Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
AP/Ukrainian Presidential Press Off
„Geschichte am Wendepunkt“

Selenskyj-Rede bei Weltwirtschaftsforum

Nach mehr als zwei Jahren findet im schweizerischen Davos ab Sonntag wieder das Weltwirtschaftsforum (WEF) statt. Getreu dem diesjährigen Motto „Geschichte an einem Wendepunkt“ wird das Treffen der globalen Politik- und Wirtschaftselite von den Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine dominiert. Eröffnen wird das Forum niemand Geringerer als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Selenskyj wird sich virtuell zuschalten und Montagvormittag die Auftaktrede halten. Auch der stellvertretende Ministerpräsident Mychajlo Fedorow, fünf Parlamentsabgeordnete und der Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, sowie sein Bruder Wladimir Klitschko hätten ihre Präsenz in dem Schweizer Alpenort zugesagt, so das WEF vorab.

Zu den Gästen gehören des Weiteren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der US-Sondergesandte für Klimafragen, John Kerry, und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Insgesamt werden bei dem bis Donnerstag dauernden Treffen rund 50 Staats- und Regierungsspitzen sowie 2.500 Delegierte aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft erwartet, die über Lösungen für internationale Probleme diskutieren.

Russland nicht auf der Gästeliste

Nicht eingeladen sind laut WEF indes Vertreterinnen und Vertreter der großen russischen Staatsfirmen und russische Politiker. Der Präsident des Weltwirtschaftsforums, Borge Brende, sagte dazu: „Russland wird zurück sein, wenn sie sich wieder an die internationalen Gesetze halten.“

Weltwirtschaftsforum in Davos startet

Die große Weltpolitik ist ab 22. Mai auch Thema beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz. 2.500 Wirtschaftsführer, 50 Staatsoberhäupter und andere hochrangige Politikerinnen und Politiker sind bis Donnerstag zu Gast, die Sicherheitsvorkehrungen sind wie immer enorm.

Marshall-Plan für Ukraine

Brende forderte zum Wiederaufbau der Ukraine einen Marshall-Plan. „Auch ohne Friedensabkommen, das derzeit ja nicht sehr wahrscheinlich ist, müssen wir bereits am Wiederaufbau arbeiten, zumindest in den Gebieten, die unter der Kontrolle der Ukrainer sind“, sagte Brende der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe). Es gehe um Infrastruktur, Elektrizität, Schulen, Straßen und Brücken. „Wir brauchen einen Marshall-Plan für die Ukraine.“

Mit dem Marshall-Plan hatten die USA in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau in Westeuropa mit Milliardensummen unterstützt.

Die Forderung nach einem solchen Plan wolle er beim Jahrestreffen vorantreiben, sagte Brende. „Wir werden dafür auch die Konzernchefs zusammenholen – unter dem Motto ‚CEOs for Ukraine‘.“ Auch der private Sektor müsse beim Wiederaufbau des Landes eine wichtige Rolle spielen.

„Welt an historischem Wendepunkt“

Das Forum setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, dass unternehmerisches Handeln in den Dienst der Gesellschaft gestellt wird und alle Bürger und Bürgerinnen weltweit davon gleichermaßen profitieren. „Die Welt steht an einem historischen Wendepunkt, und das verlangt von uns, dass wir uns dringend und schnell mit den derzeitigen geoökonomischen und geopolitischen Herausforderungen befassen“, teilte das WEF mit.

Im Fokus stehen mit dem Ukraine-Krieg, der Coronavirus-Pandemie und dem Klimawandel heuer gleich mehrere weltweite Krisen. Thematisiert werden unter anderem die Folgen des Krieges auf Lieferketten, Energieversorgung und Nahrungsmittelsicherheit.

Auf der Website heißt es dazu: „Vor dem Hintergrund sich verschärfender globaler Reibungen und Brüche wird es der Ausgangspunkt für eine neue Ära globaler Verantwortung und Zusammenarbeit sein.“ Es werde Vorträge und Workshops zu acht unterschiedlichen Themenbereichen geben.

Kritik an Format

Die Jahrestagung der 1971 gegründeten Stiftung findet traditionell im Jänner in Davos statt. Sie war wegen der pandemiebedingten Reisebeschränkungen auf Mai verschoben worden. Zuletzt hatte das WEF vor Ort in Davos im Jänner 2020 und damit vor Ausbruch der weltweiten Coronavirus-Pandemie stattgefunden – zu den prominentesten Gästen zählten damals US-Präsident Donald Trump und die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg.

Doch auch das WEF bleibt nicht von Kritik verschont. Es sei elitär, intransparent, alles andere als umweltfreundlich und würde nichts zur Lösung der großen Probleme der Menschheit beitragen, so der Tenor. Zuletzt sorgte das WEF mit seiner Initiative „The Great Reset“ (zu Deutsch: „Der große Neustart“) für Aufsehen – besonders unter Verschwörungstheoretikern.