Aufklärung und Transparenz zu. So kündigte er an, dass jetzt alle Studien veröffentlicht werden.

Verlangt hatte die Anfragebesprechung FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker. Anlass war eine Umfrageserie in allen Ministerien, die ergeben habe, dass die in der Inseratenaffäre beschuldigten Sabine Beinschab und Ex-ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin noch 2019 bis 2021 672.000 Euro „aus den Ministerien abgesaugt“ hätten. Offensichtlich sei an dem „System“ des Missbrauchs von Steuergeld für parteiinterne Zwecke festgehalten worden, konstatierte Hafenecker.

Brunner: Werden aus Revisionsbericht Lehren ziehen

Brunner erinnerte neuerlich an den Bericht der Internen Revision im Finanzministerium – und versicherte, dass man aus den darin aufgezeigten „Defiziten“ die Lehren ziehe. Das Ministerium kooperiere mit allen für Aufklärung zuständigen Stellen. Es werde an modernen Vergabeprozessen und an einer Organisationsreform gearbeitet – und jetzt würden alle Studien veröffentlicht. Geben werde es sie aber weiter, seien sie doch „hilfreich“ für eine faktenbasierte Politik.

SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer war damit nicht zufrieden: Es gehe nicht darum, Verwaltungsabläufe zu optimieren, sondern darum, dass „die ÖVP endlich aufhören muss mit dieser Korruption“. Auch Nikolaus Scherak (NEOS) meinte, es müsse „endlich Schluss sein mit den Deals, den Angriffen auf Korruptionsermittler und der verdeckten Parteienfinanzierung“. Die Grüne Nina Tomaselli hielte eine Entschuldigung aller in Korruptionscausen – von „Ibiza“ bis zum ÖVP-Wirtschaftsbund Vorarlberg – Involvierten bei der Bevölkerung für geboten.

Agrarpolitik: Änderungen bei GAP beschlossen

Mit Regierungsmehrheit beschlossen wurden die gesetzlichen Grundlagen zur Gewährung der EU-Fördermittel im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Nationale Fördermaßnahmen samt Zielwerten sind in einem Strategieplan definiert, für den die EU allgemeine Parameter vorgab.

Während die Opposition viel Anlass für Kritik sah – vom fehlenden Verbot von Vollspaltenböden bis zur aus ihrer Sicht falschen Förderungsstruktur –, sprach der neue Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) von einem „Zukunftsprogramm“ für die Bauern und Bäuerinnen. Der Gesetzesbeschluss diene der Versorgungssicherheit, merkten ÖVP und Grüne an.

Integrationshilfe für Ukraine-Vertriebene

Unterstützung für Ukraine-Vertriebene sollen Gesetzesänderungen bringen, die der Nationalrat – gegen die Stimmen der FPÖ – beschlossen hat. Mit der Aufnahme in das Integrationsgesetz bekommen sie Zugang zu Deutsch- und Orientierungskursen. Einen möglichst raschen Zugang zum Arbeitsmarkt sollen Erleichterungen bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Berufsqualifikationen bringen.

Menschen, die wegen des russischen Angriffs aus der Ukraine nach Österreich geflohen sind, haben bereits seit einiger Zeit den Sonderstatus der Vertriebenen – also einen Aufenthaltstitel, Zugang zu Arbeitsmarkt und Bildungseinrichtungen. Außerdem gebe es schon zahlreiche Angebote, um sie in der Integration zu unterstützen. Diese wurden nun auf eine rechtliche Grundlage gestellt, erläuterte Ministerin Susanne Raab (ÖVP). SPÖ und NEOS stimmten zwar zu, waren aber nicht zufrieden: Die Maßnahmen kämen zu spät und reichten nicht, beklagte die Opposition – und verwies auf große Problem in der Praxis.

CoV-Regeln im Justizbereich verlängert

Während der CoV-Pandemie eingeführte Regelungen – wie die Möglichkeit von Videokonferenzen – gelten im Justizbereich weiter. Bis Jahresende können, wenn es nötig ist, mündliche Verhandlungen, bestimmte Anhörungen und Beweisaufnahmen „unter Verwendung geeigneter Kommunikationsmittel zur Wort- oder Bildübertragung“ durchgeführt werden. Außerdem bleibt die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gebührenfrei.

Das bringt die – mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS – beschlossene Verlängerung der Covid-19-Justiz-Begleitgesetze. Die FPÖ lehnte sie ab, weil aus ihrer Sicht keine „Ausnahmesituation“ mehr gegeben ist.

Repariert wurde das Vertragsversicherungsgesetz. Künftig gibt es ein „ewiges Rücktrittsrecht“ für Lebensversicherungen, wenn die Rücktrittsbelehrung grob fehlerhaft war oder überhaupt fehlte. Die Betroffenen haben dann Anspruch auf die Rückzahlung der Prämien und nicht mehr nur auf den Rückkaufswert. Bestätigt wurde vom Nationalrat die – schon am Mittwoch im Immunitätsausschuss gefasste – Entscheidung, dass FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl nicht „ausgeliefert“ wird.