Menschen bei einem NRA-Treffen in Houston
AP/Michael Wyke
Nach Schulmassaker

US-Waffenlobby begeht Jahrestagung

Im Schatten des Massakers in einer Volksschule im US-Bundesstaat Texas kommt die mächtige US-Waffenlobby National Rifle Association (NRA) an diesem Wochenende zu ihrer Jahrestagung zusammen. Auf ihrer Website spricht die Organisation den Familien der 21 Toten – darunter 19 Kinder – ihr „tiefes Mitgefühl“ aus und will in den kommenden drei Tagen „Freiheit, Schusswaffen und den Zweiten Verfassungszusatz feiern“.

Das Entsetzen über das jüngste Massaker an der Volksschule in der texanischen Kleinstadt Uvalde ist groß. Neben Trauer und Ohnmacht herrscht auch Wut auf die mächtige Waffenlobby und jene Politiker und Politikerinnen, die diese unterstützen. Laut dem US-Medium „Houston Chronicle“ planen Bürgerinnen und Bürger in Houston während und vor der Jahrestagung Proteste gegen die Waffenlobby. Doch Hoffnungen auf ein Einlenken der NRA sind gering.

„Die NRA wird das tun, was die NRA am besten kann: Angst schüren. Das ist es, was Waffen verkauft“, hielt der Bloomberg-Journalist Francis Wilkinson in einem Podcast fest. Die Positionen der Waffenlobby seien seit Jahren gleich, und auch dieses Mal würde sich trotz Schulmassakers nichts ändern: „Sie werden sagen, dass dich nichts außer einer Waffe retten kann, dass die Polizei nicht rechtzeitig da sein wird und dass du auf dich allein gestellt bist.“

Blumen vor der Robb Elementary School
AP/Aaron M. Sprecher/Aaron M. Sprecher
An der Volksschule in Uvalde kam es zu einem Blutbad: 19 Kinder und zwei Lehrerinnen starben

61 Amokläufe im vergangenen Jahr

Im vergangenen Jahr zählte die US-Bundespolizei FBI 61 Amokläufe mit Schusswaffen im Land – etwa einer alle sechs Tage. Darunter sind immer wieder tödliche Massaker an US-Schulen. Mittlerweile haben Schusswaffen auch Autounfälle als häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen in den USA abgelöst – wohl auch deshalb, weil sich die Maßnahmen zur Verkehrssicherheit im Laufe der Jahrzehnte verbessert haben, die Waffengesetze hingegen wurden eher gelockert.

Die Macht der US-Waffenlobby

Fast 400 Millionen Schusswaffen in privatem Besitz gibt in den USA. Mehr, als Menschen im Land leben. Umgerechnet kommen auf 100 Einwohner 121 Gewehre und Pistolen. Nirgendwo sonst sind auch nur annähernd so viele Schusswaffen im Umlauf. Zum Vergleich: Das Bürgerkriegsland Jemen liegt weit abgeschlagen auf Platz zwei, mit circa 53 Waffen pro 100 Einwohner.

Im Vergleich zu Europa ist das Waffenrecht in den USA allgemein sehr lax. Befürworter berufen sich auf den 1791 verabschiedeten zweiten Verfassungszusatz, der es ihrer Ansicht nach den Amerikanern und Amerikanerinnen erlaubt, Waffen zu tragen. Initiativen zur Verschärfung des Waffenrechts auf Bundesebene scheiterten bisher.

Biden in Uvalde, Trump bei NRA-Jahrestagung

In Uvalde hat ein 18-Jähriger am Dienstag in einer Volksschule 19 Kinder und zwei Lehrerinnen getötet, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Eltern warfen der Polizei vor, zu lange untätig gewesen zu sein und nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben. Die Behörden bestätigten, dass der Schütze rund eine Stunde in dem Klassenzimmer verbracht habe. Erst dann habe man den Raum betreten und ihn erschossen. Zuvor hatte es laut Polizei an einer „Spezialausrüstung“ gefehlt.

Das Schulmassaker fachte die Debatte über schärfere Waffengesetze in den USA erneut an. US-Präsident Joe Biden hatte nach dem Blutbad mit deutlichen Worten schärfere Waffengesetze gefordert. Entsprechende Initiativen seiner Demokraten scheitern jedoch regelmäßig am Widerstand der Republikaner und an der mächtigen Waffenlobby. Am Sonntag will Biden nach Uvalde nach Texas reisen.

Dessen Vorgänger, Ex-Präsident Donald Trump, wird ebenfalls in den Bundesstaat reisen. Er tritt nämlich bei der NRA-Jahrestagung auf. Der Republikaner ist vehement gegen eine Verschärfung der Waffengesetze. Trumps Teilnahme an der Veranstaltung stand bereits seit einiger Zeit fest. „Amerika braucht in diesem Moment echte Lösungen und echte Führung, nicht Politiker und Parteilichkeit“, schrieb er.

Scharfe Kritik an Abbott

Der republikanische Gouverneur von Texas, Greg Abbott, sagte nach US-Medienberichten zufolge seine Teilnahme hingegen ab. Stattdessen werde er sich über ein Video, das bei der Veranstaltung abgespielt werden solle, an die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wenden. Auf der Internetseite der NRA stand Abbott in der Nacht auf Freitag zunächst noch als bestätigter Redner auf dem Programm. Nach dem Massaker an der Volksschule hatten mehrere Musiker und Musikerinnen ihre Auftritte bei der Veranstaltung abgesagt.

Greg Abbott
AP/Dario Lopez-Mills
Abbott (Mitte) wird am Freitag erneut in Uvalde erwartet – seinen Auftritt in Houston sagte er ab

Bei einer früheren Pressekonferenz Abbotts zu dem Amoklauf war es zu einem politischen Eklat gekommen. Der Demokrat Beto O’Rourke hatte am Mittwoch die laufende Pressekonferenz Abbotts unterbrochen und diesen für seine Haltung zu den Waffengesetzen im Land kritisiert. O’Rourke, der im November bei der nächsten Gouverneurswahl in Texas als Herausforderer gegen Abbott antreten will, warf dem Republikaner vor, nichts gegen die grassierende Waffengewalt in den USA zu unternehmen.

Auch der „Houston Chronicle“ kritisierte in einem Leitartikel Abbott scharf. Der texanische Politiker beschrieb das Massaker als „schrecklich und unverständlich“. Während das erste Wort zutreffe, sei der Begriff „unverständlich“ eine „ebenso feige wie eine unverfrorene Lüge“. Es sei zwar unverständlich, dass jemand ein Blutbad anrichte, „aber es gibt eine Waffe, die in Texas leicht erhältlich ist, die Effizienz gewährleistet und die Chancen auf einen tragischen Erfolg deutlich steigen lässt: die Schusswaffe“.

Schusswaffenhersteller verzichtet auf NRA-Teilnahme

Der Hersteller der Schusswaffe, die bei dem Schulmassaker verwendet wurde, verzichtete unterdessen auf die Teilnahme am Jahrestreffen NRA. „Daniel Defense nimmt aufgrund der schrecklichen Tragödie in Uvalde, wo eines unserer Produkte auf kriminelle Weise missbraucht wurde, nicht an der NRA-Tagung teil“, erklärte das Unternehmen. „Wir glauben, dass diese Woche nicht der richtige Zeitpunkt ist, um auf der NRA-Tagung in Texas für unsere Produkte zu werben“, fügte das Unternehmen hinzu.

Der Hersteller Daniel Defense hatte zuvor seine volle Unterstützung bei den Ermittlungen zu dem Massaker zugesagt. Eine Woche vor dem Angriff hatte das Unternehmen ein Bild getwittert, das einen Buben zeigt, der mit einem Sturmgewehr auf dem Boden sitzt, während ein Erwachsener mit dem Finger auf die Waffe zeigt. „Erziehe ein Kind so, dass es den Weg geht, den es gehen soll – und wenn es größer ist, wird es nicht davon abweichen“, heißt es im Begleittext zu dem Bild.