ÖVP-U-Ausschuss: Abteilungsleiter über „Erdbeben“ in Justiz

Die zweite Auskunftsperson im heutigen ÖVP-U-Ausschuss ist Gerhard Nogratnig, er leitet jene Abteilung im Justizministerium, die für die Personalbesetzungen und das Dienstrecht zuständig ist. Nogratnig ist damit der zweite hochrangige Justizbeamte, der heute auf Ladung der ÖVP vor den Abgeordneten aussagt. Die ÖVP will mit den Befragungen zeigen, dass es seitens der ÖVP zu keiner politischen Einflussnahme auf die Justiz gekommen sei. Stattdessen ortete ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger politische Einflussnahmen von Justizministerin Alma Zadic (Grüne).

Gerhard Nogratnig im U-Ausschuss im ÖVP Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz

Nogratnig sagte, die Konflikte zwischen dem ehemaligen Justizsektionschef Christian Pilnacek und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seien Resultat eines beiderseitigen „Beharrungseffekts“. In Pilnaceks Augen sei das Verfahren des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nicht so gelaufen, wie er es sich gewünscht habe.

„Das hat zu einer latenten Verstimmung“ geführt, die in der „berühmten Dienstbesprechung“ gegipfelt habe. Damals wurde Pilnacek heimlich aufgenommen („Daschlogt’s es“). Mit den „Ausläufern dieses Erdbebens“ habe er zwangsläufig wiederholt zu tun gehabt.

Justizpostenmanager vom Minister ausgesucht

Interessante Einblicke in Postenbestellungen in der Justiz konnte Nogratnig in seiner Funktion als Aufsichtsrat in der Justizbetreuungsagentur geben. Diese ist ein Personalbereitsteller für Jobs in der Justiz, die mitunter nicht auf üblichen Wegen besetzt werden können. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker interessierte sich für den Geschäftsführer der Agentur.

Das ist Thomas Schützenhöfer, der Sohn des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Der Geschäftsführer, so gab Nogratnig an, werde direkt vom Minister nominiert. Hafenecker erinnerte an Chats, die gezeigt hätten, dass Pilnacek beim steirischen Landeshauptmann für einen Posten für seine Ehefrau interveniert habe.

Zu Marek-Bestellung befragt

Befragt wurde Nogratnig auch zur Bestellung von Eva Marek. Sie wurde 2014 Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien, obwohl sie nicht Erstgereihte war. An die Öffentlichkeit gelangte Chats legten nahe, dass Mareks Besetzung parteipolitisch motiviert gewesen sein könnte, was sie bei ihrer eigenen Befragung Anfang Mai zurückgewiesen hatte. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) habe keine politischen Motive für Mareks Ernennung genannt, sagte Nogratnig. Auch wies er darauf hin, dass es immer wieder vorkomme, dass ein Minister die Reihung der Personalkommission umdrehe – aus unterschiedlichen Gründen.

Der Minister und der Chauffeur

Auch zu einer anderen Besetzung wurde Nogratnig befragt. Damals soll Brandstetter in das entsprechende Hearing auch seinen Chauffeur gesetzt haben. Darüber habe er, Nogratnig, sich beschwert, „weil die Kommission nicht so zusammengestellt war, wie sich das gehört“.

Er selbst sitze in etlichen justizinternen Kommissionen, auch zu Besetzungen. Einflüsse von außen lasse er dabei nicht gelten, so Nogratnig.

An Leaks aus der WKStA, wie sie Pilnacek vermutet hat, glaubte Nogratnig nicht. „Ich glaube nicht, dass sich jemand seine eigene Arbeit kaputtmacht.“ Wieso Pilnacek von solchen Leaks aus der Behörde ausging, wisse er nicht. Für eine Auswertung von E-Mail-Postfächern habe es ohnehin keine Rechtsgrundlage gegeben.

Pilnaceks Nachfolgerin sieht keine „Netzwerke“

Vor Nogratnig wurde bereits Sektionschefin Barbara Göth-Flemmich befragt. Sie übernahm 2020 von Pilnacek die Aufsicht über die Sektion für Einzelstrafsachen, nachdem Zadic die mächtige Strafrechtssektion nach anhaltender Kritik zweiteilte.

Barbara Göth-Flemmich im U-Ausschuss, ÖVP Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz

Göth-Flemmich sagte, sie habe keinerlei Wahrnehmungen über irgendwelche „Netzwerke“ in der Justiz. Jemand, der in einer Behörde „strukturell befangen“ sei, habe „kein Standing“, so Göth-Flemmich recht allgemein. Hanger sah sich dadurch bestätigt und meinte, damit hätten schon zahlreiche Auskunftspersonen ein derartiges System nicht wahrgenommen.

Hangers Vermutung, Zadic habe selbst politische Einflussnahme geübt, etwa via Weisungen, wollte Göth-Flemmich aber auch nicht bestätigen. Weisungen aus dem Ministerium seien schließlich gut dokumentiert und daher auch transparent.

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