Der Chef des Instituts für Mikrobiologie in München Roman Wölfel bei seiner Arbeit im Labor
Reuters/Christine Uyanik
Schweiz, Deutschland

Fälle von Affenpocken nehmen zu

Die ungewöhnlichen Fälle von Affenpocken in Europa erreichen nun auch Österreichs Nachbarländer. In Deutschland wurden mehrere Fälle gemeldet, in der Schweiz einer. Auch in Italien wurden bereits Affenpocken registriert. Fachleute nehmen die Lage ernst, sehen aber eine Gefährdung für die breite Bevölkerung als gering an.

Am Samstag meldeten die deutschen und schweizerischen Behörden jeweils einen Fall. In Deutschland hatte es bereits am Freitag das erste Vorkommen der Affenpocken gegeben. Somit gibt es inzwischen Infektionen in mindestens acht Ländern Europas sowie in Australien, Kanada und den USA.

Affenpocken sind eine seltene Viruserkrankung, die vom Affenpockenvirus verursacht wird. Hauptsächlich treten sie in Afrika auf, selten jedoch andernorts. Die Infektionserkrankung wird von Tieren, vermutlich von Nagetieren, auf den Menschen übertragen (Zoonose). Auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich. Seit Anfang Mai 2022 verbreitet sich das Virus erstmals in Europa von Mensch zu Mensch ohne eine epidemiologische Verbindung nach West- oder Zentralafrika.

Meist milde Verläufe

Zu den Symptomen der Affenpocken beim Menschen gehören Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie ein Ausschlag, der oft im Gesicht beginnt und dann auf andere Körperteile übergreift. Die meisten Menschen erholen sich innerhalb mehrerer Wochen von der Krankheit, ein tödlicher Verlauf ist selten. Die meisten Fälle, die derzeit untersucht werden, verlaufen nach Angaben von Hans Kluge, Regionaldirektor für Europa bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), mild.

Neue Viruserkrankung greift um sich

Eine neue Viruserkrankung greift weltweit um sich: Immer mehr Länder melden Infektionen mit den Affenpocken. Wer daran erkrankt, leidet an Hautausschlägen, Fieber und Schmerzen. Betroffen sind mittlerweile schon Nordamerika, Australien und auch Teile Europas. In Österreich gibt es noch keine bekannten Fälle.

Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen verbreitet sich das Virus weniger leicht von Mensch zu Mensch als etwa das Coronavirus Sars-CoV-2. Nach derzeitigem Stand ist für eine Übertragung ein enger Körperkontakt erforderlich, weswegen das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) davon ausgeht, dass die Ausbrüche begrenzt bleiben. Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung wird derzeit als gering eingeschätzt. Mit weiteren Fällen wird aber gerechnet.

Partysommer könnte Ausbreitung beschleunigen

Die kürzlich nachgewiesenen Infektionen seien atypisch, weil die meisten Betroffenen nicht nach West- oder Zentralafrika gereist seien, wo die Krankheit endemisch sei, hieß es in dem Statement Kluges. Auffällig sei auch, dass die meisten zunächst entdeckten Infektionen bei homosexuellen Männern nachgewiesen wurden. Dass die Fälle über Europa verteilt festgestellt werden, lege nahe, dass das Virus schon eine Weile weitergegeben werde. Kluge fürchtete, dass sich die Übertragungen in der Sommersaison mit Massenveranstaltungen, Festivals und Partys beschleunigen könnten.

Die spanischen Behörden gehen derzeit der Vermutung nach, dass Partys der Gay Pride auf der Urlauberinsel Gran Canaria ein möglicher Ansteckungsherd für die Infektionen gewesen sein könnten. Das berichtete die Zeitung „El Pais“ unter Berufung auf Quellen im Gesundheitssektor. An der „Maspalomas Pride“ nahmen vom 5. bis zum 15. Mai etwa 80.000 Menschen aus Spanien und vielen anderen Ländern teil, wie die Zeitung berichtete.

Die WHO hat zu einer Nachverfolgung aller Kontakte von Infizierten aufgerufen. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen, teilte die WHO mit. Zudem würden derzeit Leitlinien zur Eindämmung erarbeitet.

Die Niederlande verhängten am Samstag bereits eine Meldepflicht. Ärzte müssten die Behörde bereits beim Verdacht auf eine Infektion mit dem Affenpockenvirus unterrichten.

Vorbereitungen in Österreich

Auch Österreich bereitet sich auf mögliche Fälle vor. Das Contact-Tracing solle im Fall des Falles Anfang kommender Woche startklar sein, erfuhr die APA am Freitag aus dem Gesundheitsministerium. „Aktuell werden Falldefinitionen und -abgrenzungen erarbeitet, um im Rahmen einer Meldepflicht ein adäquates Fall- und Kontaktpersonenmanagement umsetzen zu können.“ Für eine Entscheidung, ob die Affenpocken künftig zu den meldepflichtigen Erkrankungen zählen sollen und Infizierte auch in Quarantäne müssen, brauche es einheitliche internationale Vorgaben.

Diesbezügliche Abstimmungen laufen zwischen der WHO und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Auch für den Nachweis der Affenpocken könnten labortechnische PCR-Tests verwendet werden.

Von CoV sensibilisiert

Warum die Affenpocken gerade jetzt offenbar vermehrt auftreten und sich ausbreiten, dafür gibt es mehrere Vermutungen. Zum einen könnte die wieder erhöhte Reisetätigkeit „nach Covid-19“, nachdem zuvor durch die Pandemiebekämpfung Reisen viel weniger oder teilweise gar nicht möglich waren, dazu beitragen. Zum anderen sind Behörden, aber auch Medien und Bevölkerung durch die Erfahrungen mit der Coronavirus-Pandemie wohl auch stärker sensibilisiert für Zoonosen und ihre möglichen Folgen – wie SARS-CoV-2 sind die Affenpocken eine vom Tier auf den Menschen übergesprungene Krankheit.

Wer selbst entsprechende Symptome hat, sollte sich von Spezialisten für Infektionskrankheiten untersuchen lassen. Verdachtsfälle sollten isoliert, getestet und schnellstmöglich benachrichtigt sowie eine Kontaktverfolgung in beide Richtungen durchgeführt werden.

Pocken durch Impfkampagnen ausgerottet

Affenpocken sind eine auf ein Virus zurückgehende Erkrankung. Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name. Fachleute vermuten allerdings, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als „Fehlwirte“.

Großen Schrecken verbreitete früher die Pockenkrankheit, verursacht von einem Virus aus der gleichen Gruppe. An der Infektion starb ein großer Teil der Betroffenen. Die Pockenkrankheit gilt nach Impfkampagnen seit 1980 als ausgerottet.