Polen: Parlament beschließt Auflösung von Disziplinarkammer

Das polnische Parlament hat gestern die Abschaffung der umstrittenen Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof beschlossen. Die Kammer, die Richter bestrafen und entlassen konnte, steht im Zentrum des seit Jahren andauernden Konflikts um die Justizreformen der nationalkonservativen polnischen Regierung. Die EU-Kommission hat wegen des Streits mehr als 35 Milliarden Euro an Hilfen für Warschau zurückgehalten.

Der vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda eingebrachte Gesetzesentwurf muss nach der Zustimmung des Sejm nun noch vom Senat verabschiedet werden.

Neue „Kammer für berufliche Verantwortung“

Die Gesetzesnovelle sieht vor, die Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof abzuschaffen. Die dort gegenwärtig tätigen Höchstrichter können in eine andere Kammer wechseln oder in den Ruhestand gehen.

Anstelle der umstrittenen Disziplinarkammer soll eine neue „Kammer für berufliche Verantwortung“ eingerichtet werden. Für deren Besetzung sollen unter allen Richtern des obersten Gerichts mit Ausnahme des Gerichtspräsidenten 33 Personen ausgelost werden. Der Staatspräsident wird aus ihnen jeweils elf Richter für eine Amtszeit von fünf Jahren auswählen.

Voraussetzung für EU-Hilfsgelder

Die EU-Kommission hat die Auflösung der Disziplinarkammer zu einer Voraussetzung für die die Freigabe europäischer CoV-Hilfsgelder in Höhe von rund 35 Milliarden Euro gemacht. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte im Streit über die Disziplinarkammer im Oktober außerdem eine Geldstrafe in Höhe von einer Million Euro pro Tag gegen Polen verhängt, die sich inzwischen auf mehr als 200 Millionen Euro summiert hat.

Die polnische Regierung hatte in der vergangenen Woche erklärt, sie hoffe nach der bevorstehenden Auflösung der Disziplinarkammer mit einer baldigen Freigabe der EU-Hilfsgelder. Kritiker bemängeln aber, dass das nun verabschiedete Gesetz nicht auf die Bedenken hinsichtlich der politischen Beeinflussung der Justiz in Polen eingehe. „Dieser Gesetzesentwurf erfüllt nicht die Bedingungen der Europäischen Kommission“, sagte die polnische oppositionelle Abgeordnete Barbara Dolniak.

Die Auflösung der Disziplinarkammer dürfte auch bei einem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Thema sein. Sie will kommende Woche nach Polen reisen.