Pommes im Gegenlicht der Sonne
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Pommes ja, Bad nein

Brüssel fehlt der halbe Sommerspaß

Die wohl besten Pommes der Welt, Bier in allen Variationen und rund 1,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, die im Sommer nach Abkühlung suchen – doch kein Freibad: Trotz idealer Voraussetzungen fehlt in der EU-Hauptstadt Brüssel das kühle Nass. Seit Jahren scheitern Versuche, ein öffentliches Bad zu errichten. Eine Initiative will nun rechtzeitig zu Sommerbeginn auf die einzigartige Lage in Europa aufmerksam machen.

In Brüssels vorwiegend grauem Europaviertel treffen Menschen aus allen Ländern der EU und darüber hinaus aufeinander. Während politisch bekanntermaßen oft Uneinigkeit herrscht, gibt es zumindest bei einem Thema kollektive Verwunderung: Das fehlende öffentliche Freibad ist, so wird hier oft betont, eine europäische Einzigartigkeit – und beschäftigt mit dem herannahenden Sommer große Teile der Zugereisten.

Umso gieriger stürzt man sich auf Neuigkeiten zu dem Thema – und tatsächlich gab es in letzter Zeit zumindest kleine Schritte in Richtung Freibadspaß: Die Initiative „Pool is Cool“ errichtete bereits 2021 einen Pop-up-Pool in der Stadt. Heuer gibt es ein Comeback im Juli, wie „Pool is Cool“ bereits ankündigte.

Junger Mann in einer Wasserfontäne vor dem Atomium im Brüssel
AP/Francisco Seco
In Brüssel wird seit Jahren über die Errichtung eines Freibades debattiert

45 Minuten im kühlen Nass

Entlang des Kanals in der Brüsseler Gemeinde Anderlecht kann man dann in einem 17 mal 7 Meter großen Pool „echt schwimmen“, wie es auf der Homepage des Projekts heißt. Allerdings erlauben die ausschließlich kostenlosen Eintrittskarten nur 45 Minuten im Becken zu im Voraus vereinbarten Zeiten. Immerhin: Wen nicht der Neid frisst, darf darüber hinaus vom Sonnendeck den anderen bei der Abkühlung zuschauen und sich ausgiebig sonnen.

Es ist bisher bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein, doch das erklärte Ziel von „Pool is Cool“ ist „im Freien Schwimmen für jeden Brüsseler“: „Sollten nicht alle die Möglichkeit haben, an einem heißen Sommertag mit Freunden und Familie sich im kühlen Nass zu erfrischen?“, heißt es in der Beschreibung des nun gestarteten Projekts „Je veux nager“ – „Ich will schwimmen“.

Mittels Crowdfunding will man etwa Geld für Gratisschwimmkurse für Kinder und Erwachsene sammeln und ein umweltschonendes System zur Wasserreinigung auf die Beine stellen. Und es soll sichergestellt werden, dass das Outdoorbecken auch in den kommenden Jahren in Brüssel bleibt. Das stößt offenbar auf Resonanz – auch das „Brussels Playbook“, jener E-Mail-Newsletter der Nachrichtenseite der Zeitung „Politico“, der praktisch die gesamte Brüsseler EU-„Bubble“ über das Tagesgeschehen informiert, berichtete über die Aktion.

Seit den 70er Jahren kein Freibad mehr

Und: Die Initiative will damit bewusst auch in Richtung der Behörden demonstrieren, dass es Interesse an Freibädern in der Stadt gibt. Die Lage war in Brüssel jedenfalls früher ganz anders: Bis Ende der 70er Jahre gab es nämlich sehr wohl Freibäder. Das letzte, ein Bad im Nordosten der Stadt, sperrte 1978 endgültig zu.

Menschen auf einem Strand in Ostend
AP/Virginia Mayo
Nordseeküste als Brüssels Neusiedlersee: In Orten wie Oostende tummelt es sich im Sommer an den Stränden

Seither müssen die Brüsselerinnen und Brüsseler in die Umgebung ausweichen. Möglichkeiten gibt es durchaus, nicht nur einige Badeseen rund um die Hauptstadt locken Besucher an. In eineinhalb Stunden ist man vom Gebäude der EU-Kommission an der belgischen Küste. Über 20 Grad hat die Nordsee in der Regel nicht – für manche mag das 45-minütige Zeitfenster im Brüsseler Pop-up-Becken da vielleicht doch verlockender klingen.

Fleischverarbeitung mit Freibad auf dem Dach

In Brüssel hat man jedenfalls Besserung gelobt – und könnte schon in relativ naher Zukunft einem der Lieblingsthemen der internationalen Brüssel-Korrespondenten ein Ende setzen. Die Stadt genehmigte im Februar den Bau eines Gebäudes in Anderlecht, das, so schreibt die „Brussels Times“, in erster Linie zur „Fleischverarbeitung und anderer Lebensmittelverarbeitung sowie als Parkgarage“ genutzt werden soll.

Das Dach soll jedoch als Freibad genutzt werden. Es soll „Ausblick über die Skyline Brüssels“ geben, heißt es auf der Website von Pascal Smet von den flämischen Sozialdemokraten Vooruit, der Brüsseler Staatssekretär für Stadtplanung ist. Eröffnet werden soll es bereits 2024, die Region finanziert das Projekt zum Teil. Im Februar hieß es noch, dass erst Partner gesucht werden müssen. Ob es bald die Kulturgüter Pommes und Bier (und, angesichts des kuriosen Ortes wohl nicht ausgeschlossen, zahlreiche Fleischprodukte) im ersten dauerhaften Freibad Brüssels seit 40 Jahren geben wird, ist damit wohl immer noch nicht endgültig geklärt.