Wildschweine in Rom
Reuters/Remo Casilli
„Invasion“ in Italien

Wildschweine treiben Bauern auf die Straße

Seit Jahren vermehren sich in weiten Teilen Italiens Wildschweine ungebremst. Das sehen viele zunehmend als Problem. Nicht zuletzt die Bäuerinnen und Bauern des Landes fühlen sich durch die „Invasion“ der Borstentiere bedroht. Am Freitag gingen sie in Rom erneut auf die Straße – mit einer recht simplen Botschaft.

„Schluss mit Wildschweinen“, war auf einem Transparent zu lesen. „Wildschweine sind eine Gefahr für die Felder und die Straßen“, lautete ein anderer Slogan der Demonstrantinnen und Demonstranten. Hunderte Bauern, Viehzüchter und Hirten aus ganz Italien versammelten sich am Freitag in Rom zu einer Demonstration gegen eine „Invasion“ von Wildschweinen im Land. „Wir müssen sie töten, ansonsten werden wir Bauern noch zu einer geschützten Tierart“, sagte ein Demonstrant.

Wie schon im Jahr zuvor wurde der Protestmarsch vom Landwirtschaftsverband Coldiretti organisiert. Die Bäuerinnen und Bauern führen in ihrem Protest nicht nur die Schäden an den landwirtschaftlichen Flächen ins Feld. „Wildschweine zerstören die Felder und töten Schafsherden, sie verursachen Autounfälle am Land und in den Städten, wo sie sich von Müll ernähren. Sie stellen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bürger dar“, heißt es vom Landwirtschaftsverband.

Demo gegen Wildschweine in Rom
APA/AFP/Tiziana Fabi
„Schluss mit Wildschweinen“, fordern die Demonstrantinnen und Demonstranten in Rom

Zahl der Verkehrsunfälle in zehn Jahren verdoppelt

Über 10.000 Verkehrsunfälle pro Jahr gingen inzwischen auf Wildschweine zurück, so Coldiretti. Laut dem Landwirtschaftsverband hat sich die Zahl der Unfälle mit Wildtieren in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Das dürfte in etwa auch dem Zuwachs der Wildschweinpopulation im Land entsprechen. Über zwei Millionen Wildschweine leben Schätzungen zufolge inzwischen in Italien. Auf dreißig Einwohner kommt damit im Schnitt ein Wildschwein. Jede und jeder Vierte sind in ihrem Leben bereits einem Wildschwein über den Weg gelaufen.

Demonstranten mit Wildschweinmasken in Rom
APA/AFP/Tiziana Fabi
Wildschweine als Gefahr: Dieses Bild zeichneten die Bäuerinnen und Bauern bei ihrem Protest

Erst am Donnerstag sorgte ein Unfall italienweit für Aufsehen: Ein 17-Jähriger aus der süditalienischen Provinz Caserta war mit seinem 18-jährigen Freund nachts ohne Führerschein mit dem Auto seines Vaters auf einer Landstraße unterwegs. Er kam ums Leben, als das Fahrzeug ein Wildschwein rammte, das gerade die Straße überquerte. Die Wildtiere können bis zu 1,2 Meter hoch und zwei Meter lang werden und an die 150 Kilo auf die Waage bringen. Auf ihren Wegen können sie bis zu 40 Kilometer auf einmal zurücklegen.

Picknickverbot in römischen Parks

Die Wahrscheinlichkeit, einem Wildschwein zu begegnen, ist in den vergangenen zwei Jahren noch einmal gestiegen. Während des CoV-bedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 häuften sich Meldungen über Wildschweine, die bei Futtersuche in Wohngegenden vordrangen. Nicht zuletzt in der italienischen Hauptstadt sind die braun-schwarzen Borstentiere inzwischen in vielen Parks ein gewohnter Anblick. Rund 23.000 Wildschweine dürften in und um Rom leben.

Wildschweine in Rom
Reuters/Remo Casilli
Mensch und Wildtier – die Kombination birgt Konflikte

Erst Anfang Mai erließ die römische Stadtverwaltung ein Picknickverbot in den Parks im Norden der Stadt. Mitte des Monats kündigte Roms sozialdemokratischer Bürgermeister Roberto Gualtieri ein Programm zur gezielten Tötung der Wildtiere an. Zuvor war bei Wildschweinen in der Hauptstadt und ihrem Umland die Afrikanische
Schweinepest nachgewiesen worden.

Pläne zur Keulung

Auch die italienische Regierung wollte darüber nachdenken, wie sich die Populationen im Land verkleinern ließen. Man diskutiere einen „Keulungsplan“, sagte etwa Andrea Costa, Staatssekretär im Gesundheitsministerium. Er „respektiere die Empfindungen von Tierschützern und Umweltschützern, aber wir haben es hier mit einem Notfall zu tun, der mit Notfallmaßnahmen angegangen werden muss“, sagte er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Bereits vor einigen Jahren plante die Region Toskana, 250.000 der Tiere zu töten – und sorgte damit für heftige Proteste. Umweltschützer und eine Reihe von Prominenten, darunter italienische Fernsehstars, Künstler und Intellektuelle, riefen eine Kampagne gegen die geplante Tötung der Tiere ins Leben.

Menschgemachtes Problem

Laut Tierschützern könne man die Lage auch anders in den Griff bekommen – etwa mit Medikamenten, die auf die Fruchtbarkeit der Tiere wirken. Oder man müsse eben mehr Straßenabschnitte mit Zäunen begrenzen und den Wildtieren die Möglichkeit geben, Straßen mit Über- oder Unterführungen zu queren.

Dass sich die Wildschweine in Italien so stark vermehren, hat natürlich mit dem Fehlen von natürlichen Fressfeinden zu tun. Das Problem dürfte aber noch eine andere – ebenfalls vom Menschen geschaffene – Ursache haben. In den 1990er Jahren brachten Jäger Tiere aus Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern nach Italien. Diese waren größer und kräftiger als die italienischen Wildschweine – und fruchtbarer.