Kind beim Spielen
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Einigung

Mehr Geld für Kindergärten

Bund und Länder haben sich auf eine neue 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung geeinigt. In den nächsten fünf Jahren werden jährlich 200 Mio. Euro in die Elementarpädagogik fließen. Die Mittel, die bis 2027 an die Länder gehen, sind für das Kindergartenpflichtjahr, den Ausbau des Angebots und Sprachförderung vorgesehen. Reichlich Kritik an der Vereinbarung übte die Opposition – sie fordert mehr Mittel für die Kindergärten.

Als Ziel wird in der 15a-Vereinbarung ein flexibles, flächendeckendes und ganzjähriges Angebot an bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Bildungs- und Betreuungsangeboten genannt. Das soll allen Familien, die es wollen, zur Verfügung stehen. Der Ausbau soll die Lage in unterversorgten Regionen verbessern, längere Öffnungszeiten ermöglichen und mehr Kinder unter drei Jahren in die Kindergärten bringen.

Der Bund stellt den Ländern in den Kindergartenjahren 2022/23 bis 2026/27 pro Jahr 200 Mio. Euro für das Gratispflichtkindergartenjahr für Fünfjährige, den Ausbau des Angebots und die frühe sprachliche Förderung zur Verfügung. Über die Kofinanzierung der Länder kommen zusätzlich 63 Mio. pro Jahr für Ausbau und Sprachförderung. Der Bundeszuschuss für das Pflichtkindergartenjahr steigt von bisher 70 auf 80 Mio. pro Jahr.

Mehr Geld für Kindergärten

In Vorarlberg hat am Freitag das Treffen der Landeshauptleute stattgefunden. Beschlossen wurden ein höheres Budget für Kindergärten sowie das Aus des Kopftuchverbots.

Mehr Spielraum für Länder

Von den übrigen Mitteln dürfen die Länder 30 Prozent flexibel für Ausbau oder Sprachförderung nutzen. Bisher waren das nur zehn Prozent. Vorgesehen sind die Mittel u. a. für Plätze, Investitionen für Barrierefreiheit, pädagogisch sinnvolle räumliche Verbesserungen (z. B. Gärten), die Verbesserung des Betreuungsschlüssels und zusätzliches Personal für ein Angebot, mit dem in Vollzeit berufstätige Eltern unterstützt werden können. Unter dem Titel Sprachförderung gibt es Geld u. a. für entsprechendes Personal, Fortbildungen und Sachkosten zur Förderung der Bildungssprache Deutsch bzw. des Entwicklungsstandes.

Fokus auf Sprachförderung

Die frühe Sprachförderung soll laut der Vereinbarung „intensiviert“ werden. Derzeit würden bei Schuleintritt 18 Prozent der Kinder nicht gut genug Deutsch sprechen, um dem Unterricht ohne Fördermaßnahmen folgen zu können, obwohl ein wesentlicher Teil davon das verpflichtende Kindergartenjahr absolviert hat. Ziel ist, dass 2026/27 am Ende des Kindergartenjahres nur noch 15 Prozent der Vier- und Fünfjährigen Sprachförderbedarf haben (2020/21 waren es zu Beginn des Kindergartenjahres 24,2 Prozent, am Ende 19,4).

Landeshauptleutekonferenz in Bregenz
APA/Stiplovsek Dietmar
ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek, Vorarlbergs LH Markus Wallner (ÖVP), Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) präsentierten gemeinsam das Paket

Außerdem sollen künftig österreichweit einheitliche Instrumente zur Sprachstandsfeststellung verwendet werden. Für Sprachförderkräfte soll es einheitliche Qualitätsstandards geben. Neben der deutschen Sprache sollen auch generell der Entwicklungsstand der Kinder (z. B. Motorik, sozial-emotionale Entwicklung) und die Kenntnis der anerkannten Volksgruppensprachen gefördert werden.

Besserer Betreuungsschlüssel

Mit dem Geld soll auch der Betreuungsschlüssel verbessert werden. Wie schon bisher können die Länder Mittel für die Verbesserung des Kind-Fachkraft-Schlüssels auf 1:4 bei den Jüngsten bzw. 1:10 bei den Älteren abholen. In der Praxis wurde diese Möglichkeit allerdings bisher wenig genutzt, zudem ist die Förderung als Anschubfinanzierung auf drei Jahre begrenzt. Derzeit liegt der Betreuungsschlüssel bei den unter Dreijährigen zwischen 1:3,5 und 1:7,5 und bei den Älteren zwischen 1:10 und 1:16,7.

Mehr Kinder unter drei Jahren sollen in Kindergärten

Die Besuchsquote bei den unter Dreijährigen soll bis 2026/27 über das bereits für 2010 festgelegte Barcelona-Ziel von 33 Prozent steigen (2020/21: 29,9) und bei den Drei- bis Sechsjährigen von derzeit 93,8 auf 97. Außerdem soll der Anteil an Kindern gesteigert werden, deren Betreuungsplatz auch mit Vollzeitbetreuung der Eltern vereinbar ist – von 64 auf 70 Prozent bei den unter Dreijährigen und von 51,8 auf 57,8 Prozent bei den Älteren. Schwerpunkte sind Angebote für Kinder unter drei Jahren und der Ausbau von Tageselternangeboten.

Keine Mindeststandards

Gescheitert ist das Bestreben der Regierung, bundesweite Mindeststandards etwa bei Gruppengröße und Personalschlüssel festzulegen. Hier gab es Widerstand der Länder. In der 15a-Vereinbarung bekennen sich die Länder lediglich dazu, „österreichweit möglichst einheitliche Standards in Qualität und Quantität der elementarpädagogischen Angebote“ bei der Qualifikation des Personals sicherzustellen und einheitliche pädagogische Grundlagendokumente (u. a. Bildungsrahmenplan, Werte- und Orientierungsleitfaden) zu nutzen. Außerdem will der Bund im Sinne von mehr Transparenz künftig einen jährlichen Bericht über die Umsetzungsfortschritte der Länder veröffentlichen.

Kopftuchverbot fällt

Wie bereits seit Donnerstag bekannt, fällt auch das Kopftuchverbot für Kinder in Kindergärten. Dieses wurde 2018 von der ÖVP-FPÖ-Regierung gegen den Widerstand der Länder in die 15a-Vereinbarung hineinreklamiert. Für die neue Vereinbarung haben die Länder die Streichung gefordert, nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Ende 2020 eine fast idente Regelung an den Volksschulen aufgehoben hat.

Bisher sind zudem keine Fälle von kopftuchtragenden Mädchen in Kindergärten dokumentiert. Die Frage war bis zuletzt Knackpunkt in den Verhandlungen. Erst nach einer Stellungnahme des Verfassungsdienstes, wonach die Regelung nicht mit der Verfassung vereinbar sei, lenkte der Bund ein.

„Fläche und Wahlfreiheit“

Die Vereinbarung wurde am Freitag von den neun Landeshauptleuten bei der Landeshauptleutekonferenz unterzeichnet. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sprach von einem Meilenstein in der Frauen- und Familienpolitik. Grundzüge der Einigung waren bereits am Vorabend der Konferenz bekanntgeworden. Eine Einigung war deshalb „dringend“, weil die aktuelle Regelung Ende August ausläuft.

„Es war klar und wichtig, dass wir eine Folgevereinbarung brauchen", stellte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) als aktueller Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz fest. Die getroffene Lösung werde sich insbesondere auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auswirken. Das wurde von Familienministerin Raab unterstrichen. „Wir müssen in die Fläche und in die Wahlfreiheit kommen“, betonte sie.

Bildungsminister Polaschek im ZIB2-Interview

Bund und Länder wollen mehr Geld für den Bildungsbereich in die Hand nehmen. Das sei zu wenig, lautet die Kritik. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) ist zu Gast in der ZIB2.

Opposition mit reichlich Kritik

Kritik an dem Paket kam von der Opposition. SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler sprach von einer „Minierhöhung“, die „Milliarde“ sei eine schöngerechnete Mogelpackung. Sie kritisierte, dass es weiterhin keinen flächendeckenden Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gebe. Die FPÖ bemängelte das Aus für das Kopftuchverbot. Laut Klubobmann Herbert Kickl würden dadurch Kinderrechte mit Füßen getreten.

Für NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre fallen die Zahlungen ebenfalls zu gering aus. „Es ist und bleibt einfach zu wenig, um dem Kindergarten die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die er so dringend benötigen würde. Eine Milliarde pro Jahr wäre eine Ansage gewesen.“ Es müsse rasch weitere Verhandlungen geben.

Kritik auch aus einzelnen Ländern

Entsprechend den Parteilinien kam auch Kritik aus einzelnen Ländern – trotz der Zustimmung zur Vereinbarung. „200 Millionen sind besser als 150 Millionen – das steht außer Zweifel“, meinte etwa der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Gebraucht hätte es aber eine Milliarde pro Jahr.

Der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) vermisste etwa einen „langfristig abgesicherten Qualitätsausbau“. Die zusätzlichen Mittel begrüßte er zwar – sie würden aber für Wien keine deutliche Verbesserung bringen. „Beim insbesondere für Wien entscheidenden Faktor – der Verbesserung der Qualität durch mehr Personal und kleinere Gruppen – bietet die neue 15a-Vereinbarung leider keine Neuerungen und somit auch nicht die Grundlage, für ein nachhaltiges Anheben der Qualität.“

Interessenvertreter fordern weitere Schritte

Arbeiterkammer (AK) und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) halten statt der jährlichen 200 Mio. Euro eine Mrd. Euro für nötig. Außerdem seien erneut ungenügende Qualitätsstandards enthalten. Ebenfalls mehr gewünscht hätte sich die Junge Industrie, die längere Öffnungszeiten, flexible Modelle und mehr Qualität forderte: Natürlich unterstütze man die Budgeterhöhung. Es handle sich um einen Schritt in die richtige Richtung, aber keine substanzielle Veränderung.

Ähnlich die Industriellenvereinigung (IV) und die Wirtschaftskammer (WKO): Die neue Vereinbarung enthalte erste Weichenstellungen – dennoch gebe es weiteren Handlungsbedarf, so der Grundtenor. Zufrieden zeigte sich dagegen der Gemeindebund. Die nun fixierten 200 Millionen Euro seien ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.